Rosalin Kuiper“Ich werde diese Gelegenheit mit beiden Händen ergreifen”

Jochen Rieker

 · 18.09.2023

Rosalin Kuiper: “Ich werde diese Gelegenheit mit beiden Händen ergreifen”Foto: Holcim PRB/Eloi Stichelbaut
Als furchtlose Seglerin wurde sie in Boris Herrmanns Team Malizia weltberühmt, jetzt soll sie als Skipperin das Team Holcim – PRB ins Ocean Race Europe führen: Rosalin Kuiper vor der Hafeneinfahrt von Port-la-Forêt in der Bretagne, wo der blau-grüne Imoca des Baustoffkonzerns derzeit überholt wird
Ende voriger Woche gab Rosalin Kuiper bekannt, dass sie künftig zusammen mit Nicolas Lunven zu Team Holcim – PRB wechselt. Die Holländerin soll 2025 als Skipperin eine Crew fürs Ocean Race Europe formen und führen. Mit YACHT online sprach sie über die Hintergründe ihrer neuen Aufgabe, das Tempo ihres Aufstiegs und wie Team Malizia ihr die Entscheidung erleichtert hat

Rosie, das letzte Mal haben wir nach der Schlussetappe des Ocean Race miteinander gesprochen, die du mit Boris Herrmanns Team Malizia gewonnen hast. Jetzt wurdest du zur Co-Skipperin an der Seite von Nicolas Lunven für Holcim – PRB berufen. Was für eine Blitz-Karriere!

Ja, die Zeit fliegt ...!

Du bist vom Rookie zur Stamm-Crew aufgestiegen, dann zur Heldin des Südpolarmeeres, zur Weltrekordhalterin und nun zur Skipperin – eine atemberaubende Hochsee-Karriere. In wie kurzer Zeit eigentlich?

Oh, ich führe nicht einmal Buch darüber. Ziemlich fix, würde ich sagen. Es ist toll, so schnell eine Nachfolgekampagne zu finden.

Hast du kurz gezögert mit der Zusage, weil dein neuer Job bedeutet, Team Malizia zu verlassen?

Ja, natürlich. Es ist ein zwiespältiges Gefühl, weil mein Herz noch immer Malizia gehört und weil ich dort Freunde fürs Leben gefunden habe. Es ist so ein wunderbares Team! Und wenn man von einem Konkurrenten angesprochen wird, kommt man schon ins Grübeln: Soll ich das wirklich tun?

Auf der anderen Seite ist es eine so große Chance. Ich habe alles ganz offen mit Boris und Holly (Cova, Team-Chefin von Malizia) besprochen, und sie sagten beide dasselbe: Es ist ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann. Sie sagten, dass sie voll hinter mir stehen und dass die Tür immer für mich offen sein wird. Das hat es mir leichter gemacht, mich darauf einzulassen. Ich habe mich sehr unterstützt gefühlt, obwohl ich den Schritt natürlich alleine machen musste. Es war also ein reibungsloser Übergang.

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Der Imoca “Holcim – PRB” zählt zu den besten Allroundern unter den Neubauten und absolvierte The Ocean Race mit vergleichsweise wenig Schäden – eine durchaus siegfähige BasisFoto: Holcim PRB/J. ChampolionDer Imoca “Holcim – PRB” zählt zu den besten Allroundern unter den Neubauten und absolvierte The Ocean Race mit vergleichsweise wenig Schäden – eine durchaus siegfähige Basis

Wie ist es dazu gekommen?

Holcim – PRB kontaktierte mich im Sommer. Ich legte den Hörer auf und rief sofort Holly an. Und nachdem ich mit ihr gesprochen hatte, rief ich Boris an.

Wurden Nicolas Lunven und du gemeinsam angesprochen?

Nein, wir wurden wir völlig unabhängig voneinander von PRB kontaktiert. Ich wusste nicht, dass Nico auch Teil ihres Plans war. In einem der ersten Telefongespräche habe ich ihnen sogar gesagt: Für die Vendée Globe müsst ihr mit Nico sprechen, denn er ist ein so guter Charakter, ein so guter Segler, er kann die Vendée Globe auf Holcim – PRB gewinnen. Das wäre der klügste Schritt, den sie machen könnten. Vor ein paar Wochen, als wir kurz vor der Vertragsunterzeichnung standen, habe ich dann darauf bestanden zu erfahren, wer mein Skipper sein wird, und man sagte mir, dass er es sein würde. Wir haben es beide erst vor Kurzem erfahren.

Wer hat das Projekt an euch herangetragen?

Der Geschäftsführer von PRB und ein externer Berater.

Hattest du vorher Kontakt zu Kevin Escoffier, dem früheren Holcim-Skipper, der vor dem Hintergrund eines Vorwurfs von unangemessenem Verhalten gegenüber einer Mitarbeiterin im Mai seinen vorläufigen Rücktritt erklärte?

Nein.

Hättest du die Berufung in Erwägung gezogen, wenn anstelle von Nico Lunven wie zuvor Kevin Skipper gewesen wäre?

Für mich beruht die Zusage zu diesem Projekt darauf, dass Nico und ich uns sehr gut verstehen. Und wir können ein neues Team aufbauen. Diese Faktoren waren für mich entscheidend. Außerdem: Holcims Nachhaltigkeits-Ansatz „Go Circular“ passt sehr gut zu meiner Mission, die darin besteht, eine Botschafterin für die Ozeane zu sein und für Vielfalt in unserem Sport zu sorgen.

Ihr übernehmt keines der bisherigen, sehr erfahrenen Holcim-Teammitglieder?

Nein, wir bauen von Grund auf ein neues und starkes Team auf.

Wie werdet ihr das Tagesgeschäft organisieren, wie werdet ihr die Verantwortung aufteilen?

Das müssen wir noch herausfinden.

Wo wird eure Basis sein?

Das Boot liegt im Moment in Port-la-Forêt in der Halle von Vincent Riou. Wir führen eine kleine Überholung durch. Und im Oktober wird “Holcim – PRB” wieder zu Wasser gehen, wir werden ein bisschen trainieren, bevor Nico und ich das Boot nach Martinique zum Start der Regatta „Retour à la Base“ bringen, die Nico als Teil seiner Vendée Globe-Qualifikation braucht.

Was wird nach der Vendée passieren? Übernimmst du dann die Rolle des Skippers von Nico?

Ja, genau.

Reicht das Budget, um das Boot noch schneller zu machen, etwa durch die Entwicklung neuer Foils und andere Modifikationen? Kevin Escoffier hatte schon beim Zwischenstopp in Itajaí angedeutet, dass er fürs Solo-Segeln manches ändern wird?

Es ist alles offen für Diskussionen. Wir haben uns darauf geeinigt, die Vendée Globe und das nächste Ocean Race Europe durchzuführen. Für das, was noch kommt, haben wir viele Ideen, aber es ist noch nichts entschieden.

Ich muss schon sagen: Es könnte nicht besser sein. Wir sind ein großartiges Team, wir haben die volle Unterstützung eines großartigen Sponsors, und die Reaktionen waren ebenfalls äußerst positiv. Ein Traum!

Wann warst du zum ersten Mal auf dem Boot?

Vor zehn Tagen, am vorletzten Wochenende. Dort haben wir unser erstes Fotoshooting gemacht.

Hast du schon eine Vorstellung von der Crew-Konstellation für das Ocean Race Europe?

Im Moment konzentriere ich mich voll und ganz darauf, das Boot für den Stapellauf fertig zu machen, Nico perfekt auf die Vendée Globe vorzubereiten und ein starkes kommerzielles und technisches Team aufzubauen. Aber im Hinterkopf denke ich natürlich auch an das Ocean Race Europe. Mein Ziel ist es, ein sehr vielseitiges, diverses Team zusammenzustellen.

Musst du dich manchmal kneifen, wenn du daran denkst, was du erreicht hast und was noch vor dir liegt?

Es ist wirklich erstaunlich, etwas ganz Besonderes. Ich hatte schon immer den Ehrgeiz, eines Tages meine eigene Kampagne zu starten, aber nicht so schnell nach The Ocean Race. Ich werde diese Gelegenheit auf jeden Fall mit beiden Händen ergreifen.

Wie werden deine nächsten Wochen aussehen?

Zur Zeit baue ich mein Haus um. Mein Freund und ich haben es gekauft, als ich auf “Malizia – Seaexplorer” Kap Hoorn gerundet habe. Die Leute fragen mich oft: Bist du jetzt nach dem Rennen gut ausgeruht? Und ich sage: Nein! Ich bin froh, wieder an Bord zu kommen, denn mein Leben zu Hause ist viel hektischer als das Rennen. Aber ich habe genug Energie!

Gerade bin ich unterwegs, um Fensterrahmen abzuholen. Wir sind in eine neue Wohnung in der Nähe des Hauses gezogen, um nicht so viel Zeit mit Fahren zu verlieren. Wir wollen die Renovierung möglichst bald abschließen – hoffentlich bis Februar.

Und was das Segeln angeht was sind deine nächsten Schritte?

Ich werde im Oktober für zwei Wochen nach Frankreich gehen, um einige Systeme auf dem Boot zu installieren, den Stapellauf und das technische Segeln durchzuführen. Und vom 1. November an werden Nico und ich das Boot zu zweit nach Martinique überführen, wo ich den ganzen Monat vor Ort bleiben werde.

Für mich ist es etwas ganz Besonderes, und ich fühle mich sehr geehrt, mit jemandem wie Nicolas Lunven zu arbeiten. Er ist wirklich einer der besten Hochseesegler der Welt – und zudem einer der nettesten Menschen, die ich kenne. Es ist eine große Freude, wieder zusammenzuarbeiten! Er hat so viel Wissen über Leistung, Wetter und Strategie. Er begegnet jedem mit so viel Respekt! Wenn ich auf Malizia – Seaexplorer mit ihm gesegelt bin, hatte ich das Gefühl, einen Tag im Spa zu verbringen. Wir blicken superpositiv in die Zukunft.


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