Über die Wintermonate gab es kaum Meldungen zu Interaktionen von Orcas und Segelyachten. Das könnte sich nun bald ändern. Im Winter jagen die Orcas im Nordatlantik, ab März kehren sie zur Straße von Gibraltar zurück, um Jagd auf den Roten Thunfisch zu machen. Im Juli ist die höchste Konzentration zu erwarten. Zugleich wird mit steigenden Temperaturen und moderateren Bedingungen auch die Bootsdichte in diesem Gebiet wieder zunehmen.
Treffen wieder verstärkt Orcas und Segelyachten zusammen, sind ansteigende Interaktionszahlen wahrscheinlich. Davon gehen offenbar auch viele Skipper aus, die sich verstärkt zur Abwehr rüsten. Denn obwohl noch nicht geklärt ist, aus welchem Grund Orcas sich vor allem mit den Rudern von Yachten beschäftigen und einige Forscher dies als Spieltrieb interpretieren, fühlen sich die betroffenen Segler angegriffen.
Nach YACHT-Informationen werden derzeit verstärkt Tipps von Skipper zu Skipper oder über soziale Netzwerke zum Bau von Abwehrböllern weitergegeben. Der YACHT liegt eine solche Anleitung vor. Dabei handelt es sich um Party- oder Silvesterböller, die in manchen Ländern ganzjährig erhältlich sind oder über das Internet illegal beschafft werden können.
Sie weisen keine spezifischen Besonderheiten auf, außer, dass die Zündschnur gewachst sein sollte, um auch unter Wasser weiter zu brennen. Doch selbst Knaller, die an einer rauen Fläche angerissen werden, würden unter Wasser weiterbrennen. Damit die Böller absinken, werden sie beschwert, etwa mit einer größeren Schraubenmutter, die mit einem Kabelbinder am Böllerkörper festgezurrt wurde.
Angeblich soll der Knall helfen, die Orcas zu vertreiben, so zumindest sind sich die meisten Diskutanten in der Facebook-Gruppe Orca Attack Reports einig.
Über die Wirkung von Knallkörpern, sogenannten Robben-Bomben, die Fischer zur Abwehr von Robben von ihren Netzen einsetzen, hat auch Ex-Trans-Ocean-Vorstand Martin Birkhoff auf seiner Website berichtet. Er erlebte zwei kurze, heftige Orca-Attacken und setzte als letztes Mittel nach dem Ablaufen sogenannte Fire-Cracker ein, was die Interaktionen beendete.
Ob der Knall den Orcas schadet, speziell ihrem Gehör, ist nicht bekannt. Laut UN-Hochseeschutzabkommen zählen sie auch nicht zu den geschützten Arten. Jedoch bezieht sich das Abkommen auf die Hochsee. In europäischen Gewässern regelt den Schutz die FFH-Richtlinie, nach der Wale und Delfine geschützt sind, zudem haben Spanien und Portugal eigene Gesetze erlassen.
Was darin jeweils erlaubt und verboten ist, lässt sich, sehr grob, so zusammenfassen: Eine vorsätzliche Schädigung oder Störung der Tiere, etwa beim Whalewatching, sollte vermieden werden. Nicht geregelt oder nicht explizit genannt sind Notfälle oder gar Notwehr und ob eine Orca-Abwehr mittels Böllern oder anderer Maßnahmen einen Verstoß darstellt.
Dazu müssen wohl Gerichtsurteile abgewartet werden. So wurde im August 2024 ein Fall dokumentiert, bei dem eine Crew Oracs mit Feuerwerkskörpern beschossen hatte. Die spanische Guardia Civil nahm Ermittlungen auf. Über einen ähnlichen Fall wurde 2023 berichtet.
Es ist nicht nicht einmal geklärt, ob es sich um Angriffe handelt, weshalb immer wieder darauf hingewiesen wird, die Vorfälle als Interaktionen zu bezeichnen. Die Gesellschaft zur Rettung der Delfine listet folgende mögliche Interpretationen auf:
Die erste Interaktion zwischen einem Orca und einem Segelboot wurde im Juli 2020 vor Cadiz dokumentiert. Danach nahmen die Interaktionen stetig zu, bis sie ab 2024 zurückgingen. Über 800 Interaktionen wurden insgesamt verzeichnet, rund 500 davon für das betreffende Gebiet, monatlich nachzusehen auf der eigens eingerichteten Seite Orca Ibérica. Dort werden auch Warnstufen für die verschiedenen Küstenabschnitte Spaniens und Portugals herausgegeben.
Laut einer Studie wird geschätzt, dass die Orcas etwa jedes hundertste Boot berühren, das durch die iberischen Gewässer fährt. Bisher wurden drei Yachten versenkt. Laut der Webseite Orca Iberica entfielen die meisten Angriffe auf Segelyachten (72 %), danach folgten Katamarane (14 %) sowie Motorboote (6 %), Schlauchboote (5 %) und Fischerboote (3 %). Die Häufung dürfte in etwa auch dem Anteil der jeweiligen Bootsart in diesem Gebiet entsprechen. Bei den Segel- und Motorbooten mit Ruderanlage war der gebräuchlichste Rudertyp das Paddelruder (67 %).
Die Verteilung der Interaktionen nach Bootsgröße ergab folgendes Bild: Bei den Segelyachten würden Boote zwischen 6,5 und 35 Metern Länge angegriffen, der Durchschnitt lag bei 13,07 Metern. Motorboote waren zwischen 6 und 12 Meter lang (Durchschnitt 8,23 Meter). Die Geschwindigkeit aller Boote betrug durchschnittlich 5,7 Knoten.
Auf unterschiedliche Weise wird versucht, Interaktionen mit Orcas zu vermeiden. Wir geben hier sowohl die offiziellen spanischen Verhaltenshinweise wieder als auch Tipps, die sich offenbar bewährt haben: