Wetter-AppsWie ich mich plötzlich im Chaos wiederfand…

Morten Strauch

 · 09.04.2025

Wetter-Apps: Wie ich mich plötzlich im Chaos wiederfand…Foto: Leonie Meyer; Ki-generiert
YACHT-Redakteur Morten Strauch kennt die Ostsee, besegelt sie seit Jahren. Sogar einhand. Da weiß man, was kommt. Dachte er. Doch dann kam alles anders…

In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.



Im Sommer 2024 verbrachte ich zwei Wochen allein auf meinem Boot in Dänemark. Frau und Kind waren zuhause und ich hatte alle Freiheiten der Welt. Das Wetter zeigte sich wechselhaft: sonnige, warme Stunden ohne Wind wurden regelmäßig von Wolken, Wind und Abkühlung abgelöst – ein typisch dänischer Sommer! Um kein Risiko einzugehen, überprüfte ich mehr als regelmäßig die Wettervorhersagen auf dem Smartphone. Vom Heimathafen Marina Minde aus segelte ich zunächst zu den Ochseninseln, wo ich mich zwei Tage im Schutz der östlichen Insel aufhielt. Lesen, Musik hören, Schwimmen oder mit dem Dingi zu Annies Kiosk paddeln, um einen der legendären Hotdogs abzugreifen.

Das Ankern...

Nächste Station war Nybøl Noor, wo mir ein böiger Wind aus SO erst Sorgen bereitete, aber dann mein Vertrauen in das Grundeisen stärkte. Laut meiner Anker-App und den Peilungen zu Landmarken rührte sich der Anker nicht von der Stelle. Zum ersten Mal ließ ich mein Boot bei Wind allein auf dem Wasser zurück und paddelte an Land. Neuer Proviant musste her. So richtig gut fühlte sich das nicht an, aber bei meiner Rückkehr lag das Boot noch immer an der gleichen Stelle. „Well done!“, gratulierte ich mir selbst.

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Safety first...

Mit vorhergesagten Winden von 20 bis 25 Knoten und möglichen Gewittern entschied ich mich für einen Zwischenstopp in meiner Box in Minde. Wieder fest vertäut, telefonierte ich mit daheim und berichtete von meinem gewissenhaften Handeln: „Mach dir keine Sorgen, ich passe auf mich auf, lasse erst das Wetter vorbeiziehen, bevor ich die Segel gen Lyø setze.“ Letztlich war das Wetter besser als angekündigt und ich ärgerte mich fast ein bisschen, nicht gleich weitergesegelt zu sein. Andere Boote waren schließlich auch unterwegs. Aber safety first!

Oder doch nicht…

Dann ist es endlich so weit: Die Fahrt in Richtung Dänische Südsee kann beginnen. Laut Pro-Version meiner Wetter-App soll zwar eine kleine Gewitterfront unterwegs sein, jedoch südlich der Förde. Für den 33-Meilen-Schlag nach Lyø sind gemütliche neun Knoten aus SW angekündigt, in Böen 15 Knoten.

Nachdem das südöstliche Ende von Als gerundet ist und ich in den südlichen Ausläufer des Kleinen Belts einbiege, kommt der Wind unerwartet aus NNW. Na, dann halt kreuzen. Kurz darauf beginnt es, wie aus Kübeln zu schütten. Mein Ölzeug ist griffbereit, und da der Regen warm ist, bleibe ich barfuß. Da sehe ich eine dunkelgraue Wand, die sich aus West nährt. Seltsam, denn laut allen Wetter-Apps ist nichts Besorgniserregendes zu erkennen, auch nicht beim Wetter-Radar. „Fahr einfach weiter“, denke ich, „ein bisschen mehr Wind wäre sogar ganz schön.“ Der Regen hat auch schon wieder aufgehört.

Und es kracht...

Wie naiv und dumm diese Einschätzung ist, erfahre ich rund 45 Minuten später: Ungerefft wird das Boot plötzlich auf die Steuerbordseite geschmissen, begleitet von heftigem Starkregen und einem ohrenbetäubenden Gewitter direkt über mir. Schnell das Groß aufmachen und die Rollfock einholen. An Mast und Baum traue ich mich wegen der Blitze nicht, deshalb bleibt das Groß so, wie es ist. Maschine an und schräg gegenan, während das Groß wild um sich schlägt. Da ich immer noch barfuß bin und das Cockpit entsprechend nass ist, hebe ich meine Füße an, in der Hoffnung, dass ein Blitzschlag mich nicht komplett grillt. Eine gefühlte Ewigkeit verharre ich in dieser lächerlichen Position, bis das Unwetter sich wieder verzieht.

Wie an diesen Zeilen zu erkennen ist, wurde ich nicht gegrillt.

Dieses unfreiwillige Manöver ließ mich bis zur Ankunft auf Lyø weiterzittern, trotz anschließender Flaute. Wie klein man doch ist inmitten solch einer Naturgewalt. Aber das schlimmste war, dass ich sehenden Auges da reingesegelt bin, ohne das Boot darauf vorzubereiten. Die Warnzeichen waren klar erkennbar, aber die Apps hatten mir augenscheinlich die Sinne vernebelt. Restinstinkt und eine gehörige Portion Glück bewahrten mich vor Schlimmerem. Da ich weit genug von Land entfernt war, bestand keine Gefahr von Legerwall und andere Schiffe waren auch nicht in unmittelbarer Nähe. Ein Glück war ich allein – meine Familie wäre garantiert nie wieder an Bord gekommen.



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