In der Schleuse in Brunsbüttel kam es am Samstagabend zu einem folgenschweren Zusammenstoß zwischen einer Segelyacht und einem Tanker. Bei der Kollision brach der Mast des Seglers ab und verletzte die 55-jährige Skipperin. Die Verletzte wurde umgehend in ein Krankenhaus gebracht. Die Umstände, die zu dem Unfall in der Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals (NOK) führten, sind derzeit noch unklar und Gegenstand der Ermittlungen.
Bei der Yacht handelte es sich um die Varianta 37 “Elbe Express”, ein Ausbildungsboot der Yachtschule Eichler, gebaut 2016, die damit Ausbildungsfahrten auf der Elbe unternimmt. Sie befand sich mit der Ausbilderin und einer Kunden-Crew auf dem Weg aus dem NOK in die Elbe. Der Unfall ereignete sich in der Alten Schleuse Süd. Den Unfallhergang schildert Yachtschul-Besitzer Robert Eichler: “In der Schleuse hatte auf der Steuerbordseite ein 100-Merter-Tanker festgemacht, vor unserem Boot fuhr ein Carbonracer mit viel Fahrt hinein. Unsere Yacht fuhr hinterher und wurde vom Schraubenwasser des Tankers erwischt. Sie schlug quer, der Mast prallte auf Autoreifen, die als Fender an der Bordwand des Tankers hingen, und brach in der Mitte durch.”
Dabei wurde die Skipperin schwer verletzt. Eichler: “Die Skipperin saß achtern, da sind Schalthebel und Ruder. Die herabstürzenden Teile klemmten sie ein. Das Achterstag spannte sich quer über ihren Brustkorb und klemmte sie zwischen Reling und Radarhalterung ein. Sie wurde bewusstlos.”
Die Crew konnte sie jedoch relativ schnell wieder befreien und einen Notruf per Handy absetzen, die Skipperin hatte das Bewusstsein wiedererlangt. Per Feuerwehr-Drehleiter wurde die Skipperin abgeborgen. “Sie konnte danach allein zur Trage laufen, das haben wir schon mal als gutes Zeichen gewertet”, so Eichler. Sie wurde dann per Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen. Die Untersuchung ergab eine gebrochene fünfte Rippe, die Skipperin sollte eigentlich schnell wieder entlassen werden. Da sie jedoch auch über Nackenschmerzen klagte, wurde sie vorerst zur Beobachtung im Krankenhaus behalten.
“Sie hatte noch Glück im Unglück”, sagt Eichler. “Sie ist eine kleine, drahtige Frau. Jeder größere Mensch hätte nicht in den Zwischenraum gepasst. Ich weiß nicht, was dann passiert wäre.”
Die Schleuse war für drei Stunden gesperrt, bis die Polizei die Zeugen befragt hatte. Eine Untersuchung wurde eingeleitet. Die Yacht blieb manövrierfähig und wartet nun auf ein neues Rigg, die Ausbildungsfahrten mit ihr sind bis auf weiteres ausgesetzt.
Wie es zu dem Unfall kommen konnte, ist bis zum Abschluss der Untersuchungen unklar. Vermutlich war die Skipperin zu langsam beim Passieren des Schraubenwassers des Tankers. Entweder dampfte dieser noch immer mit Schub voraus in die Spring ein. Dann hätte jedoch die Schleuse nicht freigegeben werden dürfen. Doch selbst wenn der Verstellpropeller auf neutral gestellt war, gibt es in einer Schleuse immer noch Rückstaueffekte, verschiedenste tückische Strömungen. Oder aber der Tankerkapitän musste noch einmal Schub geben. “Tatsache ist, dass die Schleuse freigegeben war”, so Eichler.
Der Vorfall wirft Fragen zur Sicherheit in Schleusen auf, insbesondere wenn Sportboote und größere Schiffe gleichzeitig geschleust werden. Dabei gibt es offenbar unterschiedliche Vorgehensweisen auf beiden Seiten des NOK. Eichler: “Die Kieler lassen kein Sportfahrzeug zusätzlich zu großer Berufsschifffahrt in die Schleuse, wenn sie wissen, das mit den Propellern gearbeitet werden muss, um das Schiff auf Position zu halten, also das klassische Eindampfen in die Spring. Die sagen, da gehen wir kein Risiko ein.” Die Brunsbütteler hätten dagegen eine andere Auffassung: “Die gehen davon aus, dass es sich um erfahrene Schiffsführer handelt, die selbst entscheiden sollen, ob sie sich hineintrauen oder nicht. Wenn das Berufsschiff fest ist, schalten sie auf Weiß und die Sportbootskipper können einfahren.”
Diese Praxis sieht Eichler, der über mehr als 50 Jahre Erfahrung verfügt und aus der Berufsschifffahrt kommt, kritisch. “Für erfahrene Skipper finde ich das okay. Für die allermeisten ist aber eine Schleusensituation Stress.” Am schlimmsten sei dabei die unterschiedliche Erfahrung der Skipper. “Wenn man mit mehreren Booten einfährt und sich jemand nicht traut, zügig zu fahren, hat man schnell eine Mastenkarambolage.” Es käme auch immer mal wieder zu Kollisionen von Riggs mit Bordwänden von Berufsschiffen. “Aber da prallt dann mal eine Salingsnock gegen so eine Bordwand, das ist nicht weiter schlimm. Dass es in einem so ungünstigen Winkel passiert wie in unserem Fall, das ist schon etwas Besonderes.”
Auch ein anderes Verhalten von Freizeitskippern sieht Eichler problematisch: “Es gibt immer wieder welche, die die Schleuse nicht von hinten nach vorn auffüllen, sondern irgendwo in der Mitte festmachen. Dann muss man die überholen, obwohl es in Schleusen ein Überholverbot gibt.”
Eichler ist unentschlossen, welche Herangehensweise seitens des Schleusenpersonals das richtige sei. “In Kiel wartet man länger auf die Schleusung, weil man dort einfach nicht mit einem Dampfer hineingelassen wird, wenn der den Propeller braucht.” Würde dies in Brunsbüttel genauso gehandhabt, entstünden auch dort längere Wartezeiten, was gerade in der Hochsaison auch nicht im Sinne der Skipper sei. “Man könnte aber über Funk eine Durchsage machen und die Skipper warnen, dass ein Dampfer den Propeller benötigt. Aber ob das jeder mithört, ist auch wieder fraglich.”
Eichler empfehlt: “So schnell wie möglich den Heckwasserbereich eines Berufsschiffes passieren. Dann kann man zwar theoretisch immer noch in das Wasser des Bugstrahlruders geraten, aber es ist eher unwahrscheinlich, dass dieses benutzt wird.”
Einen umfassenden Guide zum NOK gibt es hier. Auch eine Schritt-für-Schritt Anleitung zum richtigen Schleusen haben wir für Sie zusammengestellt. Wer sich für die Historie von Schleusen interessiert, wird hier fündig.
Dieses Wissen sollte zum Grundwissen für jeden Skipper gehören, der sich in eine Schleuse begibt.