In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.
Als Steppke bin ich am Wattenmeer aufgewachsen. Meine einprägsamsten Kindheitserinnerungen sind die, die mich auch heute noch ins Revier zurückziehen. Die leichten Momente und die anderen, lehrreichen Momente in der wunderschönen Natur – oder unter ihrer Knute, je nachdem wohin man vermeintlich Bug und Segel setzen will, ziehen mich zurück. Eine andere Ordnung suchend: aus Ebbe und Flut, Wind und Wellen.
Nach Jollensegeln auf Binnenrevieren, den Urlaubsfahrten mit den Eltern und im Optimisten im Wattenmeer war es irgendwann so weit: der erste eigene Törn ins Watt. Aufgeregt war ich, demütig; ins Watt! Einen guten Schulfreund dabei, das Boot, eine alte Gregal 23, vertraut, kentersicher und mit 1,35 Tiefgang. Einen Außenborder für den Prickenweg und genau eine, natürlich die richtige, Seekarte, wir kennen uns ja aus. Hah. Wetterbericht? Soll windig werden, aber aus der richtigen Richtung, kein großes Problem im geschützten Revier Watt. Der Weg dahin? Dank Tide auf der Jade schnell gemacht, wir obenauf! Los geht’s!
In unserer aufgeregten Unbeschwertheit fing ich mit dem ersten, im Wattenmeer entscheidenden Fehler an: ich verpasste „unsere Tide“ und wir segelten zu spät los! Unverzeihlich. Schauen wir, wie weit wir kommen. Der angekündigte Wind aus Nord wehte zwar im Watt aus der richtigen Richtung, den Weg dahin kämpften wir uns aber die Jade runter: Wind gegen Tide, stehende Wellen, windig. Im Wellental ganz allein, kein Ufer zu sehen, nur die gerefften Segel und Wellenberge ringsherum.
Mein Mitsegler erzählt an dieser Stelle immer, dass ich mich genau in diesem Moment auch noch übergeben musste, das hätte ich hier lieber weg-, aber Thomas das nicht durchgehen lassen. Mit der Zeit wurde es besser, es beruhigte sich die See und es gab nur noch den Wind auf die Nase. Wir waren platt, der Weg noch weit, dann kenterte die Tide! Nun war also nicht mehr nur der Wind gegen uns. Also haben wir gemacht, was uns in diesem Moment leichtfiel: wir sind umgedreht. Mit der Tide waren wir, nach dem Gegenangebolze, nach viel zu kurzer Zeit geilstem Segeln wieder im Ausgangshafen - abgekämpft, aber stolz auf den Tag. Umdrehen muss man können! Die Aufregung hatte sich gelegt, die letzten Meilen zurück in den Starthafen Mut gemacht. Nächster Tag, neuer Versuch mit richtigem Timing.
Es war immer noch windig, nach vier bis fünf Stunden brauchten wir eine Pause. Wir suchten Schutz in Hooksiels Außenhafen. Der Wind schien noch weiter zuzulegen, jedenfalls wirkte es so unten an der Spundwand! Jedoch, als wir die Leiter hochkletterten, was für ein Schreck: Kaiserwetter! Schnell wieder los, ein paar Schläge rüber ins Watt, das schaffen wir noch! Großartiges Segeln! Nicht abkürzen, auch mit 1,35 Tiefgang hat man wenig Spielraum… Aaaah, doch was ist das im Prickenweg? Strom gegenan! Ablaufend? Auflaufend? Alles war in mir durcheinandergeraten, außen rum? Meidet die Gatten! Das war die einzige Spielregel und bei Wind schon gar nicht. Also innendurch. Mit Thomas auf dem hochrutschenden Außenborder stehend, schafften wir den Prickenweg gegen die Tide übers Neue Brack durch die Blaue Balje nach W’ooge Ost. Mein Eintrittstor ins Watt, Ankern am Ostanleger, eine klare Nacht am Tonnenstrich, wie es soll.
Mit dem Morgenhochwasser wollten wir weiter in den Hafen Wangerooge, den Prickenweg entlang, bloß keinen Stress. Alles war vorbereitet, die Seekarte studiert, seemännisch die Segel hoch, Anker auf, und los. Wir sind genau 200 Meter weit gekommen. Unsere Segel machten nicht genug Vortrieb für den nachlaufenden Tidenstrom, der ausgeschaltete AB hing nutzlos am Spiegel, und wir kreuzten über den Prickenweg hinaus. Die erneute, hektische Kontrolle auf der Seekarte ergab: gar kein Problem. Zwei Meter tief, wir können hier locker über den Prickenweg hinausschnippeln, wie sollen wir es denn sonst bis W’ooge schaffen? Genau, gar nicht. Thomas rief noch „Achtung die Möwen!“ und wir schon saßen wir, zwischen Prickenweg und W’ooge auf Shiet. Wie spät war es genau?
Es war mir so derbe peinlich: ich hatte im Eifer des Gefechts keine Zweifel an meiner Idee, dass es neben dem Prickenweg zwei Meter Tiefe hätte. Steht da ja! Mitnichten, den Strich unter der Tiefenangabe, also zwei Meter ÜBER NN, habe ich dabei einfach weggeguckt! Wir hatten nun ausreichend Zeit darüber nachzudenken, wer hier eigentlich im Watt das Sagen hat. Und wie man am besten mitspielt. Und sogar die Möglichkeit, trockenen Fußes an Land zu kommen, praktischerweise direkt von Bord aus! Was dringend nötig war, die Krängung wurde ungemütlich. Wir haben unseren Anker ausgebracht, um uns später in die richtige Richtung zu ziehen, und haben unser zweites Frühstück am Strand zu uns genommen. Auch schön, wir wollten ja einen Inseltag.
Wir haben es mit einer wunderschönen Rauschefahrt bei achterlichem Wind und mitlaufend Wasser zurück aufs Festland geschafft. Wir fahren nun zwar auch noch neben Pricken auf‘n Shiet, aber mit einem Jolli, da kann man aussteigen und zur Not schieben...