Untergang der "Endurance"Ernest Shackleton -Held oder Hasardeur?

Ursula Meer

 · 24.10.2025

Die Mannschaft wartet darauf, dass das Eis die "Endurance" freigibt und spielt derweil Fußball auf dem EIs.
Foto: SPRI Getty Images
Das Expeditionsschiff “Endurance”, mit dem der Polarforscher Ernest Shackleton 1914 in die Antarktis aufbrach, galt bis heute als eines der robustesten seiner Zeit. Nun hat ein finnischer Forscher erstmals die Struktur des Schiffs untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die „Endurance“ nicht für das Einfrieren im Packeis geeignet war. Nicht nur das: Shackleton war sich dessen bewusst - und begab sich dennoch mit ihr auf die gefährliche Reise, die mit dem Untergang der “Endurance” und einer der spektakulärsten Rettungsaktionen in der Geschichte der Seefahrt endete.

Die spektakulären Aufnahmen gingen um die Welt: Mehr als 100 Jahre nach seinem Untergang wurde 2022 das berühmte Forschungsschiff „Endurance“ auf dem Grund des Weddellmeers in 3008 Metern Tiefe gefunden. Die Bilder zeigen ein bemerkenswert gut erhaltenes Schiff, an dessen Heck noch immer der Name "Endurance" zu lesen ist. Kaum lassen sie erahnen, mit welch massiven Kräften Eisberge und Packeis sie über Monate bedrängt und wie Shackleton und seine Mannschaft um ihre Rettung gekämpft haben. Der Kampf war vergeblich. Elf Monate, nachdem das Packeis die knapp 44 Meter lange Schonerbark in seinen Klammergriff genommen hatte, sank sie am 21. November 1915.

Shackleton und seine Mannschaft, die aufgebrochen waren, um als erste Menschen die Antarktis zu durchqueren, mussten sich zu Fuß, mit den Beibooten im Schlepptau, auf den Weg gen Norden machen. Das Abenteuer ihrer gelungenen Rettung verlieh dem Polarforscher Ernest Shackleton Heldenstatus.

​Lange galt als Hauptursache für den Untergang das Abreißen ihres Ruders. Doch der finnische Ingenieur Jukka Tuhkuri von der Universität Aalto widerlegt nun diese Theorie. Basierend auf Tagebüchern der Expedition, Shackletons Briefen und strukturellen Analyse der „Endurance” zeigt er: Nicht der Verlust des Ruders, sondern der generelle Druck des Eises brachte das Schiff zum Sinken. Er kommt auch zu dem Schluss, dass Shackleton bewusst ein ungeeignetes Schiff für die gefährliche Reise wählte.

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Ungeeignetes Schiff trotz besserer Alternativen

Als die „Endurance“ – damals noch unter dem Namen „Polaris“ am 17. Dezember 1912 im norwegischen Sandefjord vom Stapel läuft, ist ihre Bestimmung klar: Sie soll Touristen im arktischen Sommer an den Rand der Arktis bringen, in die Grönlandsee und nach Spitzbergen. Mit extradicken Planken und Spanten ist sie für die Bedingungen am Rande des Packeises bestens gerüstet. Dank ihrer vergleichsweise schlanken und geraden Rumpfform segelt sie gut und kann durch Eisschollen fahren. Doch diese Aufgabe soll die Schonerbark nie übernehmen: Ihr Eigner ist pleite und verkauft sie an den Abenteurer Shackleton für eine Antarktisexpedition ins Packeis. „Doch die Bedingungen am Rande des Packeises der Arktis unterscheiden sich stark von denen tief im Inneren des Packeises in der Antarktis“, schreibt Tuhkuri. „An der Eiskante haben die Schiffe meist mit Kollisionen mit Eisschollen zu kämpfen. Die „Endurance“ wurde für diese Art von Eisbedingungen konzipiert, und ihre Beplankung und Spanten sind dick und stark genug für diese Aufgabe.“

Die Dicke der Beplankung und der Spanten sei das eine, stellt der finnische Ingenieur fest, aber: „Unter Packeisbedingungen, wo der Druck des Eises berücksichtigt werden muss, kommt den Decksbalken eine entscheidende Bedeutung zu. Sie sind es, die die beiden Schiffsseiten auseinanderhalten und die Form des Schiffes erhalten. Wenn sie nicht stark genug sind, wird ein Schiff vom Druckeis zerdrückt.“

Besonders an dieser Stelle, aber auch in anderen Konstruktionsdetails, unterscheidet sich die „Endurance“ von anderen Expeditionsschiffen ihrer Zeit (siehe unten). Tuhkuris Forschung hat ergeben, dass Shackleton um die fehlende Eignung der „Endurance“ gewusst haben muss. 1910 übernimmt der deutsche Wilhelm Filchner ein Boot, das auf der Framnæs-Werft im Sandefjord für den Wal- und Robbenfang in der Arktis gebaut und zunächst auf den Namen „Bjørn“ getauft wurde.

Filchner plant die zweite deutsche Südpolar-Exedition. Er nennt das Schiff „Deutschland“ und lässt es für den neuen Zweck auf der norwegischen Werft modifizieren.

Beraten wird er dabei ausgerechnet von Ernest Shackleton, der Anfang 1911 zu Besuch in der Werft ist. Wenige Jahre zuvor hatte der Entdecker selbst bereits mit dem Kauf der „Bjørn“ geliebäugelt für seine erste eigene Antarktisexpedition von 1907 bis 1909. Aber ein chronischer Mangel an Barmitteln für seine Vorhaben zieht sich durch das Leben des Abenteurers, sodass er die Reise mit der kostengünstigeren „Nimrod“ unternommen hatte.

Basierend auf seinen Erfahrungen im Eis rät er Filchner nun, den Rumpf der „Deutschland“ zu verstärken. Diagonale Stützbalken werden eingesetzt und die Deckbalken-Spanne reduziert, wodurch die Struktur gegen kompressive Eislasten deutlich robuster wird; die „Deutschland“ konnte laut Tuhkuris Berechnungen eineinhalb mal stärkerem Eisdruck standhalten als später die „Endurance“ – die zu genau der Zeit, als die „Deutschland“ modifiziert wird, in derselben Werft gebaut wird.

Die Maßnahme bewährt sich. Filchner erreicht das Weddellmeer und wird vom Packeis eingeschlossen. Acht Monate driftet die „Deutschland“ im Zeitlupentempo mit dem Eis, kommt aber schließlich unbeschadet frei – zwei Jahre, bevor Shackleton mit der „Endurance“ aufbrechen soll.

Auch andere bewährte Vorbilder für wahrhaft stabile, hölzerne Expeditionsschiffe gibt es zum Zeitpunkt des Stapellaufs der Schonerbark. Deren berühmtestes ist wohl die „Fram“, von Fridtjof Nansen und Colin Archer eigens für das Packeis entwickelt. Sie lief 1893 vom Stapel und wurde zuerst von Nansen eingesetzt bei seinem Versuch, von 1893 bis 1896 den Nordpol zu erreichen, indem er mit dem Eis driftete, danach von Roald Amundsen bei dessen legendärer Antarktis-Expedition 1910 bis 1912.

​Wie ein Schiff beschaffen sein muss, um den enormen Anforderungen der Antarktis standzuhalten, hatten die Erfolge der „Fram“, der „Deutschland“ und anderer Schiffe gezeigt, und Shackleton ist sich dessen bewusst. Wie auch der Tatsache, dass er mit der „Endurance“ vielleicht ein Schiff mit hervorragendem Ruf, aber sicher nicht das mit der besten Eignung unter sich hat. So schreibt er von unterwegs an seine Frau Emily: „Dieses Schiff ist konstruktionsmäßig nicht so stark wie die „Nimrod“, das habe ich an ihrem Verhalten gesehen, als sie in einem Sturm gegen die Dockwand hier drückte, aber es gibt nichts, wovor man sich fürchten müsste, denn ich denke, sie wird gut durch das Eis kommen. Dennoch würde ich sie jederzeit gegen die alte ‚Nimrod‘ eintauschen.“

Warum Shackleton dennoch mit der “Endurance” auf Expedition ging

Er segelt dennoch mit ihr Richtung Südpol. Und dafür hat er gute Gründe. Lange Zeit ist Ernest Shackleton so etwas wie das Schmuddelkind unter den angesehenen Polarforschern. Der Mann irischer Herkunft gehört nicht der ehrenwerten königlichen Marine an; er hat lediglich ein paar Jahre bei der Handelsmarine verbracht. Dennoch wird er vom hoch angesehenen Sir Robert Scott 1902 mit auf die „Discovery“ genommen zu einer Südpolexpedition. Das Goldene Zeitalter der Antarktisforschung hat begonnen, das Rennen darum, wer als Erster den Pol erreichen soll. Mit Hundeschlitten begeben sich Scott, der Forscher und Arzt Edward Wilson und Shackleton von der eingefrorenen „Discovery“ aus zu Fuß auf den Weg Richtung Pol. Doch Shackleton erkrankt an Skorbut und muss zeitweilig auf einem Hundeschlitten mitfahren. Zurück an Bord fühlt er sich nach dem Verzehr von reichlich frischem Robbenfleisch schnell wohler, Scott aber deklariert ihn als dienstuntauglich und schickt ihn bei erster Gelegenheit nach Hause. Shackleton ist Ende 20, voller Entdeckungsgeist, aber pleite und ruhmlos. Er könnte in dieser Zeit einen gewissen Ehrgeiz entwickelt haben, Scott im Rennen um den Pol den Rang abzulaufen. Um das zu erreichen, stellt er eine eigene Expedition auf die Beine. Zwischen 1907 und 1909 gelangt er mit der „Nimrod“ dichter an den Südpol als irgendjemand vor ihm. Das soll ihm eine gewisse Bekanntheit eintragen, aber auch Zweifel.

Er zieht durch das Land, um den Berg von Schulden mit Vorträgen und Veröffentlichungen abzutragen, den ihm seine Expedition eingebracht hat. Gleichzeitig entfesselt sich eine Debatte um seine Glaubwürdigkeit, die von der Royal Geographic Society ausgeht. Deren angesehenes Mitglied Sir Clements Markham schreibt im September 1909 an den amtierenden Präsidenten: „Shackletons Versagen beim Erreichen des Südpols, obwohl es auch von jemand anderem hätte getan werden können, ist wirklich eine Frage der Kalkulation und es ärgert mich. (…) Ich kann die Breitengrade nicht akzeptieren.“

Markham bezweifelt, dass Shackleton und seine Männer „den Schlitten ziehend und mit halber Verpflegung, in gerader Linie vierzehn Meilen pro Tag, auf einen steilen Hang von 9.000 Fuß über dem Meer hinauf, über zwanzig Tage“ gegangen sein können. Jener „Andere“, dem er als einzigen den Gewinn im Rennen um den Pol zutraut, ist sein Protegé, Sir Robert Scott.

Die Saat des Zweifels an Shackletons Leistung ist gesät. Scott schickt sich eilends an, die Rechte für die nächste Expedition für sich zu beanspruchen. Auf den Gedanken, dass die beiden besten Expeditionsleiter Großbritanniens am ehesten Erfolg haben könnten, wenn sie die Sache gemeinsam angehen, kommt zu diesem Zeitpunkt niemand mehr. Zu groß ist die Rivalität. Sie soll erst 1913 mit der Nachricht vom Tod Scotts und seiner Gefährten enden, fast ein Jahr, nachdem sie im ewigen Eis verunglückt sind beim Versuch, den Südpol zu erreichen – und ebenfalls ein Jahr, nachdem Roald Amundsen von seiner „Fram“ aus den Pol als Erster erreicht und seinen Mitstreitern den Rang abgelaufen hat.

Shackleton lässt sich davon nicht unterkriegen und entwickelt sein nächstes Großprojekt. In einem Brief in der „Times“ kündigt er im Dezember 1913 für das Folgejahr eine Expedition an, bei der er den Kontinent von Meer zu Meer durchqueren will. Großzügige Unterstützung durch die Royal Geographic Society ist nicht zu erwarten; dagegen sprechen alte Zweifel ebenso wie Shackletons Weigerung, die Expedition allein dem wissenschaftlichen Nutzen unterzuordnen.

Er nennt sie „Imperial Trans-Antarctic Expedition“ – eine britische Mission, die jenseits der wissenschaftlichen Eliten patriotisches Gefühl in der Masse erzeugen und Geld für sein Vorhaben einspielen soll. Er bekommt gerade genug zusammen, um die „Endurance“ und die notwendige Ausrüstung zu kaufen. An eine aufwendige Modifizierung ist auch aus Zeitgründen nicht zu denken: Es ist 1914, England macht mobil. So legt die „Endurance“ am 8. August in Plymouth ab und reist über Argentinien und Südgeorgien in die Antarktis.

Seine persönlichen Beweggründe beschreibt Shackleton in einem Brief an seine Frau: „Ich bin nur so gut wie ein Entdecker und sonst nichts; ich bin hart und verdammt hartnäckig, wenn ich etwas will: insgesamt ein allgemein unangenehmer Charakter. Ich liebe den Kampf, und wenn die Dinge einfach sind, hasse ich es.“

Untergang im Eis

​Wie wenig einfach die Dinge werden sollen, ahnt er wohl in jenem Moment noch nicht. Er schließt mit den Worten: „Jetzt, da ich an meiner eigenen Arbeit arbeite, werde ich besser und friedlicher sein, und ich glaube nicht, dass ich jemals wieder eine lange Expedition antreten werde; ich werde zu alt sein.“

Am 18. Januar 1915 steckt das Schiff im Weddellmeer im Eis fest. Im Zeitlupentempo driftet es in zehn Monaten 570 Meilen nach Nordwesten. Immer wieder versucht die Mannschaft, das Eis um das Schiff zu zerschlagen, zu lenzen, sie zu retten. „Das Verhalten unseres Schiffes im Eis“, schreibt der Nautiker Frank Worsley in sein Tagebuch, „ist hervorragend gewesen. Seitdem wir eingeschlossen sind, scheinen seine Standhaftigkeit und Ausdauer immer wieder jenseits des Vorstellbaren. Es wäre traurig, wenn ein so mutiges kleines Schiff letztlich am gnadenlosen, langsam erstickenden Griff des Weddell-Packs zerdrückt würde, nach zehn Monaten des kühnsten und tapfersten Kampfes, den jemals ein Schiff geführt hat.“

Im Oktober aber macht das schmelzende Eis in all seinen gewaltigen Formen – Eisschollen hier, ein Eisberg da – aus seinem Klammergriff einen der Zerstörung. Shackleton beschreibt in seinem Buch „South“ den Zustand: „Der zentrale Teil des Schiffes wurde nach unten gedrückt, das Schiff neigte sich immer stärker nach Backbord und Steuerbord, bis die Endurance sich auf der Eisscholle niederlegte und dort verharrte, zwischen Eisschollen und Eisbergen eingequetscht. Die Stöße der Planken öffneten sich (...), und gleichzeitig konnten wir sehen, wie sich das Schiff wie ein Bogen unter titanischem Druck verbog. Fast wie ein lebendiges Wesen wehrte es sich gegen die Kräfte.“

Die Crew muss von Bord gehen und von seinem Lager auf einer Eisscholle aus zusehen, wie ihr Schiff langsam dem gnadenlosen Eis zum Opfer fällt. Am 21. November versinkt die „Endurance“ schließlich im Eis.

Es folgt eine der erstaunlichsten Rettungsaktionen der Geschichte. Die 28 Männer kämpfen sich zunächst zu Fuß und später mit Beibooten zum unbewohnten Elephant Island durch. Von dort aus segelt Shackleton mit fünf seiner Männer 800 eisig-stürmische Seemeilen im offenen Boot nach Südgeorgien, überquert zu Fuß die gebirgige Insel und erreicht eine Walfangstation.

Nach mehreren gescheiterten Versuchen kann er schließlich im August 1916 die auf Elephant Island zurückgebliebenen Männer retten. Alle haben überlebt. Es ist diese beinahe übermenschliche Leistung, die Shackleton zum britischen Nationalhelden macht. Auf dem Weg zu seiner vierten Polarexpedition stirbt der Expeditionsleiter und Polarforscher 1922 in Grytviken auf Südgeorgien mit 47 Jahren an einem Herzinfarkt.

Was die „Endurance“ von anderen Expeditionsschiffen unterscheidet

Tuhkuri teilt die Polarschiffe des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in drei strukturelle Kategorien ein: Holzschiffe, die der Tradition der Walfänger folgen, Expeditionsschiffe aus Holz, die für Packeisbedingungen gebaut werden, und Eisbrecher sowie andere eisbrechende Schiffe aus Stahl. Die „Endurance“ ist ein Beispiel für den ersten Typ. Sie wird als eines der letzten Polarschiffe – wenn nicht das letzte – in der Tradition der hölzernen Walfänger und Robbenjäger gebaut, konzipiert für den Betrieb an der Eiskante, weil dort Wale und Robben zu finden sind, nicht aber für den dauerhaften Druck beim Einschluss ins Packeis.

Die „Fram“ hingegen ist in Form und Größe so beschaffen, dass sie angehoben wird vom Eis, das gegen ihre Seiten drückt. Dafür sorgen eine optimierte, ovalere Rumpfform und wenig Wasserlinienlänge. Erbärmliche Segeleigenschaften, aber exzellente Eistauglichkeit. Einziehbare Ruder und Propeller tragen ebenfalls zu ihrer Sicherheit im Eis bei, vor allem aber diagonale Stützen und zusätzliche Rungen zur Verstärkung der Rümpfe.

Die „Endurance“ hat diese zusätzlichen Verstärkungen nicht. Besonders anfällig macht sie auch ihr großer, offener Maschinenraum. Die 350 PS-Maschine samt Dampfkessel beansprucht so viel Platz, dass für ein stabilisierendes Zwischendeck kaum Platz bleibt. In Längsrichtung befinden sich jeweils ein Schott vor dem Maschinenraum und ein weiteres dahinter, in vertikaler Richtung aber wird der offene Raum lediglich durch das Hauptdeck und den Kiel definiert. So wird an dieser Stelle die gesamte Druckbelastung vom Hauptdeck getragen, während die stabilisierenden Deckbalken aufgrund ihrer Spannweite an Festigkeit einbüßen.

Fund des Wracks nach mehr als einem Jahrhundert

Mehr als 100 Jahre nach ihrem Untergang wird das Wrack der „Endurance“ im März 2022 von einem internationalen Forscherteam im Rahmen der Expedition „Endurance22“ entdeckt. Die Suche basiert auf den detaillierten Tagebuchaufzeichnungen des Kapitäns Frank Worsley. Mit hybriden autonomen Unterwasserfahrzeugen wird der Meeresgrund rasterförmig abgesucht, bis das Wrack etwa vier Meilen südlich der von Worsley notierten Position gefunden wird. Die Bilder zeigen ein bemerkenswert gut erhaltenes Schiff, an dessen Heck noch immer der Name „Endurance“ zu lesen ist. Die großen Schäden, besonders am Ruder, am Kiel und an den Seitenplanken, die ihren Untergang verursacht haben, sind in dieser Lage kaum auszumachen. Und sie werden immer verborgen bleiben, denn nach dem Antarktis-Vertrag gilt das Wrack als „Kulturgut der Menschheit“ und darf nicht geborgen werden.

​Die Chronik der Endurance-Expedition

Trotz der aus heutiger Sicht anzuzweifelnden Entscheidung bezüglich der Bootswahl bleibt die Geschichte der „Endurance“-Expedition ein außergewöhnliches Kapitel in der Polarforschung.

​17. Dezember 1912: Die Schonerbark „Polaris“, später in „Endurance“ umgetauft, läuft im norwegischen Sandefjord vom Stapel

8. August 1914: Die „Endurance“ legt in Plymouth ab und reist über Argentinien und Südgeorgien in die Antarktis. Ihr Ziel: die Vahsel-Bucht

18. Januar 1915: Im Weddellmeer steckt die „Endu­rance“ im Eis fest. Sie driftet in neun Monaten 570 Meilen nach Nordwesten

27. Oktober 1915: Das schmelzende Eis zerdrückt das Schiff, es schlägt leck. Die Crew geht von Bord und zeltet in ihrer Nähe

21. November 1915: Die „Endurance“ verschwindet unter dem Eis und sinkt. Kapitän Frank Worsley notiert ihre letzte Position

23. Dezember 1915: Zu Fuß macht sich die Besatzung auf den beschwerlichen Weg nach Norden, die Beiboote im Schlepp

29. Dezember 1915: Das Eis wird unüberwindbar. In Zelten harrt die Mannschaft drei Monate auf einer driftenden Eisscholle aus

9. April 1916: Die Eisscholle bricht. In offenen Booten rudern und segeln die Männer in sieben Tagen nach Elephant Island

24. April 1916: Shackleton und fünf seiner Männer legen mit dem Beiboot „James Caird“ ab, um in Südgeorgien Hilfe zu holen

10. Mai 1916: Die „James Caird“ erreicht Südgeor­gien. Shackleton wandert über die Insel zur Walfang­station Husvik

30. August 1916: Shackleton gelingt nach drei gescheiterten Versuchen die Rettung der 22 Männer auf Elephant Island. Alle leben

8. März 2022: Das Forscherteam der Expedition „Endurance22“ findet das Wrack in 3008 Meter Tiefe im Weddellmeer

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