In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.
Als Tester der YACHT bin ich oft auf den verschiedensten Booten unterwegs. Das ist eine überaus spannende Aufgabe und geht in der Regel problemlos über die Bühne. Aber leider nicht ganz immer. Grundberührungen, Kollisionen, Mastbrüche oder andere Pannen gehören bisweilen eben auch irgendwie zum Berufsalltag. Es läuft halt nicht immer so wie gewünscht oder erwartet.
Glücklicherweise sind Vorfälle dieser Art für mich bisher fast immer glimpflich ausgegangen. Eine Begebenheit allerdings liegt schwer als schwarzer Fleck in meiner Erinnerung. Eine Peinlichkeit der besonderen Art.
Die Geschichte liegt schon einige Jahre zurück und begann so: Wir befanden uns auf einem Testschlag auf der Nordsee vor der holländischen Küste, an Bord eines großen und behäbigen Blauwasserschiffs aus Aluminium. Ein kräftiger Südwestwind hat hohe und steile Wellen entlang der Küste geschoben. Die Bedingungen waren anspruchsvoll, aber keinesfalls unsegelbar.
Zum Segelbergen nach dem Test steuerten wir das Schiff unter Maschine in den Wind. Das schwere Boot kämpfte sich durch die aufgewühlte See und setzte in einer Reihe von besonders hohen Wellen sogar etwas zurück. Der Rückschlag auf die doppelten Ruderblätter hat dem Steuermann das Rad aus der Hand geschlagen und in der Folge den Anschlag von einem der beiden Steuerquadranten unter Deck zertrümmert. Das Resultat war verheerend: Eines der beiden Ruderblätter zeigte danach komplett in die umgekehrte Richtung und die Schubstange zwischen den Quadranten war bis zur Unkenntlichkeit verbogen. Die Steuerung war also lahmgelegt – und das Boot damit vollständig manövrierunfähig.
Es gelang uns jedoch, das Schiff mit gerefften Segeln und beigedreht am Wind stabil zu halten. So drifteten wir langsam, aber steuerlos, in Richtung offenes Meer. Unter Deck in der Achterpiek machten wir uns zu dritt an die Arbeit, um die Steuerung wieder flott zu machen. Eines war aber klar: Die Reparatur würde dauern.
An diesem kalten, windigen Tag war auf der Nordsee so gut wie niemand auf dem Wasser unterwegs. Zumindest dachten wir das. Nur ab und zu steckte ich deshalb meinen Kopf aus der Achterpiek, um die Lage zu überprüfen. Und dann plötzlich habe ich ihn gesehen – den Fischer mit seinem kleinen Kutter. Zwar noch meilenweit entfernt, aber genau in der Richtung, in die wir unaufhaltsam trieben. Schnell kam das Fischerboot näher. Sein Anker war ausgeworfen, und der Mann auf dem Boot arbeitete im Heck mit seinen Netzen. Ich versuchte noch, mit Rufen und Pfiffen seine Aufmerksamkeit zu erlangen, während wir uns weiterhin in völliger Manövrierunfähigkeit auf ihn zubewegten – erfolglos.
Erst im letzten Moment erkannte der Fischer die Gefahr und versuchte hektisch, seinen Anker einzuholen. Doch es war schon zu spät: Mit einem grauenhaften Knirschen rammte sich der Aluminium-Bugspriet unserer Yacht mitten durch den Kajütaufbau des Kutters. Glas zersplitterte, Balken brachen – das Fischerboot war regelrecht aufgespießt. Erst nach Stunden intensiver Arbeit gelang es uns schließlich, die Ordnung wieder herzustellen und die beiden ineinander verkeilten Boote zu trennen, so dass sie sicher und selbstständig in den Hafen zurückkehren konnten.
Was passiert ist, lässt sich vielleicht mit „Murphy’s Law“ erklären. Es besagt, dass alles, was irgendwie schiefgehen könnte, auch irgendwann mal schiefgehen wird. Offenbar gilt das vielzitierte Gesetz auch für Ereignisse, deren Eintrittswahrscheinlichkeit so klein ist wie ein Hauptgewinn im Zahlenlotto.