SeenomadenDie Abenteuer der Weltumsegler aus Österreich

Kristina Müller

 · 22.02.2023

Festmachen an der Eiskante. In Grönland entwickelt die Crew ein spezielles Manöver: Bug ins Eis, Anker raus
Foto: seenomaden.at
Highlights aus über 30 Jahren Langfahrt in aller Welt: Einblicke in das Segelleben des österreichischen Blauwasserpaares

Doris Renoldner und Wolfgang Slanec, genannt Wolf, führen ein Leben zwischen Heimat und Ferne, zwischen Bord- und Landleben. Regelmäßig kehren die Segel­Abenteurer zurück nach Österreich, um Vorträge zu halten, die ihre Reisen finanzieren

Mit ihrer neuesten Show über die Durchquerung der Nordwestpassage sind sie nun erstmals auch auf größerer Deutschland-Tour – im März gibt es sechs Termine. Im großen YACHT-Interview haben die zweifachen Weltumsegler über ihr Leben zwischen den Extremen, über Erfolgsrezepte fürs Langfahrtsegeln, geplatzte Südseeträume und Zukunftspläne gesprochen.

YACHT: Ihr habt 150.000 Seemeilen Erfahrung im Kielwasser und Hunderte Vorträge über eure Reisen gehalten. Was werdet ihr am häufigsten gefragt?

Doris: Die häufigste Frage ist, wie wir uns das leisten können. Dann kommt die Frage nach dem schlimmsten Sturm und der höchsten Welle. Und wo es uns am besten gefallen hat. Das kann man aber kaum beantworten. Meist gefällt’s uns dort, wo wir gerade sind. Natürlich gibt es Sehnsuchtsorte, aber die wirklich schönsten – das ist schwer zu sagen.

Eure letzte große Reise war ein langer Törn im Sehnsuchtsziel vieler Segler, der Südsee. Wie habt ihr die Zeit dort erlebt?

Wolf: Wir waren gerade auf Hiva Oa, als die Pandemie ausbrach. Zwei Tage vor dem Lockdown hat der Bürgermeister eine Versammlung mit den Langfahrtcrews der 20 bis 25 Yachten dort einberufen und gesagt: Lasst eure Boote hier und fliegt nach Hause!

Doris: Das war natürlich keine Option. Dann kam der Lockdown, und wir durften das Boot zwei Wochen und die Bucht 50 Tage lang nicht verlassen. Es gab null Covid auf der Insel, aber die Angst war riesengroß. Schließlich sind wir 14 Monate lang in Französisch-Polynesien gesegelt.

Da gibt es sicher Schlimmeres!

Doris: Ja, das war super. Dennoch willst du irgendwann deine Reise fortführen. Sonst fühlt man sich ab einem gewissen Punkt wie in einer Schrebergartengemeinschaft, und es geht nur noch darum, wo man abends zum Sundowner eingeladen ist. Das hat mit Segeln nicht viel zu tun. Aus unserer Community haben viele das Boot schließlich doch vor Anker gelassen und sind ausgeflogen. Andere haben es verkauft.

Im Südpazifik gab es zuletzt strengere Regeln für Segler. Verändert sich dort gerade etwas?

Wolf: Es gab tatsächlich schon die Schlagzeile „Moorea im Krieg gegen die Yachten“.

Doris: Zu uns war nie jemand unfreundlich, aber wir haben Geschichten gehört. Am schönsten Ankerplatz der Austral-Inseln lagen während der Pandemie an Silvester 15 Yachten vor Anker – sonst verteilt sich diese Anzahl übers Jahr! Ein Einheimischer ist von Boot zu Boot gefahren und hat sie gebeten weiterzufahren, damit nicht so etwas passiert wie in Papeete, wo 200 Boote vor Anker liegen. Wir waren zwei Wochen später dort – ganz allein. Zu uns ist niemand gekommen.

Ist der Pazifik also immer noch ein Traumziel für Segler?

Wolf: Französisch-Polynesien ist ja nur der erste Anlaufpunkt. Es ist ein riesiges Revier, in dem du dich ungezwungen bewegen kannst und französischen Wein, Baguette und Käse bekommst (lacht)! Das hat zwar seinen Preis, aber das schätzen sehr viele Segler. Es ist ein bisschen europäisch, aber doch exotisch genug. Die wirklich abgelegenen Inseln im Pazifik besuchen tendenziell immer weniger Segler. Schon auf un­serer zweiten Weltumsegelung haben wir erfahren, dass früher mehr Yachten kamen. So acht bis zehn im Jahr! Jetzt kommt fast keiner mehr – vielleicht zwei, drei im Jahr.

Woran liegt das?

Wolf: Dort, wo es kein Internet und keine gute Versorgung gibt, sind immer weniger Crews unterwegs.

Euer nächster Vortrag heißt „Pazifik-Odyssee“. War es das denn wirklich?

Doris: Eigentlich waren wir ja auf dem Weg nach Neuseeland, immer Richtung Westen. Daraus ist eine Irrfahrt durch den Pazifik geworden und ein Hin und Her der Gefühle. Wenn du weißt, dass du jederzeit weiter­segeln kannst, findest du es super, irgendwo drei Monate vor Anker zu liegen. Wenn das anders ist, kommt schnell der Gedanke: Panik – was mache ich jetzt?

War das die bisher schwierigste Situation all eurer Reisen?

Doris: Ja, schon. Es liegt in uns Menschen, dass wir planen, und zwar nicht nur für morgen. Man hat Visionen, ein Ziel, möchte dorthin. Plötzlich geht das nicht mehr. Als sich die Situation nach 14 Monaten nicht geändert hatte, mussten wir eine Entscheidung treffen und sind über Hawaii zurück nach Alaska gesegelt. Dann stand das Boot einige Monate in Kanada.

Ihr dagegen wart im Winter in Österreich. Fällt es euch schwer, das Schiff regelmäßig am anderen Ende der Welt zu lassen?

Wolf: Immer! Es ist die Hölle.

Doris: Wir sorgen uns natürlich, dass wir aus irgendwelchen Gründen nicht zurückkommen können oder dass etwas mit dem Schiff passiert. Und da ist immer das Gefühl, dass etwas fehlt.

Welcher war der bisher abenteuerlichste Lagerplatz fürs Schiff?

Doris: Inuvik in Kanada während der Nordwestpassage. Das war ein Albtraum.

Wolf: Das war wirklich wild, das war ja keine Werft für Segelboote. Es gab keine Toiletten, keinen Wasseranschluss – nichts! Das Wasser zum Waschen fürs Boot haben wir aus Pfützen geschöpft. Abenteuerlich war aber auch Tahiti. Dort wäre der Autokran beinahe umgekippt, als er das Boot wieder reingehoben hat. Aber besonders gelitten hat das Boot wirklich in der Arktis.

Inwiefern?

Doris: Das Eis hat Schrammen verursacht. Außerdem ist unser Boot nicht isoliert. Dadurch ist es innen wie in einer Tropfsteinhöhle. Das tut dem Holz nicht gut.

Wolf: Eigentlich ist unser Boot völlig ungeeignet für hohe Breiten (lacht).

Doris: Durch die Kälte sind Wartungsarbeiten zudem eigentlich unmöglich. Du fängst da oben nicht mit dem Streichen an. Das ist sinnlos.

Ihr segelt eine Sonate Ovni 41 aus Aluminium. Von so einem Schiff träumen viele gerade für Törns in hohe Breiten. Von welcher Ausrüstung oder welchem Schiff träumt ihr?

Wolf: Als wir das Boot gekauft haben, war es zwölf Jahre in Charter gelaufen und völlig heruntergekommen, es hatte Lochfraß. Heute ist es in Ordnung, wir kennen es, und es gibt nichts, das wir nicht schon gewartet oder repariert hätten. Das gibt Vertrauen.

Doris: Hin und wieder hätte ich gern einen Wassermacher. Es ist Luxus, sich die Haare zu waschen und dabei nicht ans Wassersparen zu denken. Und auch, um genug Trinkwasser zu haben. Natürlich haben wir Flaschen dabei und fangen Regenwasser auf. Aber als wir nun so lange in Französisch-Polynesien waren und es eine Zeit lang nicht geregnet hat, hat man sich schon gefragt: Was jetzt? Glücklicherweise waren immer andere Boote mit Wassermacher in der Nähe, die uns versorgt haben.

Was hält euch denn von dem Einbau ab?

Wolf: Der Preis von 5.000 Euro …

Doris: … und unser minimalistischer Ansatz. Es ging ja bisher auch so.

Wolf: Sicher könnte vieles anders sein auf unserem Boot. Es könnte größere Tanks
haben oder einen Heckbügel für die Solarpaneele. Aber es gibt nun mal kein perfektes Boot. Es ist viel besser, mit den Unzulänglichkeiten zu leben, damit zu segeln und das Geld fürs Reisen auszugeben. Aber jeder hat andere Prioritäten.

Stichwort Geld: Ihr verdient euren Lebensunterhalt überwiegend mit Vorträgen über eure Reisen. Wie kam es dazu?

Wolf: Nach der ersten Weltumsegelung haben wir unser erstes Boot verkauft und einen Kleinbus sowie drei Leica-Projektoren gekauft. Wir haben in Segelclubs angefangen. Alles Weitere hat sich danach entwickelt. Früher haben wir 60 bis 70 Vorträge im Winter gehalten, insgesamt bestimmt inzwischen an die 1.000.

Doris: Der erste Vortrag hieß „Seenomaden – Augenblicke einer Weltumsegelung“. Das hat so eingeschlagen, dass die Österreicher seitdem nicht mehr Wolf und Doris zu uns sagen – wir sind die Seenomaden (lacht).

Corona hatte all das zeitweilig zum Erliegen gebracht. Was hat das für euch bedeutet?

Wolf: Unser Kartenhaus ist ein wenig zusammengestürzt. Zum Glück bekomme ich seit eineinhalb Jahren eine kleine Pension aus meiner Zeit als Bauingenieur. Die reicht zusammen mit unseren Ersparnissen zum Leben, aber ewig geht das nicht. Auch Mitsegler konnten wir in der Südsee zuletzt nicht mitnehmen.

Seid ihr dennoch zufrieden?

Wolf: Ich bin sehr dankbar, wir haben viel vorweggenommen. Als wir 1989 das erste Mal los sind, war Doris 22 und ich 34 Jahre alt. Man hat ja die Wahl, das zu tun. Man muss nur verzichten.

Doris: Das stimmt. So, wie wir unser Leben aufgebaut haben, funktioniert es vor allem über den Verzicht.

Auf was?

Wolf: Auf Dinge, die den Alltag teuer machen, wie ein Konzert, die Fahrt im Skilift – ich mache Skitouren meist zu Fuß. Wir haben die Vollkaskoversicherung fürs Boot gekündigt und nie eine Reisekrankenversicherung gehabt. Allerdings denken wir nun, wo wir ins Alter kommen, darüber nach.

Ihr habt keine gemeinsamen Kinder, Wolf eine erwachsene Tochter. Wäre ein so intensives Segelleben auch als Familie mit Nachwuchs möglich gewesen?

Wolf: Nein, dann hätte man so nicht reisen können. Es ist ja eine große Verpflichtung. Wir leben oft von der Hand in den Mund. Auf der ersten Reise haben wir in Frankreich bei der Weinlese geholfen, Winterarbeiten auf Booten erledigt, in Venezuela Rucksacktouristen für Backpacker-Hotels angeworben und sind mit ihnen segeln gegangen. So haben wir uns über Wasser gehalten. Gestartet sind wir damals mit 50.000 Schilling, umgerechnet 3.500 Euro.

Mutig!

Doris: Es war eine andere Zeit. Wir waren jung. Ich war Anfang zwanzig und dachte, wenn das nicht funktioniert, kann ich mir jederzeit wieder einen Job suchen.

Ist es heute noch einfach möglich, unterwegs zu arbeiten?

Doris: Ich glaube nicht.

Wolf: Die neue Generation arbeitet online, im Home-Office an Bord.

Doris: Wir haben Leute getroffen, die von unterwegs programmieren, als Bootsdesigner für Megayacht-Beiboote arbeiten oder für eine Umweltorganisation. Man sitzt dann halt woanders am Computer. Was man dabei oft vergisst, sind die schlechten Internetverbindungen. Auf den strategisch wichtigen Plätzen mit gutem W-Lan bleibt man dann Wochen.

Sieht man so denn noch genug von Land und Leuten?

Wolf: Na ja, wir sind Dinosaurier. Viele wollen gar nicht so reisen wie wir. Für andere ist Segeln ein Projekt für ein paar Jahre, und dann kommt etwas anderes. Es ist oft nicht mehr eine lebenslange Leidenschaft, sondern ein kurzer Lebensabschnitt.

In euren Büchern beschreibt ihr immer wieder haarsträubende Situationen, etwa ein riskantes Ankermanöver vor Pitcairn. Wird man im Laufe der Zeit lockerer im Umgang mit solchen Risiken?

Doris: Die Grenzen verschieben sich. Natürlich sorgt man sich, wenn man an Land geht und der Ankerplatz nicht hundertprozentig ist. Wir machen es trotzdem, weil wir neugierig auf die Dinge an Land sind.

Wolf: In Patagonien hatten wir zwei Anker ausgebracht und sind zum Campieren in die Berge gefahren. Dann kam ein Sturm mit 60 Knoten Wind – und unser Boot lag allein vor Anker. Ich dachte, ich sterbe.

Was ist dann passiert?

Doris: Wir haben die Tour abgebrochen und sind zurück. Beim Boot war ein Chilene, der uns sagte, er hätte schon auf das Schiff aufgepasst. Hin und wieder muss man halt ein Risiko eingehen.

Wolf: Mit zunehmender Erfahrung lernt man, mit Extremsituationen besser umzugehen. Sonst würde man in die Nordwestpassage auch überhaupt nicht reinfahren. Dort warten so viele Risiken! In Grönland und Labrador sind überall Buchten, von denen es keine Karten mit Wassertiefen gibt, dafür Felsen, die man erst im letzten Augenblick sieht. Aber irgendwann lebst du damit und setzt dich mit dem Handecholot ins Dingi. Oder du fährst ganz langsam. Auch Südseelagunen sind oft nicht vermessen, und auch wir sind schon über Korallenköpfe gefahren.

Das ist euch auch in den Bahamas passiert – mit beinahe fatalem Ausgang.

Doris: Ja, dort haben wir wirklich nicht mit so einer gefährlichen Situation gerechnet.

Wolf: Fehler passieren einfach, und im Nachhinein ärgert man sich. Aber meistens geht’s gut.

Was sind für euch seemannschaftliche Selbstverständlichkeiten, die nach über 30 Jahren Hochseesegeln in Fleisch und Blut übergegangen sind?

Wolf: Wir achten immer darauf, dass wir ein klares Deck haben, ohne Kanister, Dingi oder irgendwelches Zeug. Grundsätzlich sollte man sich immer fragen: Was muss wirklich funktionieren? Das Rigg und die Segel, davon lebt das Boot. Dann eine funktionierende Maschine, eine gescheite Ankerwinsch und Ankergeschirr. Die Steuerung muss in Ordnung sein, die Ruderlager nicht ausgeschlagen, und der Autopilot muss funktionieren. Aber ob ich jetzt einen Wassermacher habe oder nicht … Die erste Reise haben wir ohne Kühlschrank absolviert – und nicht schlecht gelebt.

Was sind für euch bei der Segelführung die wichtigsten Punkte?

Wolf: Auf Vormwindstrecken fahren wir Schmetterling mit ausgebaumter Genua und dazu die kleine Fock am Kutterstag. Die setzen wir auf der Großsegelseite richtig stramm durch. Sie verhindert das Rollen und bringt trotzdem noch etwas Zug. Den Bullenstander am Groß fahren wir sowieso immer, auch am Wind.

Und wenn’s hackt?

Wolf: Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass man so lange wie möglich noch mit Groß segelt. Wir sehen immer wieder Yachten, die dann nur mit Vorsegel fahren. Das ist nicht gut, weder fürs Rigg noch für die Balance im Boot. Im Zweifel fahre ich bei Starkwind nur im dreifach gerefften Groß – aber das ist Philosophie.

Welchen Rat gebt ihr jemandem, der ein guter Hochseesegler werden will?

Beide gleichzeitig: Viel segeln!

Wolf: Und nicht zu lange irgendwo rumhängen.

Also erst einmal rantasten oder gleich mit einer Atlantiküberquerung anfangen?

Wolf: Das ist Typsache. Es gibt Leute, die steigen auf ein Boot und segeln über einen Ozean. Wir haben uns immer rangetastet. Vor zehn Jahren wäre uns ein Projekt wie die Nordwestpassage nie eingefallen!

Doris: Es wäre zu groß gewesen, ein zu schwieriger Schritt. Wir sind mit der Zeit seglerisch gewachsen.

Wolf: Einer der ersten großen Schritte war Kap Hoorn 2003, eine Riesen-Challenge!

Doris: Damals haben uns Segler in Ushuaia gefragt, wieso wir nicht in die Antarktis segeln. Das hätten wir uns damals aber nicht getraut.

Wolf: Das ist wieder das Thema Grenzen verschieben. Jetzt würde ich sagen: Mit den heutigen Wetterberichten machen wir das, klar. Damals hatten wir ein Wetterfax mit 24 Stunden Vorausschau – den Rest musste man sich zusammenreimen.

So viele Abenteuer, so viele Herausforderungen: Was gibt euch Halt und Sicherheit im Leben?

Doris: Dass wir uns haben. Und sicherlich unsere kleine Wohnung und unser Schiff. Das muss in Ordnung sein.

Wolf: Die Gesundheit wird immer mehr zum geschätzten Sicherheitsgut. Wir arbeiten daran, dass wir noch lange unterwegs sein können. Wir leben halbwegs gesund und machen Sport, sodass ich noch immer auf dem Atlantik in den Mast klettern kann, wenn sich mal ein Fall verklemmt.

Könntet ihr euch auch ein Leben komplett an Bord vorstellen?

Doris: Unsere Basis in Österreich ist mit dem Alter entstanden. Während der ersten Reise gab es nur mein altes Kinderzimmer bei meinen Eltern. Dort oder bei Freunden haben wir gewohnt, wenn wir zurück waren. Wir hatten auch mal eine Mietwohnung in Wien.

Wolf: Auf Dauer ist es aber unerträglich, nur zu Besuch zu sein, vor allem, wenn man arbeiten muss. Deshalb leben wir jetzt in einem kleinen Bergdorf und haben eine Eigentumswohnung mit 60 Quadratmetern. Sogar mit einem Stück Garten.

Wie fühlt es sich an, nach Monaten in einer anderen Welt dorthin zurückzukehren?

Wolf: Als wir zum ersten Mal die Tür auf­gemacht haben, musste ich fast weinen. Wie schön ist es, diese Wohnung zu haben, dachte ich.

Doris: Unsere Wurzeln sind in Österreich. Wir haben noch keinen Platz gefunden, an dem wir sonst für immer bleiben würden.

Sind diese Heimataufenthalte auch gut gegen Reisemüdigkeit und machen Lust auf neue Törns?

Wolf: Ja, sonst weiß man das Reisen irgendwann nicht mehr zu schätzen. Wenn du zu lange unterwegs bist, wird alles selbstverständlich. Es ist auch gut für den Kopf, hin und wieder hier zu sein.

Doris: Dann geht es mal nicht nur um Ersatzteile und den nächsten Ankerplatz. Nach einer Zeit im Alltagsstrudel werden wir aber unruhig und müssen wieder los.

Wie ist dann die Rückkehr zum Schiff?

Wolf: Selbst wir müssen es dann erst langsam wieder in Besitz nehmen, bis wir uns wohl und sicher fühlen, bis wieder jede Leine zugeordnet ist. Das dauert eine Woche oder zwei. Wie lange es wohl dauern würde, wenn wir erst jetzt, im Pensionsalter, mit dem Segeln anfangen würden?

Welche schon besuchten Ziele würden euch noch einmal reizen – und warum?

Doris: Labrador und Neufundland! Weil dort nur wenige Boote unterwegs sind. Die Landschaften sind faszinierend, die Leute lieb und freundlich.

Wolf: Wir hätten aber auch sehr gern noch ein paar spezielle pazifische Inseln gesehen, auf denen wir noch nicht waren – und zu denen niemand hinfährt.

Welche zum Beispiel?

Wolf: (Zögert) Das verrate ich nicht (lacht).

Zieht euch Europa gar nicht an?

Wolf: Ich sage immer: Dort segeln wir, wenn wir in Pension sind (lacht). Klar, Skandinavien ist sicher toll. Der ganze Nordatlantik: Island, Spitzbergen. Bretagne, Galicien – alles schön. Vielleicht machen wir das, wenn wir nicht mehr so weit weg fahren und reduziert segeln möchten. Vor allem jetzt während der Pandemie hätten wir das Schiff gern hier.

Welchen Rat gebt ihr Seglern, die auch auf Langfahrt gehen möchten? „Einfach losfahren“ hört man häufig, aber das klingt ein bisschen zu simpel.

Doris: Das Losstrampeln ist in der Tat schwierig. Das war bei uns anders, ich musste nichts aufgeben. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte bis heute normal gelebt und würde jetzt wegfahren, wäre das wahrscheinlich ein ganz schwieriger Schritt. Die Sicherheiten aufzugeben, die wir glauben zu haben, ist im Alter schwieriger.

Wolf: Ich kann nur sagen: Sie sollen jetzt fahren! Es werden immer mehr Boote, das ist in den letzten fünf bis zehn Jahren explodiert. Die ganze Welt ändert sich rasend und nicht unbedingt zum Besten. Wir gehören nicht zu denen, die sagen, dass früher alles besser und schöner war. Jede Zeit hat etwas Positives und Schönes. Auf unseren ersten Reisen sind wir mit Sextant gefahren und hätten uns an die Ziele, zu denen wir heute fahren, nicht herangewagt. Es wäre zu schwierig gewesen.

Noch ein Tipp?

Wolf: Viele nehmen sich zu viel vor, bei der Route und den Terminen dabei. Einige zerbrechen daran. Das sollte man also nicht machen, sondern sich selbst eine Chance lassen, Dinge einfach mal passieren lassen. Es ist gut, erst einmal von A nach B zu fahren. Ob danach C oder doch D kommt, entscheidet man dann.

War das auch immer eure Strategie?

Doris: Ja, immer. Es gab nur einen groben Plan für die Saison.

Wolf: Vor der Nordwestpassage haben wir gesagt: Wir fahren mal in den Norden von Grönland, und wenn es sich ergibt und eisfrei ist – dann riskieren wir es. Wenn nicht, dann schauen wir uns einfach da oben um, und das ist auch okay.

Vermisst ihr in eurem Leben etwas, oder würdet ihr gern mal was anderes machen als Segeln?

Doris: Hin und wieder glaube ich, Wolf wäre gern aktiver in den Bergen, was mit dem Segeln schwer zu kombinieren ist. Aber langweilig wird uns nicht. Bis jetzt ist uns nichts Besseres eingefallen (lacht).

Wolf: Wir segeln einfach gern, auch lange Offshore-Strecken. Dabei kann man aufatmen. Das gehört dazu, wir brauchen das richtig. Es ist jedes Mal wie ein Neuanfang.

Haben enorm viel Erfahrung auf hoher See und auf der Bühne: Doris Renoldner und Wolf SlanecFoto: www.weinfranz.com
Haben enorm viel Erfahrung auf hoher See und auf der Bühne: Doris Renoldner und Wolf Slanec

Vortragstermine im März 2023:

  • Mittwoch, 15. März: CH-BERN, Evangelisches Gemeinschaftswerk, EGW, Nägeligasse 9, Beginn: 19:00 Uhr, Tickets: info@4-oceans.ch
  • Sonntag, 19. März: D-KÖLN, Volksbühne am Rudolfsplatz, Beginn: 14:00 Uhr
  • Dienstag, 21. März: D-BOCHUM, Bahnhof Langendreer, Beginn: 19:00 Uhr
  • Mittwoch, 22. März: D-MÜNSTER, Friedenskapelle, Beginn: 19:00 Uhr
  • Donnerstag, 23. März: LIVE STREAM – Vortrag FREI WIE DER WIND, Beginn: 19:30 Uhr
  • Freitag, 24. März: D-KREFELD, Kulturfabrik Krefeld, Beginn: 19:00 Uhr
  • Sonntag, 26. März: D-DÜSSELDORF, Savoy Theater, Beginn: 14:00 Uhr

Infos und Tickets für die Termine in Deutschland gibt es auf www.grenzgang.de