PorträtFinne begeistert große Followerzahl mit Restaurationsprojekten

Fabian Boerger

 · 20.05.2025

Mit Aufnahmen wie dieser begeistert Jani Vahto in Videos seine Follower auf Instagram für traditionelles Handwerk und die Schönheit alter Holzklassiker.
Foto: Fabian Boerger
Die Liebe zu klassischen Booten wurde Jani Vahto in die Wiege gelegt. Mit seinem Vater restauriert er sie in Eigenregie. Ihre Arbeit teilt er in den sozialen Netzwerken – mit großem Erfolg. Mehr als 140.000 Nutzer erreicht er dort mit seinen Videos. Ein Ortsbesuch.

Ein zartes Knistern ertönt, wenn Jani Vahto mit einer Heizspirale die Lackoberfläche des Mahagonidecks erhitzt. Nur wenige Sekunden vergehen und die einst harte Oberfläche beginnt wie Sirup zu zerfließen. Es entstehen kleine Bläschen, rasant werden es mehr. Doch dieser Zustand währt nur kurz: Mit einem entschlossenen Ruck zieht der junge Finne eine scharfe Klinge über die zart blubbernde Fläche und enthüllt ein weiteres Stück des rötlich braunen Holzes.

Bereits das Zuschauen bei diesem monotonen, sich wiederholenden Vorgang beruhigt. Erhitzen, Blubbern, Kratzen. Erhitzen, Blubbern, Kratzen. Es befriedigt – ohne dass man direkt beteiligt ist. Denn dieser kurze Ausschnitt ist einer von Hunderten Reels – kurze unterhaltsame Videoclips –, die der junge Finne für seinen Account auf Instagram gedreht und gepostet hat.


Auch lesenswert:


Neben Einblicken in die typischen Arbeiten des traditionellen Bootsbaus finden sich dort auch viele weitere Eindrücke aus der Welt der Klassiker: Aufnahmen eleganter Meterklasse-Yachten, die majestätisch durch die finnische Schärenlandschaft gleiten. Eine andere Szene zeigt einen Steg voller Holzklassiker, die frisch lackiert in der Sommersonne glänzen. All diese Eindrücke wirken erfrischend.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Sie sind wie Balsam für die Seele im unaufhörlichen Strom kurzer Clips, die mittlerweile die sozialen Netzwerke fluten. Die Videos stechen aus der Masse hervor und treffen damit offenbar einen Nerv bei den Zuschauern. Tausenden Menschen gefallen die Videos; mehr als 140.000 Personen folgen dem jungen Finnen auf Instagram. Mittlerweile zählt sein Account „classicboatsfinland“ zu den größten Anlaufstellen für Liebhaber klassischer Boote – ob für Segel- oder Motoryachten –, die es auf der Plattform gibt. „All die Mühen, die Liebe zum Handwerk und die Leidenschaft – ich denke, das sieht man in den Videos“, sagt Vahto. Das spreche auch Menschen an, die eigentlich wenig mit restaurierten Booten zu tun haben. „Auch sie erkennen die Schönheit und das Besondere in diesen Projekten.“

Jani Vahto teilt klassischen Bootsbau auf Instagram

Doch nicht nur im digitalen Raum ist das Leben des 32-Jährigen von altem Holz und frischem Klarlack geprägt. Klassische Boote nehmen einen Großteil seines Lebens ein. Ein Besuch bei ihm zu Hause lässt das schnell erkennen. Es liegt in Turku, der ältesten Stadt Finnlands und etwa zwei Stunden Autofahrt von der Hauptstadt Helsinki entfernt. Eine Lagerhalle wenige Kilometer vom Stadtkern entfernt ist einer von mehreren Orten, an denen einige der Schätze lagern. Unscheinbar, auf dem Gelände eines hiesigen Kieswerks, stehen auf einer Fläche von etwa zwei Tennisfeldern eine Handvoll hölzerner Klassiker dicht an dicht aufgebockt.

Es riecht nach Lösungsmitteln. Holzleisten, Schraubzwingen, Bootsteile jeder Art, Pinsel und alte Farbdosen liegen auf Beistelltischen oder sind zwischen den Booten gelagert. In mehrstöckigen Eisenregalen sind polierte Messingteile aufgereiht. Klampen, Türknäufe, Halterungen für Flaggenstöcke oder Gardinenstangen. Der Rumpf eines der Boote ist abgeklebt, darunter liegt eine Plane. Ölig schimmert die Oberfläche der Planken. „Bloß nicht berühren, das macht eine höllische Sauerei!“, sagt Vahto und erklärt, dass die Hölzer mit einer speziellen Tinktur getränkt werden, um sie wasserresistent zu machen.

Eine fast hundert Jahre alte Salonyacht wartet noch auf ihre Restaurierung. Der Lack blättert ab, das Holz wirkt fahl, der Rumpf erschöpft. Teile des Aufbaus wurden bereits abmontiert. Es fehlen Bodenbretter, Instrumente und das Steuerrad. Hier, zwischen all den Booten, Bauteilen und Lackdosen, liegt der Lebensmittelpunkt des 32-Jährigen. Gemeinsam mit seinem Vater, Esko Vahto, sammelt und restauriert er alte Holzboote. Derzeit handelt es sich um rund 20 Boote, darunter Salonyachten aus den 20er- und 30er-Jahren sowie ein Daycruiser aus den 50er-Jahren, die sie nach und nach zu neuem Leben erwecken.

Faszination für Klassiker wurde in die Wiege gelegt

Sein Vater ist es, von dem er die Faszination für alte Boote geerbt hat. Er ist Motorenmechaniker und leidenschaftlicher Bootsenthusiast. Bereits vor vierzig Jahren begann er alte Holzboote vor dem Lagerfeuer zu retten und sie zu restaurieren. Einige davon verkaufte er, während er andere bis heute behalten hat.


“Bonito”: Eine Legende kehrt zurück

Jahrzehntelang galt „Bonito“ als verschollen, bis sie 2009 durch einen Zufall wiederentdeckt wurde.
Foto: Archiv Jani Vahto

Nach jahrelanger Suche wurde die über 100 Jahre alte „Bonito“ wiederentdeckt. Seitdem widmen sich Esko und Jani Vahto der Restaurierung dieses Beispiels für die finnische Bootsbautradition.


Als Jani 1992 geboren wurde, befanden sich bereits einige Oldtimer im Besitz der Familie. Darunter war auch ein sogenanntes Sikari-Boot, ein Prototyp eines torpedoförmigen Rennbootes aus Holz, das 1929 gebaut wurde. „Ich bin mit diesen besonderen Fahrzeugen und ihren Geschichten aufgewachsen“, sagt Jani Vahto. Immer wieder erzählte ihm sein Vater die Geschichten der Boote, die ihn seit seiner Kindheit faszinierten und schließlich den Funken überspringen ließen.

Viele ihrer Boote stammen noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie haben oft ihren Besitzer gewechselt und doch die Jahrzehnte überdauert. So wie die Salonyacht, deren Rumpf in Holzöl getränkt ist. „Diese Boote, die einst in Finnland gebaut wurden, sind von überragender Qualität.“ Die Philosophie, die in ihnen steckt, sei etwas Besonderes, sagt Vahto.

Es sind vor allem die Details und die Ästhetik der Designs, die ihn an den traditionell gebauten Booten faszinieren: „Früher wurde mehr Wert auf Schönheit gelegt. Das sieht zum Beispiel, wer durch alte Städte geht. Viele der Gebäude sind reine Kunstwerke.“ Boote, die nach dem Krieg gebaut wurden, weisen diese Eigenschaften nicht auf, findet Vahto. Schnell und günstig sei da eben wichtiger gewesen; die Liebe zum Detail verloren gegangen. „Ich glaube, die Menschen wären glücklicher, wenn sie sich wieder mit mehr Schönheit umgeben würden.“

Viele Boote stammen aus der finnischen Åbo Båtvarf

Neben der langen Historie ist vielen der Boote bei den Vahtos ein weiteres Merkmal gemein: Sie wurden in der renommierten Turkuer Åbo Båtvarf gebaut, einst die größte Werft der nordischen Länder. Zwischen 1889 und 1954 liefen dort rund 5.000 Boote vom Stapel, darunter zahlreiche 8-Meter-Yachten bekannter Konstrukteure. „Ich würde es so gerne noch einmal erleben, wie dort einst Boote gebaut wurden. Wie sich die Eigner mit den Werftbesitzern, den Designern und Bootsbauern trafen und neue Boote entwarfen.“ Mit der Restaurierung seiner Klassiker hofft Vahto dieser Vorstellung näher zu kommen: „Ich denke, ein altes Boot ist die beste Zeitmaschine, die wir bislang haben.“

Heute ist das Gelände der früheren Åbo Båtvarf eine beliebte Restaurant-,Konzert- und Eventlocation sowie ein zentraler Treffpunkt der hiesigen Klassiker-Szene. Auf einem Teil davon werden nach wie vor klassische Yachten restauriert und gelagert. Es ist auch der Ort, an dem der junge Finne das Segeln kennenlernen und erstmals an Bord einer 8-Meter-Yacht steigen konnte. „Seitdem bin ich besessen“, sagt Vahto. Vor einem Jahr kaufte er eine 7-Meter-Yacht aus dem Jahr 1910, die auf einer Insel im Schärengarten vor sich hin vegetiert. Auch ihr will er beizeiten neues Leben einhauchen.

In der kleinen Halle am Rande Turkus, in der die Vahtos ihre Boote lagern, findet sich ein Stück lokale Geschichte – eine Geschichte, die Jani Vahto auf seine eigene Weise bewahren möchte. Denn das Handwerkliche liege ihm nicht so recht, wie er sagt.

„Mein Vater und all die Bootsbauer sind talentiert mit ihren Händen. Das kann ich von mir nicht behaupten.“ Stattdessen hat er sich für eine andere Ausdrucksform entschieden. Die Initialzündung dafür kam, als er mit 15 Jahren eine Kamera geschenkt bekam. Mit ihr begann er seinen Vater bei der Arbeit an den Booten zu begleiten. Er fotografierte und schrieb Artikel. Später veröffentlichte er einen eigenen Holzboote-Blog. Er besuchte Bootsausstellungen und Festivals, berichtete über jedes einzelne Boot und kam mit den Menschen aus der finnischen Klassiker-Szene in Kontakt.

„Mit den Bildern und Artikeln konnte ich die Geschichten der Menschen und ihrer Boote erzählen“, sagt Vahto. „Mein Vater ist das Mechaniker-Genie. Ich bin derjenige, der die Geschichten findet. Damit motiviere ich Menschen und bringe sie zusammen.“

»Ich glaube, die Menschen wären glücklicher, wenn sie sich wieder mit mehr Schönheit umgeben würden.«

Aus dem Blog entwickelte sich der Instagram-Account. Zu Beginn postete Vahto nur ein paar wenige Fotos, einige Tausend Nutzer folgten ihm. Als die Reels – ein unterhaltsameres Videoformat der Plattform – eingeführt wurden, konnte er schließlich die unzähligen Videos teilen, die seit Jahren auf seinen Festplatten lagerten. „Und plötzlich explodierte der Account. Täglich kamen Hunderte von Followern hinzu. Das war unglaublich!“, sagt er.

Mahagoni-Salonyacht “Bonito” ist Herzensprojekt

Vor allem ein wiederkehrendes Thema fesselte die Zuschauer und eröffnete einen ganz besonderen Einblick in die goldene Ära des finnischen Yachtbaus: die Geschichte der verloren geglaubten Salonyacht „Bonito“, einer prominenten zwölf Meter langen Mahagoni-Schönheit, die 1921 in der Turkuer Werft gebaut wurde.

Es ist eine dieser Geschichten, die Janis Vater ihm seit Kindheitstagen erzählte und die ihn seither nicht mehr loslässt. Esko Vahto kannte „Bonito“ bereits aus den Siebzigerjahren. Ende der Achtzigerjahre versuchte er erstmals, das Schiff in Jyväskylä zu erwerben. Doch der damalige Besitzer, Pekka Salonen, wollte nicht verkaufen. Einige Jahre später erfuhr Vahto, dass „Bonito“ doch den Eigner gewechselt hatte – und damit begann eine wahre Odyssee. Doch trotz intensiver Suche blieb das Boot jahrelang wie vom Erdboden verschwunden.

Die Wende kam 2008, als eine ältere Dame zufällig eine Halle besuchte, in der die Vahtos einige ihrer Boote lagerten. Beiläufig erwähnte sie, dass ihr Sohn ein altes Holzboot besitze. Das sei allerdings in so schlechtem Zustand, dass es reif für das Mittsommerfeuer sei. Als Esko Vahto die Dame nach dem Namen fragte und „Bonito“ als Antwort erhielt, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Sie war es – die lang gesuchte Yacht war endlich gefunden.

Kulturerbe ”Bonito” wird umfassend restauriert

Bei der ersten Besichtigung in Somero zeigte sich die „Bonito“ in einem beklagenswerten Zustand. Von 112 Spanten waren 92 gebrochen und der Kiel musste komplett erneuert werden. Doch trotz der massiven Schäden war das Boot weitgehend original und ohne Modifikationen am ursprünglichen Design erhalten geblieben. Auch die meisten Beschläge waren noch vorhanden.

Im Frühjahr 2009 transportierten Vater und Sohn die „Bonito“ in ihre Werkstatt nach Turku zur Bestandsaufnahme. Die ergab, dass eine Restaurierung zu umfangreich werden würde, um sie nebenbei durchzuführen. Es bedurfte externer Hilfe. Zum Glück bewilligte die finnische Agentur für Kulturerbe der „Bonito“ 2017 einen Restaurierungszuschuss. Im September desselben Jahres wurde sie in die Werkstatt des Forum Marinum, des offiziellen finnischen Seefahrts- und Marinemuseums im Herzen Turkus, verlegt.

Mit der Unterstützung des Bootsbauers Juha Suorsa wurde das Boot zunächst in seine Einzelteile zerlegt und anschließend wieder zusammengesetzt. Unter anderem musste der Kiel komplett erneuert und ein großer Teil der Mahagoniplanken ausgetauscht werden. Schwierig war dabei vor allem, das richtige Holz für den Kiel zu finden, sagt Esko Vahto. Damit das Projekt weiter voranschreiten konnte, folgten zwei weitere staatliche Zuschüsse.

»Ich denke, dass ein altes Holzboot die beste Zeitmaschine ist, die man sich vorstellen kann.«

Zur gleichen Zeit machte sich Jani Vahto auf Spurensuche bei Voreignern. Denn mehrfach hatte „Bonito“ ihren Besitzer gewechselt. Oft war sie in den Händen wohlhabender Bürger Turkus, darunter der Bruder des ehemaligen finnischen Ministerpräsidenten und der Inhaber einer ortsansässigen Fahrradfabrik. So zog sie stets die Blicke auf sich und wurde selber zur Prominenz.

Jani Vahto unterstützt Projekt mit Social-Media-Tätigkeit finanziell

Vahto begann alle Bilder und Geschichten zu sammeln, derer er habhaft werden konnte. Die Enkeltochter eines Voreigners lud er bereits zum Stapellauf ein. Wenn das Boot fertig ist, sagte sie, würde sie auf dem Dachboden nach dem Tischtuch suchen, in das noch immer der Name des Bootes eingestickt ist. „Solche Momente berühren mich. Es ist, als würde man ein Teil der Familien werden und könnte ein Stück zurückgeben“, sagt Jani Vahto.

Allerdings hat das Projekt auch seine Schattenseiten. Kontinuierlich suchte Jani Vahto nach Mitteln für die Restaurierung, denn das Projekt verschlingt viel Geld. Mittlerweile stecken mehrere Hunderttausend Euro in dem Boot. „Es sind Blut, Schweiß und auch Albträume, die wir in unseren Traum investieren.“ Kredite, die er aufgenommen hat, Fahrten, die er im Voraus verkauft hat, und kleine Kooperationen über seinen Instagram-Account halten das Projekt neben den staatlichen Mitteln am Laufen. „Jeder einzelne Penny geht in das Boot“, sagt er. Doch es geht immer weiter; sogar ein Burn-out, der Jani Vahto zeitweise in die Knie zwang, hielt sie nicht auf.

Nun fehlt nicht mehr viel. Der letzte von etwa elf Lackierungen steht bevor. Leicht angeschliffen, mit milchiger Oberfläche wartet „Bonito“ in der Mitte der kleinen Lagerhalle auf ihre letzte Schicht. Auch die Polster, das Interieur und die Fenster müssen noch montiert werden. Ein Schreiner fertigt gerade die Kombüseneinrichtung. Im Sommer soll es endlich gelingen und „Bonito“ mit etwas Verzögerung zurück ins Wasser gebracht werden. Dann, hofft Vahto, wird seine Präsenz auf Instagram ihm weiterhelfen und die Mühen werden sich auszahlen.

Er plant, seine Reichweite zu nutzen, um für Chartertouren zu werben. Statt von Lackier- und Schleifarbeiten soll dann die in neuem Glanz strahlende „Bonito“ seinen Account schmücken und elegant durch die Gewässer von Turku gleiten. So soll das einstige Renommee des Bootes wieder aufleben. „Ich will, dass die Menschen das Boot wiedererkennen – wie früher!“

Meistgelesen in der Rubrik Special