Virtual RegattaFranzose segelt Vendée Globe in seinem Garten

Fabian Boerger

 · 17.12.2024

Das Boot hatte Bernard Poitau für seine zehn Enkelkinder besorgt. Nun steht es auf einem Grundstück im Südosten Frankreichs.
Foto: Bernard Poitau
Bernard Poitau (71) lebt während der Vendée Globe auf einem Boot in seinem Garten. Dieses Boot steht weit entfernt vom Meer im Südosten Frankreichs. Über Virtual Regatta nimmt er spielerisch an der Vendée teil. Dabei steckt hinter diesem ungewöhnlichen Projekt ein ernstes Ziel.

YACHT: Herr Poitau, wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Vendée Globe im Garten zu segeln?

Bernard Poitau: Das Ganze hatte seinen Ursprung vor vier Jahren. Während des Lockdowns habe ich die Vendée Globe zufällig im Fernsehen gesehen. Mir fiel auf, dass einige Skipper für Hilfsorganisationen warben. So fuhr Tanguy Le Turquais für Lazare (Obdachlosenhilfe, Red.) oder Samantha Davies für die Initiatives Cœur (hilft Kindern mit Herzfehlern, Red.).

Ich selbst bin schon seit 20 Jahren für Anticyclone aktiv – ein Verein, der sich für Asylsuchende einsetzt. Und auch ich habe ein Boot. Das habe ich für einen Euro für meine zehn Enkelkinder gekauft. Ich hatte also ein Boot und einen Verein – es fehlte noch die Vendée-Teilnahme selbst. Und mit Virtual Regatta (ein Online-Simulator) war das möglich.

Was unterscheidet Sie von den „realen“ Skippern?

Also, ich habe zwei Boote: ein echtes und ein virtuelles. Das echte ist etwa drei Meter lang und 1,40 Meter hoch. Es steht im Garten und ist an den Strom angeschlossen, sodass ich eine Heizung und eine Mikrowelle nutzen kann. Mit meinem virtuellen Boot fahre ich mit den echten Skippern um die Welt.

“Es ist wie eine Klosterzelle”

Ihr Alltag an Bord ist wiederum sehr ähnlich.

Stimmt. Ich lebe, schlafe und esse auf dem Boot, ohne einen Menschen zu sehen – auch nicht meine Familie an Weihnachten. Es ist wie in einer Klosterzelle. Ich habe viel Zeit zum Lesen und Meditieren.

Machen Sie Ausnahmen?

Zwei Stunden am Tag verlasse ich mein Boot – auf Anweisung meines Arztes. Er will von mir, dass ich etwa 10.000 Schritte am Tag gehe. Ich bin ja bald schon 72 Jahre alt und habe bereits drei Venenentzündungen hinter mir.

Und digital, wie läuft es da?

Alle drei Stunden kontrolliere ich auf meinem Tablet den Kurs meines virtuellen Bootes – und das auch nachts. Von den 40 Skippern liege ich so auf Höhe des zwanzigsten Platzes. (Im virtuellen Rennen liegt Poitau ungefähr auf Platz 77.000. Statt 40 sind dort über 700.000 Nutzer gemeldet, Red.)

Sie bekommen viel Aufmerksamkeit für dieses ungewöhnliche Projekt.

Ja, das stimmt. Der Medienansturm ist groß. Die großen Fernseh-, Radiosender und Zeitungen im Land haben dem Abenteuer ein großes Echo gegeben. Aber das ist gut, schließlich ist es das Ziel, so viele Spenden wie möglich zu sammeln.


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“Viele Asylsuchenden haben bei ihrer Flucht viel härtere Seereisen gemacht.”

Wofür sammeln Sie das Geld?

Das Geld soll den Asylsuchenden meines Vereins Anticyclone zugutekommen. Dafür sammle ich die Spenden auf einer eigenen Webseite. Viele Asylsuchende haben bei ihrer Flucht viel härtere Seereisen gemacht. Auch darauf soll aufmerksam gemacht und den Betroffenen Respekt gezollt werden.

Vor einigen Wochen ist in den französischen Kinos ein Film mit einer ähnlichen Geschichte angelaufen: „La Vallée des fous“. Haben Sie sich davon inspirieren lassen?

Als ich erfuhr, dass Xavier Beauvais einen Film über dieses Thema drehte, zögerte ich. Doch ein Schwager sagte mir: „Was ist wichtiger – der Erste zu sein oder seinem Traum zu folgen?“ Ich entschied mich für Letzteres. Nach 40 Jahren, in denen ich mich um Jugendliche mit Schwierigkeiten gekümmert habe, geht es für mich persönlich auch darum, mich selbst zu finden.


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