PorträtSo tickt der Ausnahme-Segler Markus Wieser

Tatjana Pokorny

 · 05.08.2023

Markus Wieser segelt erfolgreich, aber unbeschwert: „Ich musste mich nicht überall durchbeißen“
Foto: YACHT-Archiv
Eine Karriere zum Durchklicken – bereits mit vier Jahren ist Markus Wieser allein durchgestartet
Im Boot steht er hinten, im Ziel liegen seine Teams regelmäßig vorn: Markus Wieser ist als Segelprofi eine bayerische Ausnahmeerscheinung im internationalen Regattazirkus. Die anstehende ORC-WM in Kiel ist sein nächstes Ziel

Er ist ein seltenes Exemplar. Bis heute hat der deutsche Segelsport nur zwei Handvoll Akteure, die als Profis international ihr Geld verdienen. Markus Wieser ist einer der Leuchttürme in dieser besonders hierzulande limitierten Liga. Mit 14 WM-Titeln in sieben Bootsklassen und achtmal EM-Gold sucht der 59-jährige Starnberger in Güte und ebenso Vielseitigkeit seinesgleichen. Von den Jollenklassen Vaurien und FD über offene Kielboote wie Drachen und Tempest bis zur Sonderdisziplin des Matchracing und den führenden Einrumpfklassen TP52, Club-Swan 50 und Maxi-Yachten: Wo der multi­talentierte Bayern-Dynamo aufschlägt, ist meistens vorn.

„Markus Wieser ist ein Windfuchs. Als kleiner Mosaikstein mag beigetragen haben, dass er das Segeln auf einem See gelernt hat“, sagt Laser-Weltmeister Philipp Buhl. Der Olympiasegler hat mit Wieser und einer deutschen Auswahl für den inzwischen verschobenen SSL Gold Cup trainiert. Beeindruckt von Wiesers Fähigkeiten als Spielertrainer, glaubt Buhl: „Viele sagen über Markus, dass er ein Intuitionssegler ist. Ich glaube, Markus hat sich sein ganzes Leben lang Gedanken übers Segeln gemacht. Wenn du Dinge so oft machst, entwickeln sie sich zu Fast-Automatismen.“

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Markus Wieser: Weltmeister vieler Klassen

14 WM-Titel hat Markus Wieser in bislang sieben verschiedenen Bootsklassen gewonnen. Zusätzlich achtmal EM-Gold zeigen die Erfolge, wie vielseitig der bayerische Taktiker und Stratege auf höchstem Niveau agiert.

  • 2006: Drachen (Gold Cup)
  • 2010: IMS mit „Elena Nova“
  • 2011: Drachen (Gold Cup)
  • 2013: Drachen; 5,5-Meter-Klasse
  • 2014: Drachen (Gold Cup)
  • 2017: Maxi 72 mit „Momo“
  • 2018: Maxi 72 mit „Momo“
  • 2019: Tempest
  • 2020: ClubSwan 50 mit „Hatari“
  • 2021: ClubSwan 50 mit „Hatari“; Tempest
  • 2022: Tempest, 6-Meter-Klasse
  • 2023: Teilnahme WMs ClubSwan 50, ORC und 6,6 m geplant

Wieser segelt bereits im Alter von vier Jahren allein los

Markus Wieser ist am Starnberger See groß geworden. Der Jüngste nach Bruder Franz und Schwester Georgine war gerade vier Jahre alt, als er anfing, mit dem 20er-Jollenkreuzer seines Vaters allein loszusegeln. „Immer nur bis zur 70 Meter entfernten Boje, denn ich hatte Angst vor tiefem Wasser. Ich bin ohne Vorsegel am Ufer längsgebolzt, mit drei, vier Wenden hochgefahren und vor dem Wind zurück“, erinnert er sich noch an die kindlich-neugierigen „Schleifenfahrten“.

Später tauschte Vater Franz Wieser seinen Jollenkreuzer gegen einen Drachen und kaufte seinen Kindern Vauriens. Seit 1961 als internationale Einheitsklasse anerkannt, kamen die Knickspanter als Alternative zum Piraten Ende der sechziger Jahre als Jugendklasse in Mode. Markus steigt zunächst als Vorschoter zu seinem Bruder Franz ins Boot. 1976 werden die Wiesers Vize-Jugendweltmeister in Davos. Da ist Markus gerade zwölf Jahre alt. Doch bald schon wechseln sie die Positionen. Der Bruder ist größer und schwerer, Markus der bessere Steuermann.

Die drei Kinder wachsen gut behütet zwischen München, wo sie in der Woche wohnen, weil der Papa dort als Tierarzt praktiziert, und dem Wochenend-Glück von Freiheit und Segeln am Starnberger See auf. „Meine Eltern haben viel möglich gemacht. In den siebziger Jahren hatten wir schon den Drachen, zwei Vauriens und auch zwei Laser.“ Der Vater legt den Geschwistern zum Spaß Startlinien aus. „Wir sind damals im Laser immer gegeneinander gesegelt, wussten aber natürlich noch nicht, dass man das Matchrace nennt“, erinnert sich Markus lebendig an das intuitive Regattatraining im Revier vor Ambach.

Im FD zu Olympia?

Der Jüngere bleibt dem Vaurien etwas länger treu als Franz, der 1978 in den 470er umsteigt. Nach dem Abitur 1982 wählt sich Markus den damals populären olympischen Flying Dutchman (FD) zum neuen Boot. In Deutschland sind der zwölf Jahre ältere viermalige Weltmeister Albert „Alba“ Batzill und seine Vorschoter sowie die Brüder Jörg und Eckart Diesch, die 1976 im kanadischen Kingston Olympia-Gold geholt hatten, zu der Zeit das Maß der Dinge im FD. Die Wiesers geben Gas, holen 1987 WM-Bronze bei den Worlds in Kiel und zwei Jahre später WM-Silber in Alassio. Der Kieler FD-Gipfel bleibt trotz Medaille einer von zwei Tiefschlägen in der Segelkarriere von Markus Wieser, die ihn bis heute beschäftigen. „Da waren wir schon fast Weltmeister, als Otto Schlenzka am Finaltag um 16.30 Uhr doch noch eine Wettfahrt angeschossen hat. Und da haben wir den Titel noch verloren. Daran habe ich lange geknackt“, sinniert er.

Als bestes deutsches FD-Team sind die Wiesers aber 1987 für die olympische Testregatta qualifiziert. Doch Markus fährt nicht hin. Er ist gerade Vater der ersten seiner vier Töchter Verena, Valentina, Fabiana und Vanessa geworden und steckt mitten im BWL-Examen. „Wir hatten uns nicht wirklich auf die Olympischen Spiele 1988 vorbereitet, es passte damals nicht“, sagt er heute.

Die Brüder-Crew trennt sich danach, und der Jüngere nimmt einen ernsthaften Olympia-Anlauf – erst mit Peter Fröschl, der 1982 mit Anton Schwarz Weltmeister geworden war, dann mit Werner Koenig. Mit dem schillernden Filmproduzenten und Deutschen Filmpreisträger, der im November 2000 bei einer Drehortbesichtigung in den Bergen von Verbier bei einer Abfahrt in einer Lawine tödlich verunglückte, ist Markus Wieser Mitglied im Olympiakader der Segelnationalmannschaft.

Einstieg ins Matchracing wie Markus Wieser Segelprofi wurde

Das Duo ist gut, sehr gut. Die beiden segeln klar auf Kurs Olympia, bis Werner Koenig sich im Frühjahr 1992 die Kreuzbänder reißt. Wieser darf sich für die nationale Olympia-Ausscheidung keinen Ersatzvorschoter ins Boot holen und muss zusehen, wie sein Olympiatraum platzt. „Daraufhin habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder eine Olympiakampagne mache“, sagt Wieser. Er wird auch nie wieder in einen FD steigen.

1992 ist er als 28-Jähriger schon fast sechs Jahre mit Claudia verheiratet. Sie haben bereits drei Töchter und sind finanziell unabhängig. Mit seinem Bruder und einem Cou­sin kümmert sich Markus Wieser weiter um die Hausverwaltung der Familie, doch die Passion für den Segelrennsport wird zunehmend zur Profession.

Nach seiner olympischen Desillusionierung entdeckt Markus Wieser den Duell­segelsport Matchracing für sich. Schon früh, bei der FD-WM 1991 im neuseeländischen Revier vor Tauranga, hatten Wieser und Koenig sich erfolgreich um eine Teilnahme am legendären Steinlager Cup beworben. „Das war die erste große Matchrace-Regatta, die wir je gesegelt haben. Werner hat die Veranstalter so lange genervt, bis wir mitmachen durften. Es hat enorm viel Spaß gemacht“, erinnert sich Wieser immer noch gern an die Initialzündung.

Jochen Schümann geschlagen, doch beim America’s Cup scheitert Wieser an und mit Jesper Bank

Schnell steigt er mit seinen Crews, zu denen oft Bodensee-Ass Eberhard Magg oder auch der Hamburger Architekt Matti Paschen gehören, in die Weltspitze auf. Wieser misst sich mit internationalen Größen der Zeit wie „Mister America’s Cup“ Dennis Conner, Peter Gilmour, Ed Baird, Jesper Bank, Bertrand Pacé – und auch mit Jochen Schümann. Den dreimaligen Olympiasieger bezwingt Wieser 2001 vor Zehntausenden Zuschauern beim Match Race Germany auf dem Bodensee. Wieser klettert bis auf Position zwei in der Matchrace-Weltrangliste empor und genießt das goldene Jahrzehnt des Duellsegelns.

Seine Erfolge kommen in einer Zeit erneut aufkeimender Bemühungen, ein historisch erstes deutsches Team im America’s Cup an den Start zu bringen. Der große Traum der hiesigen Regatta-Elite wird tatsächlich wahr. Am 29. April 2005 meldet das United Internet Team Germany wenige Stunden vor Ablauf der Frist zum ersten Mal in der damals 154-jährigen Cup-Geschichte ein deutsches Boot. Während Jochen Schümann längst beim Schweizer Cup-Team Alinghi etabliert ist, den America’s Cup 2003 mit den Eidgenossen gewann und 2007 verteidigen wird, kürt man seinen Weggefährten und olympischen Dauerrivalen Jesper Bank zum Skipper der deutschen Cup-Kampagne. Doch das in der Führung zerstrittene Team Germany quält sich durch Krisen und interne juristische Auseinandersetzungen. Die Bank-Crew schliddert im 32. America’s Cup vor Valencia bei elf teilnehmenden Teams auf Platz zehn.

Für Markus Wieser markiert diese deutsche Premiere das zweite Trauma seiner Karriere. Jesper Bank lässt den designierten deutschen Taktiker noch vor dem ersten Start in der Ausscheidungsserie der Herausforderer eiskalt aussteigen. „Er hat mich bewusst abserviert. Mit ihm rede ich bis heute kein Wort mehr“, sagt Wieser. Der dänische Doppel-Olympiasieger schmeißt Wieser aus dem Team, nachdem der sich in einem Teammeeting vor die Mannschaft gestellt, unrühmliche Zustände im Team beklagt und die ihm zugesagte Position als gestellt, unrühmliche Zustände im Team beklagt und die ihm zugesagte Position als Taktiker eingefordert hatte. Kurz danach teilt Banks Soling-Vertrauter Henrik Blak­s­kjær Wieser mit: „Pack deine Sachen und verlass das Gelände. Du bist gefeuert.“

Jesper Bank wollte damals keinen Deutschen neben sich, der ihm gefährlich werden könnte.”

Die deutschen Segler im Team sind schockiert, aber nicht in der Lage, sich für Wieser einzusetzen. Der verklagt das Team und einigt sich mit Syndikatschef Michael Scheren auf eine Abfindung. „Ich denke, Jesper Bank wollte damals keinen Deutschen neben sich, der ihm gefährlich werden könnte. Er wollte immer alles selbst entscheiden und hat lieber Leute um sich geschart, die nach seiner Pfeife tanzten“, sagt Wieser in der Retrospektive. Sein Bedauern über die verpasste Cup-Chance ist wie eine Narbe geblieben.

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Mit dem ukrainischen Team bricht er danach im Drachen auf zu neuen Ufern. Dem Gold-Cup-Sieg mit Werner Fritz 2006 folgen ein Sieben-Jahre-Engagement unter ukrainischer Flagge und weitere WM-Siege 2013 und 2014. Parallel steuert er die TP52 „Container“ von Udo Schütz 2011 zu WM-Silber in der neuen Einrumpf-Superliga, die als MedCup durchgestartet war und als 52 Super Series längst zur weltweit leistungsstärksten Profiserie aufgestiegen ist. Im Drachengeschwader lernt Wieser auch den leidenschaftlichen Segler Dieter Schön kennen. Nach dessen Ausstieg aus dem Drachen überzeugt Wieser den prominenten Klinik-Manager zum gemeinsamen Angriff in der Mini-Maxi-Szene. In den Jahren 2017 und 2018 dominiert der Maxi 72 „Momo“ die Weltmeisterschaften.

Dass die stark angewachsene Gruppe Neuseeländer an Bord Wieser zwischenzeitlich „absägen“ will, als es einmal nicht so gut läuft, weiß der inzwischen gestählte Bayer zu parieren. Das Phänomen des Einzelkämpfers mit schwerem Stand ist nicht neu und auch anderen Profis schon begegnet. Wieser schlägt zurück, wehrt sich gegen Kritik an seinen Steuerkünsten, holt in Absprache mit Schön Segelmacher und Olympiasieger Jordi Calafat an Bord und lässt den Spanier zunächst einen neuen Quantum-Gennaker bauen. Der bringt den Erfolg. Wenig später sind fünf Kiwis ihren Job los. Der Wieser-Vertraute Michele Ivaldi übernimmt das Team-Management. Die gleiche Rolle hat der Italiener heute auch im ClubSwan-50-Team von Marcus Brennecke. Auf dessen „Hatari“ agiert Wieser mit seinen langjährigen Mitseglern in traumwandlerischer Sicherheit. Er lässt leicht aussehen, was schwer ist: 2020 und 2021 werden sie Weltmeister. Titel Nummer drei ist für diese Saison angepeilt.

Wieser ist Vierfach-Papa und Fünffach-Opa

Eigner und Steuermann Marcus Brennecke sagt: „Ich segle seit über 20 Jahren gegen und mit Markus Wieser. Er ist mittlerweile ein guter Freund geworden. Markus ist ein reiner Gefühlssegler. Er sieht Sachen auf dem Wasser, die andere Top-Segler nicht sehen. Er ist ein guter und empathischer Leader, der dadurch immer Top-Teams zusammenstellen kann, und hat auch keine Probleme, andere Meinungen zu akzeptieren. Markus spürt mittlerweile – durch seine unzähligen Erfolge in verschiedenen Klassen und seine große Erfahrung – keinen so großen Druck mehr, was ihn gelassener macht.“

Wieser selbst, der unumwunden auch über seine Schwächen sprechen kann, beschreibt es so: „Früher war ich manchmal streitsüchtiger, heute bin ich großherziger.“ Als stolzer Vierfach-Papa und Fünffach-Opa lässt sich der Bayer, der viele Jahre mit der Familie auf Mallorca gelebt hat und heute zwischen Berlin, wo drei der vier Töchter zu Hause sind, und seinem Geburtsort Starnberg pendelt, nur noch selten aus der Ruhe bringen.

Abseits von den großen Profiligen, wo Wieser auch einige Jahre auf Harm Müller-Spreers „Platoon“ in der 52 Super League erfolgreich im Einsatz war, hat er sich immer auch zusätzliche Herausforderungen gesucht. Das können Spaßgipfel sein wie seine früheren Teilnahmen an der YACHT-Meisterschaft der Meister in den 2010er Jahren. Ulrike Schümann, Olympia-Vierte von 2008, erinnert sich gut an den gemeinsamen Sieg mit Markus Wieser und Matti Paschen 2012. Sie sagt: „Mit Markus zu segeln ist unglaublich faszinierend. Ich kenne niemanden, der so ein gutes ‚Time and Distance‘-Gefühl hat! Egal welches Boot: Er setzt sich drauf, fühlt und segelt einfach schnell.“

Matti Paschen, der als Trimmer über Jahrzehnte mit und für Wieser segelt und ihn seit der Segelförderkampagne AeroSail in den neunziger Jahren kennt, stimmt ein: „Markus hat es im Blut. Wenn man von Talent reden kann, dann hat er es in die Wiege bekommen.“ Die Wieser-Kurzformel kommt von Eberhard Magg: „Markus hat’s im Hintern.“

FD-Nostalgie: Markus Wieser ist dreifacher Tempest-Weltmeister

Weil sich inzwischen zum Naturtalent ein einzigartiger Erfahrungsschatz gesellt hat, fällt Wieser der Neueinstieg in die Tempest-Klasse leicht, zu dem er sich anlässlich der WM auf dem Tegernsee 2019 in einem Anflug von Nostalgie entschließt: Der Tempest erinnert ihn an den einst so brillant beherrschten FD. Zur eigenen Überraschung verliebt sich der Bayer in das anspruchsvolle Ian-Proctor-Design von 1965, das 1972 sogar bei Olympischen Spielen im Einsatz war. „Das Boot ist völlig unterbewertet, hätte viel mehr Aufmerksamkeit verdient“, wirbt er für die Klasse. Er belässt es nicht bei Trainings vor dem WM-Take-off, sondern baut in der Edel-Manufaktur Mader einen Tempest und nennt das Boot mit bayerischem Humor „Wo samma?“ („Wo sind wir?“), um die Antwort auf dem Wasser selbst zu geben. Wieser gewinnt seine erste Tempest-WM gemeinsam mit Lokalmatador Thomas Auracher, lacht und sagt: „Erster samma!“ Der inzwischen dreifache Tempest-Champion ist der Klasse weiter treu, wenn er Zeit findet.

Ob er von seinem Sport leben könnte, wenn er müsste? „Ja, das könnte ich sogar sehr gut“, sagt Wieser. Doch gibt er dem Nachwuchs auch eine Warnung mit auf den Weg: Es sei kein leichter Job. Man habe sich als Profi neben sportlichen, technischen und strategischen Aufgaben auch auf die unterschiedlichsten Eigner einzustellen.

Markus Wieser hat sich seine starke Position im Profisegelsport über Jahrzehnte erarbeitet. Dass ihm seine finanzielle Unabhängigkeit dabei nicht jeden Weg gebahnt, sondern den einen oder anderen auch versperrt hat, bejaht er ohne Zögern: „Ich musste mich vielleicht nicht überall da durchbeißen, wo es andere hätten tun müssen. Und bin so vielleicht nicht überall hingekommen, wo ich hätte sein können.“ Seine Leidenschaft für den Sport in Wind und Wellen hat das nie geschmälert.

Talent und Können kann man erhöhen, je variabler man segelt. Die neue Generation muss über den Tellerrand hinausschauen.”

Heute machen ihn auch Herausforderungen wie Projekte in Konstruktionsklassen glücklich. Mit Dieter Schön hat er schon 2013 WM-Gold in der 5,5-Meter-Klasse geholt. Mit Schöns neuem Judel/Vrolijk-Sechser und versierter Wieser-Kerncrew – Victor Manuel Marino, Ross Halcrow, Dirk de Ridder und Coach Frithjof Kleen – reicht es 2022 auf Anhieb zur WM-Krone. „Sechser-Segeln finde ich total cool“, entfährt es Wieser. Es ginge seinen Mitstreitern aus dem America’s Cup ganz ähnlich. Alle sind um die 50, haben in ihren Karrieren enormes Wissen angehäuft. Das fließe jetzt in den Sechser ein. Wieser sagt: „Du kannst – anders als in der ClubSwan 50 oder bei den ausgereizten TPs – bei den Sechsern so viel optimieren. Das macht uns Spaß. Die Sechser ser erinnern an die Version-5-Boote im America’s Cup …“

Markus Wiesers aktueller Segel-Mix ist für ihn ideal: „Nie könnte ich nur ein Boot segeln. Das Tempest-Segeln ist Spaß und Ausgleich, das mache ich für mich selbst. Dazu kommen die Projekte mit Dieter Schön und Marcus Brennecke und ab und zu eine Superyacht – das ist genau richtig für mich.“ Wieser fühlt sich auch auf Gigantinnen wie der auf der holländischen Vitters-Werft gebauten 33-Meter-Superyacht „Pattoo“ wohl.

Material, Zeit in Kombination mit Fleiß sowie Talent hält Wieser für die Hauptschlüssel zum Erfolg im Segelsport: „Wenn die drei Faktoren zusammenpassen, dann geht es. Hast du kein Talent, kommst du nie auf 100 Prozent. Hast du das Material oder die Zeit nicht, reicht auch sehr viel Talent nicht. Talent beziehungsweise Können kann man erhöhen, je variabler man segelt. Deswegen bin ich überzeugt, dass die neue Generation weiter über den Tellerrand hinausschauen muss.“

Über Nacht will er nicht segeln „Keine Chance!“

Wieser engagiert sich für den Nachwuchs und baut klassenübergreifende Brücken, wenn er kann. Mit dem internationalen Regelwerk bei Top-Regatten aber hadert Wieser ebenso wie die Eigner erfolgreicher Rennyachten, die Olympia-Talente holen würden, wenn das Reglement es nur zuließe. In der ClubSwan 50 sind beispielsweise nur fünf Profis erlaubt. „Die Positionen musst du mit erfahrenen Leuten besetzen, wenn du vorn sein willst. Es ist schade, dass Olympioniken – auch ganz ohne Big-Boat-Erfahrung – hier als Profis eingestuft werden. Das verbaut ihnen Chancen.“

„Keine Chance!“, sagt Wieser für sich selbst, wenn es ums Seesegeln über Nacht geht. Da ist die alte Angst aus der Kindheit geblieben. Dazu beigetragen hat auch ein Sturm, in dem er mit seinem Bruder auf dem Starnberger See durchgekentert war. Nach dem glücklichen Wiederaufrichten entdeckten sie eine menschenleere, halb gesunkene Dyas. Später wurde bekannt, dass eine Familie ertrunken war. „Wir waren Teenager, und das war schlimm für uns“, erinnert Wieser. Seine Konsequenz bis heute: „Ein Sydney-Hobart-Race würde ich nicht für 100.000 Euro segeln. Außerdem wird das zu Weihnachten ausgetragen. Das ist bei uns ein Fest für die Familie. Da wird Ente gegessen und nicht gesegelt.“

Mit „Outsider“ zur ORC-WM in Kiel

Wiesers nächstes Engagement ist nach der Cop del Rey die jetzt anstehende ORC-WM in Kiel. Auf Tilmar Hansens mitfavorisierter TP52 „Outsider“ werden die Kräfte gebündelt: Markus Wieser kommt als Taktiker mit Victor Marino, Gerd Habermüller und Michi Müller an Bord. Gesteuert wird das Judel/Vrolijk-Design wie gewohnt von Bo Teichmann. Mit Navigator Robin Zinkmann, Holger Lehning, Stefan Matschuk und weiteren Ur-„Outsidern“ sowie Eigner Tilmar Hansen ist die 15-köpfige Crew komplett.

Der Blick auf die inzwischen mit 15 Booten gut gefüllte ORC-Königsklasse A zeigt auch die Top-Favoritin „Beau Geste“ von Karl Kwok, die mit US-Steuermann Gavin Brady und einer Profi-Crew aus dem America’s Cup und anderen Profiligen antritt. Michael Berghorns Mills 45 Custom „Halbtrocken 4.5“ dürfte im Kampf um die Podiumsplätze ebenso mitmischen. Dass neben „Outsider“ und „Beau Geste“ mit Holger Streckenbachs „Imagine“ und Carl-Peter Forsters „Red Bandit“ zwei weitere TP52-Yachten mit im Spiel sind, erhöht für die Beteiligten den Spaßfaktor.

In Klasse B gibt es ein Wiedersehen mit der internationalen „Hälfte“ des Ocean-Race-Teams Guyot: Robert Stanjek, Phillip Kasüske und Annie Lush gehen mit der modifizierten Landmark 43 „Intermezzo“ auf WM-Punktejagd. Eigner und Steuermann ist Teammanager Jens Kuphal. In Klasse C ist die Italia 9.98 „Immac Fram“ mit der Crew um Kai Mares eine Titelanwärterin.

Rund 115 Boote aus 13 Ländern kommen nach Kiel

Insgesamt machen rund 115 Boote aus 13 Ländern die Weltmeisterschaft im Kieler Revier zum ORC-Gipfel des Jahres. Organisationschef ist Eckhard von der Mosel. Eckart Reinke dirigiert die Rennen als Principal Race Officer. Den rechtevergebenden Off­shore Racing Congress (ORC) vertritt Präsident Bruno Finzi.

Für Amateur- und Frauen-Teams sind zusätzliche Preise vorgesehen. Geplant sind ein Offshore-Rennen sowie Up & Downs und längere „Coastal Races“. Die Siegerparty steigt am Abend des 12. August. Herzkammer der ORC Worlds ist das Olympia­zentrum Kiel-Schilksee.

Alle Infos unter: www.orcworlds2023.com


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