ReportageIm Rheingau ging‘s bei der Rheinwoche bergauf!

Nils Leiterholt

 · 15.08.2025

Auf die Tücher, fertig, los – inmitten der idyllischen Landschaft des Rheingaus findet die Rheinwoche mit über 300 Seglern statt.
Foto: picture alliance/BEAUTIFUL SPORTS/Andreas Dick
Anfang Juni empfing der Segelclub Rheingau über 300 Segler zur Rheinwoche 2025. Die Wettfahrten der größten Flussregatta Europas sind nicht allein von sportlichen Leistungen geprägt. Reportage.

Auf der ersten Wettfahrt geht es zu Tal“, leitet Ulrich Rosskopf die Steuermannsbesprechung ein. „Aus Sicherheitsgründen und weil es so schön ist!“ Der 60-Jährige ist Organisationsleiter der Rheinwoche, Deutschlands größter Regatta auf einem Fluss, noch dazu auf dem längsten des Landes. Der ausrichtende Segelverein wechselt jährlich, diesmal sind die über 300 teilnehmenden Segler zum Segelclub Rheingau (SCR) nach Walluf gekommen, der die Ausrichtung anlässlich seines 125-jährigen Jubiläums übernommen hat.

Der Start, erklärt Organisator Rosskopf, sei bei Flusskilometer 508, gesegelt werde bis Kilometer 514. „Wir machen euch so viel Platz wie möglich: Sowohl die Start- als auch die Ziellinie werden über die gesamte Strombreite sein“, so Rosskopf weiter.


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Auf dem Wasser erfolgen die Starts in fünf unterschiedlichen Gruppen. „Zuerst startet die rote Gruppe, dann Blau, Orange, Lila und als Letztes die gelbe Gruppe“, so Rosskopf auf der Steuermannsbesprechung. Mit dem hohen Meldungsaufkommen in diesem Jahr hatten die Organisatoren gar nicht gerechnet. „Diesen Ansturm hätten wir nicht erwartet“, wird Rosskopf, den während des Wochenendes alle nur Uli nennen, auf der Webseite der Regattagemeinschaft Rhein zitiert. Das Organisationsteam sei regelrecht „überwältigt“ vom Interesse der Segler.

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Von den 100 angemeldeten Booten finden dann 87 mit ihrer Mannschaft den Weg zur Startlinie mindestens eines Regattalaufs. „Die Rheinwoche ist für viele Segler im Binnenland fester Bestandteil ihres Pfingstwochenendes“, so Helge von der Linden. Der Geschäftsführer des gleichnamigen Großhandels für Bootsbaubedarf ist der Erste Vorsitzende des Vereins Regattagemeinschaft Rhein. Die wurde 1999 zur Organisation der jährlichen Rheinwoche gegründet. „Vorher hatte es nur ein loses Absprachen-Gremium zwischen den Sportwarten gegeben, um die Rheinwoche zu terminieren und andere Regattatermine abzusprechen“, erklärt er.

Zwei Wettfahrten mit Heimkehr

Mitglieder seien mehrere Segelvereine, die sich vorher lose getroffen und abgesprochen hatten. „Die konstante Struktur führt jetzt dazu, dass wir langfristige Partnerschaften mit Sponsoren eingehen können und nicht jeder Verein in jedem Jahr aufs Neue losrennen muss“, erklärt er. Glücklicherweise hätten sie neben den großen Sponsoren wie Pantaenius und der Firma von der Linden auch einige kleinerer Unternehmen, die teilweise von Regattaseglern geführt und zur kostendeckenden Finanzierung der Veranstaltung beitragen würden.

Am Pfingstsamstag sind zwei Wettfahrten geplant. Bei der ersten werden die Schiffe nur auf eine Kreuz gegen den Wind geschickt. Dabei segeln sie mit der Strömung „zu Tal“. Im zweiten Lauf soll der Start in die gleiche Richtung erfolgen. Die Zielmarkierung des ersten Laufs, südlich der Mariannenaue, dient in der zweiten Wettfahrt als Wendemarke. Wobei das Zielschiff aus dem ersten Lauf auf der Position liegen bleibt, um eine Zwischenzeit zu notieren. „Für den Fall, dass uns auf der Heimfahrt irgendwas passiert, der Wind ausgeschaltet wird oder Ähnliches“, scherzt Rosskopf noch bei der Steuermannsbesprechung. Tatsächlich werden diese Zeiten später gewertet. Das erfahren die Regattateilnehmer allerdings erst hinterher an Land.

In einem Punkt unterscheidet sich die diesjährige Rheinwoche erheblich von den anderen Ausgaben: Während sonst in der Regel nur flussabwärts gesegelt wird und der „Tross“ dementsprechend von Hafen zu Hafen zieht, kommen die Regattateilnehmer bei der 2025er-Edition immer wieder zurück an die Steganlage des SCR. Außerdem finden die Boote Platz im Bojenfeld in der Wallufer Bucht.

Einbeziehung der Berufsschifffahrt auf Rhein von großer Bedeutung

An Bord der Asso 99 „König Ludwig“ von Prinz Luitpold von Bayern aus dem Hause Wittelsbach werden in der Vorstartphase des zweiten Laufes taktische Entscheidungen getroffen, die nicht nur mit dem Wind und ihren Konkurrenten zusammenhängen. „Lasst uns auf der rechten Seite des Frachters bleiben“, schlägt Martin Ende res vor. Während des Starts wird dem Pulk von Seglern ein sogenannter Bergfahrer entgegenkommen. So werden die Binnenschiffe genannt, die gegen die Strömung fahren.

Die Einbeziehung der Berufsschifffahrt ist bei Regatten auf viel befahrenen Gewässern wie dem Rhein von großer Bedeutung. Vor allem der Sicherheitsaspekt spielt für Segler und Organisationsteam eine übergeordnete Rolle. Aber auch für den Regattaerfolg kann es essenziell sein, ob sich die Segler auf der Luv oder der Lee-Seite eines Binnenschiffers befinden.

„Auf geht’s, ab ins Trapez“, sagt Prinz Luitpold von Bayern. Sofort springen drei Männer seiner Crew auf, die Segel werden dichtgenommen und der Prinz luvt an. Tatsächlich gehen sie etwa sieben Sekunden nach dem akustischen Signal über die Startlinie. Doch gleich wird es heikel: Der Plan, sich auf der Backbordseite des zu Berg fahrenden Frachters zu halten, ist nicht umsetzbar. „Dann eben auf der anderen Seite“, schnaubt Prinz Luitpold. Danach läuft es glatt und sie segeln mit freiem Wind Richtung Wendemarke.

„Nach dem Runden könnt ihr zeigen, was ihr könnt, und mit allen Tüchern, die euch zur Verfügung stehen, vor dem Wind bergauf segeln“, hatte Rosskopf bei der Steuermannsbesprechung angekündigt. Und so setzt es die Crew um Prinz Luitpold auch um: Nachdem die Tonne an Backbord liegen gelassen wurde, heißt es: „Dann zieht mal hoch!“ Gesagt, getan, wenig später steht der blaue Spinnaker mit dem goldenen Logo der König Ludwig Brauerei.

Grenzübergreifende Rheinwoche

Der Rhein stellt auf Höhe des Segelclubs Rheingau die Grenze zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz dar. Dementsprechend liegt das Nordufer des Rheins, an dem auch der gastgebende SCR beheimatet ist, in Hessen und das Südufer des Rheins in Rheinland-Pfalz.

Nach dem Zieldurchlauf wird der später gegen den Spinnaker getauschte Gennaker geborgen. Als eines der ersten Schiffe läuft „König Ludwig“ wieder zurück an die Steganlage. Da muss erst mal ein besonderes Anlegebier aus der eigenen Brauerei des Prinzen her. Das Kaltenberg Spezial ist Luitpold von Bayern in seiner Schlossbrauerei Kaltenberg ein besonderes Herzensprojekt.

Auf dem Gelände des SCR wartet das Klubrestaurant „Rheinsegler“ auf die hungrigen Segler. „Wir haben mittlerweile den Mittwochabend als etablierten Segeltermin für die Mitglieder“, erzählt Ulrich Rosskopf. Allerdings sei über die Hälfte der Eigner an ihrem Steg vor dem Clubhaus schon nicht mehr berufstätig. „Deshalb verabreden wir uns in der Saison über unsere WhatsApp-Gruppe eigentlich, wann immer genug Wind zum Segeln da ist“, sagt Rosskopf.

Mitgliedergewinnung auf neuen Wegen

Beim SCR werde versucht, auch die älteren Mitglieder am Segeln zu halten: „Natürlich sind wir dankbar für jeden, der uns sein Motorboot auch bei Regatten als Sicherungsboot zur Verfügung stellt. Im Vorstand haben wir aber natürlich ein Auge darauf, dass wir ein Segelverein bleiben“, so Rosskopf. Bei der Mitgliedergewinnung lässt sich der Segelclub Rheingau immer wieder etwas Neues einfallen: „Wir haben ein großes Sportstudio in der Region, es hat bestimmt 300 oder 400 Kunden“, erzählt Rosskopf. „Wir haben jetzt Kontakt aufgenommen und wollen anbieten, dass die Sportler des Vitasports zum Probesegeln kommen können.“

Zum sportlichen Reiz der Rheinwoche sagt Helge von der Linden: „Man fährt gemeinsam den Strom hinunter und dann gibt es natürlich immer auch die sportliche Konkurrenz untereinander. Da kann es auch schon mal zu einem Protest kommen. In den meisten Fällen allerdings regeln wir das hinterher mit einem Bier und einem Spruch, und dann ist es auch wieder gut.“

Einen solchen Eindruck machen die Segler auch, als sie vom Wasser kommen. Während die „Verlierer“ des Tages bei anderen Wettfahrten geknickt vom Wasser kommen, ist die Stimmung bei allen Teilnehmern gut. Auf dem Gelände des SCR warten jetzt verschiedene Foodtrucks und Getränkeangebote auf die hungrigen und durstigen Regattasegler. In lockerer Atmosphäre sitzen alle gemeinsam in verschiedensten Konstellationen unter dem weißen Zelt auf der Wiese. Der guten Laune kann auch der zeitweise einsetzende Regen keinen Abbruch tun, der auf das Zelt herunterprasselt.

„Das, was der Segelclub Rheingau hier in diesem Jahr anlässlich des Jubiläums auf die Beine gestellt hat, ist wirklich sagenhaft“, schwärmt Helge von der Linden nach der Veranstaltung. Die Rheinwoche soll es auch im kommenden Jahr wieder geben. Dann werden wieder rund 100 Boote mit ihren Crews erwartet, die auf Europas größter Flussregatta mehr miteinander als gegeneinander antreten werden.


​125 Jahre Segelclub Rheingau

Bereits im frühen 20. Jahrhundert segeln Mitglieder des Segelclubs Rheingau auf ihrem Heimatgewässer, dem Rhein, vor Walluf.Foto: Archiv Segelclub RheingauBereits im frühen 20. Jahrhundert segeln Mitglieder des Segelclubs Rheingau auf ihrem Heimatgewässer, dem Rhein, vor Walluf.

​Vor der Haustür oder in der Bundesliga – ein Segelclub mit vielen Möglichkeiten

”Wir haben bei uns im Segelclub alle Facetten des Segelsports“, sagt Ulrich Rosskopf, der stellvertretende Vorsitzende des Segelclubs Rheingau (SCR). „Es wird versucht, den Mitgliedern das Segeln sowohl als Leistungssport anzubieten als auch als Freizeit- und Erholungsangebot.“

Insgesamt hat der Verein rund 300 Mitglieder. Der älteste Segelclub Hessens wurde 1900 in Walluf im Res­tau­rant „Im Schwan“ gegründet. „Man traf sich zu dieser Zeit im Segelverein nicht nur zur Ausübung des Sports, sondern auch um Geschäfte zu machen“, erläutert Rosskopf.

Ein Alleinstellungsmerkmal des SCR ist der klassische Zwölfer „Anita“. Er wurde in den 30er-Jahren bei Abeking & Rasmussen in Bremen gebaut. Nachdem die Segelkameradschaft Ostsee, die das Schiff betrieben und sich mit den Kosten übernommen hatte, aufgelöst wurde, fiel es satzungsgemäß an den SCR. Seitdem wurde ein Förderverein gegründet und die „Anita“ in eine gemeinnützige GmbH ausgegliedert. „Ich glaube, es gibt keinen zweiten Segelverein unserer Größenordnung, der in der Ostsee einen Zwölfer betreibt“, sagt Rosskopf stolz über die „Anita“.

Aber auch bei den modernen Entwicklungen des Segelsports versuchen die Mitglieder des SCR auf der Höhe zu bleiben. So gibt es mittlerweile neben einer Shark 24, zwei J/70s, Optimisten, 420ern und Teenies sogar eine foilende Waszp als Vereinsboot.

​125 Jahre Kölner Yacht Club

Das Haus des Kölner Yacht Clubs am Rheinufer.Foto: Kölner YachtclubDas Haus des Kölner Yacht Clubs am Rheinufer.

​Gemeinsame Törns weltweit, Leben mit dem Wind und breitensportliche Regatten

​Anlässlich des Kaisergeburtstags im Jahr 1900, am 27. Januar, trafen sich, ganz im Trend der wilhelminischen Zeit, die fünf Gründungsmitglieder für ihr Vorhaben und gründeten an jenem Tag den Kölner Segler Club, der 1968 zum Kölner Yachtclub (KYC) wurde. Eugen Richter aus dem Vorstand des KYC sagt: „Im Mittelpunkt steht das Segeln, das Leben auf dem Wasser und mit dem Wind.“

Der Verein liegt direkt an der Promenade in Köln-­Rodenkirchen, bei Rhein­kilometer 682,9. Im Clubhaus an der Promenade lasse es sich, so Reinhard Pieper, der Erste Vorsitzende des Vereins, wunderbar entspannen oder auch Pläne schmieden. Davon gibt es im KYC einige: Die Verantwortlichen träumen von einem eigenen Hafen, in dem die Boote sicher außerhalb des Stroms liegen können. Außerdem möchten sie im geschützten Becken auch Kinder- und Jugendausbildung anbieten. Weil das auf dem Abschnitt des Rheins, wo der KYC beheimatet ist, aufgrund der Berufsschifffahrt und der starken Strömung zu gefährlich ist, kooperiert der Verein seit den 80er-Jahren mit der Sportseeschifferschule Köln. Wenn ein Neuling dort dann die Grundlagen des Segelns ­erlernt hat, „kommt er zu uns und kann hier jede Menge Erfahrungen sammeln“, so KYC-Vorstandsmitglied Jochen Kiel.

Aber auch sonst hat der Verein seinen Mitgliedern allerlei zu bieten: Auch ­neben den drei Klubschiffen „Harakiri“, einer Sail­horse, der „Viking“, einem Schwert­zug­vogel, und der Varianta 18 „St. ­George I“ ziehen die Vereinskameraden auch sonst immer wieder los, um gemeinsam verschiedene Segelabenteuer zu erleben. Sei es das „breitensportlich ausgerichtete Regattasegeln“ wie bei der Rheinwoche oder die unterschiedlichsten Törns, die Mitglieder des KYC weltweit gemeinsam unternehmen: Im Segelprogramm findet sich etwas für Segler verschiedener Interessen.


Helge von der Linden ist Spiritus Rector der Rheinwoche

Helge von der Linden. Der Unternehmer segelt selber einen Halbtonner und einen 10-Meter-Katamaran.Foto: YACHT/Philipp HympendahlHelge von der Linden. Der Unternehmer segelt selber einen Halbtonner und einen 10-Meter-Katamaran.

Herr von der Linden, was sind die Herausforderungen, wenn man ein Event wie die Rheinwoche organisiert?

Bei uns auf dem Rhein machen wir uns natürlich von Jahr zu Jahr Sorgen, ob der Wasserstand so ist, dass wir an entsprechender Stelle segeln können. Aber auch die Suche nach einem ausrichtenden Verein ist von Zeit zu Zeit spannend.

Und, haben Sie für kommendes Jahr einen Klub begeistern können?

Ja, der Ausrichter für nächstes Jahr steht fest! Wir werden beim Club für Wassersport in Porz zu Gast sein. Die haben auch 100-jähriges Jubiläum. Es soll über die Standardstrecke gehen: Von Oberwinter über Porz nach Düsseldorf in den Yachthafen und dann nach Duisburg zum Auskranen.

Dann kann ja nichts mehr schief gehen.

Naja, das ist erstmal der Status Quo. Wir müssen trotzdem am Schluss sehen, ob der Wasserstand unsere Regatten zulässt, und die Häfen zugänglich sind. Finanziell ist es auch immer spannend, wir brauchen viele Segelboote und eine Reihe Sponsoren, damit die Veranstaltung funktioniert. Zum Glück haben wir einige langjährige Partner. Und dann bedarf es noch einer Menge Helfer, um so eine Regatta auf die Beine zu stellen.

Wie viele Helfer braucht es, um die Rheinwoche zu veranstalten?

Puh, das kann nicht pauschal beantworten. Es sind aber auf jeden Fall mehr Helfer als Segler. Es braucht einfach viele Menschen, um so eine Regatta am Laufen zu halten. Wir haben auf der Standardstrecke bei jeder Startgruppe ein Boot der DLRG dabei, dazu noch mindestens eines als Reserve oder Springer. Dann ist die Wasserschutzpolizei dabei und noch „unsere“ Begleitboote. Darüber hinaus die Helfer an Land und auf den Stegen sowie unser Ausrichterteam, Regattaleitung und so weiter. Da kommen einige Menschen zusammen, die sich am Pfingstwochenende engagieren.

Und wie gelingt es, so viele Ehrenamtliche zu motivieren?

Ich finde, dass es Freude bereitet, sich in solchen Positionen ehrenamtlich zu engagieren. Viele Helfer und ich im Übrigen auch, gehen mit einem guten Gefühl nach Hause, wenn man das Wochenende für die Teilnehmer zu einem Erfolg machen konnte. Ganz gleich, welches Ergebnis sie ersegelt haben. Wir haben seit Jahren ein festes Ausrichterteam, das die Regatta weitestgehend durchführt. Dazu gehört auch unser Wettfahrtleiter und mein zweiter Vorsitzender Christoph Zander. Darüber hinaus gibt es ein festes Zielteam und so weiter.

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