Wie ich beinahe mein Boot im Wattenmeer versenkte…

Ursula Meer

 · 07.05.2025

Wie ich beinahe mein Boot im Wattenmeer versenkte…Foto: Lars Bolle; YACHT/N. Krauss
YACHT-Redakteurin Ursula Meer hat so ihre Erfahrungen mit dem Kauf älterer Boote. Vor vielen Jahren erwarb sie auf Langeoog einen hübschen, aber durchaus pflegebedürftigen Kimmkieler. Die Überführungsfahrt in den Heimathafen Hooksiel war ihre erste echte Wattenmeer-Fahrt - mit reichlich Hindernissen. Deren schlimmstes: ein Wassereinbruch!

In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.



Ein acht Meter langer, englischer Kimmkieler war mein zweites, eigenes Boot. Erworben mit einer tiefrosa Brille im Herbst auf der ostfriesischen Insel Langeoog. Im Winter haben wir ihn dort in der Halle notdürftig hergerichtet und alles Sicherheitsrelevante nach bestem, wenn auch dürftigem Wissen gecheckt. Das Refit sollte am Festland geschehen. Vor dem Kauf hatte ich mich mit dem Verkäufer, einem älteren Insulaner über den geöffneten Niedergang gebeugt und den in meinen Augen recht passabel aussehenden 19 PS Einbaudiesel betrachtet. „Sie könnten mir zu diesem Motor alles erzählen, ich müsste es Ihnen glauben, denn ich verstehe davon nichts,“ gab ich zu. „Och,“ erwiderte der Herr, der das Schiff seit 25 Jahren sein Eigen nannte, „ich auch nicht. Aber er lief immer anstandslos.“ Ähnlich verhielt es sich an manch anderem Punkt in dem alten Boot. Der kleine Kimmkieler sollte schon bald von mir den Beinamen „der Englische Patient“ erhalten. Zur Pflege sollte er nach Hooksiel.

Der erste Törn im Watt

Dafür musste er von Langeoog nach Bensersiel und von dort am nächsten Tag über vier Wattfahrwasser in die Jade. Mit nur etwa 23 Seemeilen kein sonderlich langer Törn, aber vier Wattenhochs waren in einer Tide zu passieren; dass das ging, hatte ich abendelang akribisch durchgerechnet. Die Crew bestand aus mir und einem Freund der Familie, Rentner und sehr erfahrener Segler, Heimatrevier: Ostsee. Ich nenne ihn mal Knud. Er kam zu dem Schluss, dass wir frühmorgens loszufahren hätten, das Wasser würde dann schon kommen. Punkt. Er hatte sich das Boot etwas genauer angesehen – ohne die rosa Brille – und offenbar beschlossen, diesen Törn so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

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Ein Segeltraum mit ersten Eintrübungen

Der Tag kam äußerlich einem Seglertraum recht nahe, mit knackigem Wind aus Nordwest und Sonnenschein aus einem Schäfchenwolkenhimmel. Wir tuckerten den Leitdamm entlang in Richtung Watt und legten Kurs gen Osten. Unter Großsegel und Motor - Knud verlangte nach maximalem Speed – folgten wir dem Tonnenstrich Richtung Prickenweg. Wir waren erfreulich schnell, mein Herz ging auf vor Freude! Bis mit einem lauten ZISCH das Großsegel riss, zehn Zentimeter über dem Unterliek, horizontal von vorne bis hinten. Seufzend schrieb ich es auf meine ohnehin nicht kurze Liste Anschaffungsliste und tuchte auf.

Die Genua blieb eingerollt; sie hatte auf Langeoog einen Sturmschaden erlitten und war nur provisorisch geflickt. So motorten wir über Stunden, passierten Spiekeroog und Wangerooge. An Steuerbord lag der helle Strand der unbewohnten Insel Minsener Oog fast in greifbarer Nähe, Seevögel schnatterten und Robbenrücken glitzerten in der Sonne. Noch dieser eine Prickenweg, dann hätten wir es geschafft, das tiefe Fahrwasser erreicht und bald auch Hooksiel!

Wasser im Schiff!

Knud musste mal. „Da unten riecht es nach Abgasen,“ stellte er fest, als er den Niedergang hochkam. Ich war mir nicht sicher, ob und vor allem wie man dem Sachverhalt Aufmerksamkeit widmen sollte. Wir setzten nun doch die Genua und nahmen etwas Schub raus, um den Motor ein wenig entlasten.

Ich ging unter Deck, um nach ihm zu sehen – und stand auf schwimmenden Bodenbrettern. Wasser im Schiff! Im selben Moment ein leises, letztes Stottern aus dem Motorraum. Die herrliche Ruhe, die uns nach dem stundenlangen Geknatter umgab, konnte das Gesamtbild nicht schönen: Kein Motor, nur ein Segel – das musste kein Drama sein. Aber das Wasser!

Seenot! Oder doch nicht?

Nach dem ersten Schrecken eine kurze Bestandsaufnahme: Wir hatten kein Funkgerät an Bord, um Hilfe zu rufen. Nur ein Mobiltelefon, das immerhin zeitweise Empfang und noch einen Hauch Akkuladung hatte. Ob das Wasser weiter stieg, war noch nicht zu erkennen. Einen Seenotfall wollten wir jedoch noch nicht deklarieren; im Zweifel könnten wir dicht an der Insel ankern oder trockenfallen, dafür wurden Kimmkieler gebaut.

Ein neuer Fluch aus dem Cockpit: Das notdürftig genähte Vorsegel war wieder eingerissen. Wir wurden jedoch nur minimal langsamer, denn ein wenig Durchzug wirkte sich nicht mehr wesentlich auf die Performance – ein großes Wort in diesem Zusammenhang – des alten Segels aus. Ich schöpfte Eimer um Eimer Wasser, nichts lief nach. Noch sechs Meilen bis zum Ziel. Wir hielten uns dicht an der Wattkante und näherten uns langsam, aber ohne weitere Vorkommnisse der Ansteuerung von Hooksiel.

Unverhoffte Hilfe

Ein Motorboot nahm uns hilflos winkende Crew dort freundlicherweise an den Haken und brachte uns durch die Schleuse. Für die letzten Meter versuchten wir den streikenden Motor in Gang zu bringen - und siehe da: er sprang an. Die Ursache war eine undichte Stelle unten am Abgasschlauch, durch die die Abgase und das Wasser in das Boot gelangten. Für sich genommen nichts Dramatisches, in der Verkettung von Zeit und Umständen aber durchaus verzichtbar. Vor allem aber vermeidbar, eine anständige Kontrolle des Bootes vorausgesetzt.


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