Überhastete FluchtWie ich den Hafen von St. Tropez lahmlegte…

YACHT-Redaktion

 · 16.04.2025

Überhastete Flucht: Wie ich den Hafen von St. Tropez lahmlegte…
Timm Kruse ist der Produzent unserer Podcasts. Und leidenschaftlicher Segler, auch als Charterskipper unterwegs, Buchautor, SUP-Paddler. An der Spitze seiner zahlreichen Erlebnisse steht eine Begebenheit in St. Tropez.

Seglerbeichte Timm KruseFoto: Kruse; Gilles Martin-Raget

In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.



Plötzlich stand ich auf der Straße. Die Kirchgruppe hatte Pleite gemacht und mein Job als Fußballreporter existierte nach der WM 2002 nicht mehr. Als sparsamer Lipper hatte ich ein bisschen Geld gespart und mir für 10.000 Euro eine Tirena 27 gekauft, um durchs Mittelmeer zu schippern.

Leider hatte ich nicht bedacht, wie teuer die Cote d´Azur ist und stand nach ein paar Monaten fast ohne Geld da. Aus Low-Budget war No-Budget geworden. Hafenplätze konnte ich mir nicht leisten, Nahrung musste ich mir angeln, Wasser und Wein in billigen Supermärkten kaufen.

Fast immer lag ich irgendwo vor Anker und genoss das laue Leben eines Vagabunden. Alle paar Tage musste ich mich aber in einen Hafen mogeln, um Wasser aufzufüllen, Strom zu laden oder eine warme Dusche zu bekommen.

Der Hafen von St. Tropez

Um mir einen alten Traum zu erfüllen, fuhr ich eines Tages in den Hafen von Saint-Tropez und legte zwischen zwei russischen Mega-Yachten an. Die Preise für einen Liegeplatz lagen schon damals bei etwa 80 Euro pro Nacht – weit außerhalb meiner Möglichkeiten. Zwischen den russischen Luxus-Yachten lag ich gut versteckt, machte an den Relingen fest und sprang an Land. Mit einer Mischung aus Nervosität und Routine legte ich mein Stromkabel, füllte Wasser nach und genoss die luxuriöse Wärme einer Dusche.

Ertappt!

Als ich wohlriechend zurück zu meinem Boot ging, stand der Hafenmeister wild gestikulierend da und beschimpfte mich auf Französisch. Ich antwortete stumpf auf deutsch und erfand ein paar neue Schimpfwörter. Wir einigten uns schließlich auf Englisch.

„What do you do ere?“, fragte er mich. Ich verkniff mir ein korrigierendes „H“ und erklärte, dass ich eine warme Dusche genossen hätte. Außerdem bräuchte ich Wasser und Strom für meine Mega-Yacht und zeigte auf meine 27 Fuß.

„You ave to report to the Capitainerie! You can´t park ere!“ Mein Geständnis, dass ich schlicht kein Geld hätte, um die Hafengebühren zu bezahlten, ließen Gestik und Mimik des Mannes endgültig explodieren. „J´appelle la police!“, schrie er. Mir entwich ein federleichtes „Excusez-moi“. In Windeseile zog ich den Wasserschlauch ab, sprang an Bord, löste die Leinen und legte den Vorwärtsgang ein. Der Hafenmeister schrie „Stop Stop“, aber ich ließ mich doch von so einem Louis de Funes-Verschnitt nicht aufhalten!

Die Flucht

Als meine 15 PS Vollschub gaben, wusste ich: „Scheißé. Das Stromkabel.“ Es riss aus der Landanschlussbox, und mit einem Knall war plötzlich der gesamte Hafen ohne Strom.

Die Szene war surreal: ein knallender Kurzschluss, ein restlos ausrastender Hafenmitarbeiter, ungläubig glotzende Russen, ein paar heitere Touristen und ich – der größte Idiot, der je den Hafen von St. Tropez befahren hatte.

Ich fuhr unter Vollgas raus aus diesem verfluchten Hafen, zog mein Stromkabel an Bord und hatte großes Glück, dass mir niemand hinterherkam. Mit zittrigen Händen steuerte ich das Boot schließlich in ruhigeres Fahrwasser – und schwor mir, künftig diskreter vorzugehen und keine englischsprechenden Franzosen mehr zu veräppeln.



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