Max Gasser
· 06.10.2022
Yvan Bourgnon muss heute vor einem Pariser Strafgericht erscheinen. Dem Abenteurer wird vorgeworfen, bei seiner 7.500 Kilometer langen Ein-Mann-Expedition im Katamaran durch die Nordwestpassage im Jahr 2017 betrogen zu haben
Dass Yvan Bourgnon 2017 die Durchquerung der Nordwestpassage mit einem Sportkatamaran gelang, wird bis heute auf der Website seines Hauptsponsors als Rekord festgehalten: “travelling solo from Alaska to Greenland, via the Northwest Passage, in a sport catamaran, without a cabin or any assistance.” Was den letzten Teilsatz “ohne Assistenz” betrifft, kamen jedoch schnell erste Zweifel auf.
Laut übereinstimmenden Medienberichten von “Le Figaro” und dem “Spiegel” steht der 51-jährige Schweizer deswegen ab heute vor Gericht. Der Filmregisseur Pierre Guyot, der einen Film über die Fahrt machen wollte, wirft dem Segler Betrug vor. Er war von den Aufnahmen der am Katamaran von ihm angebrachten Kameras enttäuscht, auch das Tracking hatte Lücken. Laut Bourgnon habe dies jedoch ausschließlich technische Ursachen gehabt.
Bourgnon muss sich nun vor Gericht wegen “Lügen durch Unterlassung” verantworten, er selbst verneint dies jedoch. Guyot wolle ihn als Betrüger darstellen: “Das Gericht wird über Fragen des Urheberrechts und der Verwertung von Bildern entscheiden, die während der Nordwestpassagen-Herausforderung aufgenommen wurden und die ich selbst gefilmt habe. In dem Verfahren geht es also in keiner Weise um die Bedingungen dieser Überquerung.”
Wann ein Urteil zu erwarten ist, ist bisher nicht bekannt. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Frage, ob Yvan Bourgnon die Strecke aus eigener Kraft zurückgelegt hat oder nicht. Unterwegs sei er geschleppt und anderweitig unterstützt worden, lautet der Vorwurf.
Auch an den abenteuerlichen Erzählungen des Seglers bestehen Zweifel. Bourgnon räumte die Vorwürfe inzwischen zumindest teilweise selbst ein. So hat er während der 70 Tage seiner Überfahrt wohl auch Pausen eingelegt. Er sagte dazu: “Ich habe im Hotel übernachtet, na und? Sollte ich deshalb aufgeben?” Die von ihm beschriebene spektakuläre Begegnung mit einem Eisbären soll zudem eine Lüge sein.
Die Trans-Ocean-Preisträgerin Susanne Huber-Curphey, die zeitgleich die Nordwestpassage durchsegelte, erhob kurz nach dem Abenteuertörn erstmals schwere Vorwürfe gegen Bourgnon. So berichtete sie, dass der Abenteurer wiederholt fremde Hilfe angenommen habe, auch von ihr. Zudem sei er von einem niederländischen Segler, auf dessen Schiff er sechs Tage verbracht habe, rund 90 Meilen weit geschleppt worden. Bourgnon habe diesen und sie aufgefordert, ihre Hilfe geheim zu halten. Er selbst blieb lange bei der Darstellung, die komplette Überfahrt ohne Assistenz auf dem offenen Sportkatamaran verbracht zu haben. Das betonte er auf explizite Nachfrage 2018 auch im Gespräch mit der YACHT.
Als Yvan Bourgnon 2015 eine Weltumsegelung mit einem offenen Sportkat gelang, versetzte er die Segelwelt in Staunen. “Ein Schweizer schafft das Unmögliche” titelte die YACHT damals. Zwei Jahre später startete er sein nächstes Abenteuer, die nun aufzuarbeitende Durchsegelung der Nordwestpassage. Nach 70 Tagen auf See, am 22. September 2017, erreichte er damals sein Ziel und wurde für seine Leistung gefeiert.
Doch nach den Zweifeln an seiner Leistung wurde er von der offiziellen Liste der Transite durch die Nordwestpassage, die vom Scott Polar Research Institute an der renommierten Cambridge University geführt wird, mittlerweile wieder gestrichen. Ausschlaggebend dafür ist die Unterstützung Bourgnons durch andere Schiffe. Aus demselben Grund fehlt auch der Name Clark Stede im Verzeichnis. Der Augsburger war 1990 nur dank Eisbrecherhilfe durch die Passage gekommen.