In normalen Zeiten wäre dieses Ereignis wohl kaum einen Artikel wert gewesen. Aber in Anbetracht der immer noch erfolgenden Orca-Attacken gegen Segelyachten ist das, was YACHT-Leser Jürgen Claß widerfuhr, umso bemerkenswerter.
Auf einem etwa 40-Seemeilen-Törn von Dénia aus zurück in ihren Heimathafen Valencia wurde die Etap 34S von Jürgen Claß und seiner Frau von vier Thunfischen attackiert.
Claß berichtet: „Nach einem plötzlichen spür- und hörbaren Rumms sah meine Frau im Heckbereich einen größeren Fisch, und wir dachten erst, dass wir einen Delphin überfahren hätten.“ Doch Glaß sagte sich, dass das eigentlich nicht sein könne: „So blöd kann doch kein Delphin sein, dass er sich überfahren lässt.“ Zumal die Etap nur mit ein paar Knoten segelte, die Bedingungen leichtwindig waren. Die Etap segelte zu dem Zeitpunkt auf etwa 60 Meter Wassertiefe, der Wind war sehr wechselhaft zwischen sechs und acht Knoten.
„Doch nach wenigen Augenblicken kam der Fisch zurück“, so Claß weiter, „und schwamm von hinten kommend an unser Ruder.“ Die Etap segelte mit eingeklinktem Pinnenpiloten.
Claß berichtet weiter: „Dann kam ein zweiter Fisch und schwamm von hinten kommend unter dem Rumpf hindurch, ohne Berührung. Wir wussten erst gar nicht, was das für Fische sind, und haben erst einmal im Internet nachgeschaut.“ Schnell sei klar gewesen, dass es Thunfische waren. „Es handelte sich um vier Fische in der Größe 1,5 bis etwa zwei Meter.“
„Das Ganze dauerte etwa eine Stunde, immer mal wieder gab es fünf Minuten Pause, bis sie zurückkamen. In Summe sind sie mindestens zehnmal dabei an das Ruder geboxt.“ Sie hätten sich kurz vor der Berührung immer auf die Seite gedreht, und es habe so ausgesehen, dass sie mit dem Bauch gegen das Ruderblatt geschwommen seien.
Claß kannte die vielen Berichte von Orca-Attacken. „Da unsere Etap ja unsinkbar ist und diese Thunfische deutlich kleiner als Orcas sind, hatten wir keine Angst unterzugehen“, sagt Claß. „Ob wir allerdings einen Ruderschaden erleiden würden, war uns nicht klar, und deshalb war die ganze Situation schon etwas mulmig für uns, wir sind ja noch Segel-Anfänger …“
Richtung Ufer in flachere Bereiche zu laufen, wie es bei Orca-Attacken empfohlen wird, sei aufgrund der Entfernungen nicht sinnvoll gewesen. „Wir sind also einfach weitergesegelt.“
Als die Rammings nach einer Stunde weiterhin nicht aufhörten, bat Claß seine Frau, mit einem Fender aufs Wasser zu schlagen, wenn sich der nächste Thunfisch nähere. „Jedes Mal, wenn einer von hinten anschwamm, schlug sie aufs Wasser. Das hielt die Fische dann tatsächlich ab, und wir hatten Ruhe.“
Die Thunfische seien so dicht gewesen, dass Claß leicht einen hätte fangen können. „Da hätte schon eine Drahtschlinge gereicht, die man von vorn über den Fisch zieht und zuzieht.“
Im Hafen von Valencia habe Claß das Ruder inspiziert und keinen Schaden feststellen können. Er habe die Videos und Bilder seinen spanischen Stegnachbarn sowie Fischern gezeigt, und keiner habe jemals von so einer Attacke gehört.
„Ob man das nun als Attacke bezeichnen muss oder ob das Spielen war, ist uns nicht klar“, so Claß. Nahrungssuche der Fische schließe er auch aus, das Unterwasserschiff habe im April einen neuen Antifouling-Anstrich bekommen, und er habe einen Tag vor dem Ereignis am Ruderblatt einen minimalen Bewuchs, der nur am Blattende war, komplett beseitigt. Der Vorfall ereignete sich am 23. August.
Jürgen Claß, 68, ehemaliger Ingenieur, heute im Ruhestand, machte erst 2021 seinen Sportbootführerschein See sowie das Bodenseepatent, kaufte sich eine Neptun 26 und besegelte mit seiner Frau den Bodensee. Schnell wurde dem Paar jedoch klar, dass die Neptun zu klein sei. In einer Annonce fanden die beiden eine Etap 34S mit Liegeplatz Valencia/Spanien. Kurz entschlossen kauften sie diese im Mai 2022 und übernahmen auch gleich den Liegeplatz. „Wir finden, Valencia ist ein idealer Ausgangshafen“, so Claß. Von Valencia aus unternahmen sie schon einige Törns, sehen sich aber eher noch als Anfänger.