PorträtDie Glücklichmacher – ein Tag beim Bootsausrüster

Nils Leiterholt

 · 15.12.2024

Der Blick in den Laden lässt die Breite des Sortiments erahnen
Foto: YACHT/Jozef Kubica
Von A wie Anker bis Z wie Zeisinge, das Sortiment von Toplicht ist schier unendlich. Und was nicht da ist, wird vom Bootsausrüster besorgt – egal wie. Einblicke in ein Shopping-Paradies für Segler

Klampen, Klampen und noch mehr Klampen. Alle sind sich ähnlich, dennoch ist keine wie die andere. Sie unterscheiden sich in Material, Größe oder Form. Davor, daneben, darüber und darunter Verkaufstafeln anderer Produkte, so weit das Auge reicht. Die schlichten Holzwände sind wie tapeziert mit unterschiedlichstem Bootszubehör. Chaotisch sieht das Ganze dabei nicht aus. Im Gegenteil. Sichtlich hat alles seinen Platz, und die Produkte in ihrer Präsentationsform wirken wertig. Der ein oder andere Zeitgenosse wird diese Art der Ladengestaltung als altmodisch bezeichnen. Andere werden sie liebens-, ja erhaltenswert finden.

Dazu liegt jener Mix an Gerüchen in der Luft, der vielen Seglern vertraut ist: Diverse Hölzer verströmen ihren Duft, desgleichen das Tauwerk aus Hanf oder Kunststoff, all die Leinen, Garne und Bändsel wie auch die metallischen Beschläge, die Bootslacke, Harze, Öle und Firnisse. Kurz, es riecht ganz wunderbar nach Bootsladen.

Die Heimat von Toplicht

Wir stehen im Verkaufsraum des Hamburger Unternehmens Toplicht im Stadtteil Altona. Vor knapp zehn Jahren sind sie hier in ein neues, auf ihre Bedürfnisse angepasstes Holzgebäude gezogen. An einer Stelle des Ladenlokals stehen ein langer Verkaufstresen und die Kasse. Gleich gegenüber wurde ein kleiner Durchgang gelassen zum Lager. Auch dort findet sich so ein Tresen. Wer als Kunde davorsteht, kann einen Blick auf lange Regalreihen erhaschen. Darin lagert all das, was ein Bootsbesitzer mal dringend benötigt oder sich mal auch nur sehnlichst wünscht. Der Wunscherfüller ist Michael Thönnessen. Er war 1976 Mitbegründer des Museumshafens Altona-Oevelgönne. Schon damals besorgte der heute 75-Jährige, was die Klassikerszene an Ausrüstung und Bootszubehör brauchte. Daraus entwickelte sich ein Geschäft. Heute zählen über 30 Mitarbeiter zur Stammcrew des Unternehmens, das sowohl Privatleute als auch Firmen wie Werften oder Behörden zur Kundschaft zählt.

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Was Toplicht ausmache? „Sicherlich neben unserem vielfältigen Sortiment auch unser Service. Im Zweifel machen wir uns für seltene Artikel, die jemand haben möchte, auf die Suche und nutzen unser großes Netzwerk. Oder wir lassen bestimmte Sachen spezialanfertigen“, erklärt Gesa Thönnessen. Die Geschäftsführerin hat International Management studiert. Danach arbeitete sie, koordinierte zwischenzeitlich den Neubau des Betriebes und war einige Zeit im Ausland. 2017 stieg sie dann in die Geschäftsführung von Toplicht ein, seit 2022 hat sie das Ruder ganz in der Hand.

„Wir sind ein Familienunternehmen. Wenn einer unserer Mitarbeiter seine Kinder mal nicht anderweitig unterbringen kann, weil beispielsweise die Kita-Betreuung ausfällt, bringt er sie halt mit“, sagt Thönnessen, die selber Mutter ist. „So mache ich das ja auch“, fügt sie hinzu und weist schmunzelnd auf eine Ecke ihres Büros. Dort stehen gelbe Spielzeugbagger.

Der besondere Service für die Kunden

Der Verkaufsraum ist die Wirkungsstätte von Cees Bel. Der gebürtige Niederländer ist schon über 20 Jahre bei Toplicht angestellt. „Ich versuche, immer die bestmögliche Lösung für unsere Kunden zu finden“, erklärt der 49-Jährige. Selbst bei Bestellungen über den Internet-Shop würden sie darauf achten, dass die georderten Produkte zueinanderpassen. „Im Zweifel rufen wir die Kunden an, eine Retoure ist ja für beide Seiten lästiger Mehraufwand“, sagt Bel. Beispielsweise komme es ab und an vor, dass jemand nicht aufeinander abgestimmte Farben und Lacke bestelle. „In so einem Fall haken wir nach.“ Beschwert habe sich über einen Anruf noch nie einer. Die Kunden seien häufig zwar verwundert, weil sie solch einen Service von anderen Versandhändlern ja nicht kennen. Am Ende zeigten sich die meisten aber aufgeschlossen und auch dankbar, vor einem Fehler bewahrt worden zu sein.


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An diesem Montagmorgen stapeln sich im Lager auch Versandkartons auf einem Tisch, die weder neutral noch mit dem Firmenlogo von Toplicht versehen sind. Da sieht man Verpackungen anderer Versender wie auch von Weinläden oder Baumärkten. Der Gund: Toplicht bietet seinen Nachbarn an, Kartons statt ins Altpapier zum Bootsausrüster zu bringen, um sie dann wiederzuverwenden.

Daher kann es vorkommen, dass das neueste Zubehör fürs Schiff im Bergfreunde-oder Winzer-Karton geliefert wird.

„Das hat zwar schon den ein oder anderen Kunden veranlasst, anzurufen, um mitzuteilen, dass er gar keinen Liegestuhl für den Garten bestellt habe“, erzählt Gesa Thönnessen. Doch solcherlei Missverständnisse ließen sich schnell aus der Welt schaffen. Das Recyceln ausrangierter Verpackungen brächte einerseits einen gewissen Mehraufwand für die Firma mit sich. „Auf der anderen Seite schonen wir Ressourcen und sparen mitunter auch Kosten“, so Thönnessen. Cees Bel bringt es auf den Punkt: „Das ist eine Win-Win-Situation: Wir geben alten Kartons ein zweites Leben, und die Anwohner sind sie los.“

Der Bootsausrüster, “wie eine Manufaktur“

Zwischen zwei der hohen Regale im Lager, die bis unter die Decke gefüllt sind, wurde ein Streifenvorhang aus durchsichtigem Kunststoff installiert. Durchschreitet man ihn, steigt kurz darauf ein leicht nussiger Geruch in die Nase. Hier werden die hochwertigen Holzblöcke gelagert, die Toplicht vor allem an Freunde exklusiver Klassiker liefert. Bel nimmt einen der Blöcke in die Hand und kann seine eigene Begeisterung kaum verbergen: „Dieser hier kommt aus einem ganz besonderen Betrieb. Schon der Vater des aktuellen Produzenten hat uns seine Blöcke geliefert, sie arbeiten ganz traditionell, wie eine Manufaktur“, schwärmt er. Das hat seinen Preis: Ein Exemplar kostet über 400 Euro.

„Wir haben diesen Teil des Lagers mit Absicht separiert und insbesondere einen Luftbefeuchter installiert. Das soll das hier gelagerte Holz davor bewahren zu reißen“, erklärt Bel. In den anderen Räumen sei die Luft naturgemäß sehr trocken, das Holz könne darin Schaden nehmen.

Bel ist mit seiner Betriebszugehörigkeit von über 20 Jahren bei Weitem nicht der Dienstälteste. Gunter Kersten, der vor allem im Verkauf tätig ist, ist seit 1986 Teil des Teams. Bemerkenswert, da die Geschäftsführerin Gesa Tönnessen erst im Jahr 1987 zur Welt kam.

Die Tür beim Bootsausrüster steht für jede und jeden offen

„Wir sind wirklich familiär geprägt. Wenn unsere Lieferanten aus dem Ausland zu uns kommen, ist es normal, dass sie bei uns zu Hause wohnen. So habe ich das kennengelernt, und so wird es auch heute noch praktiziert“, erzählt Thönnessen. Andersherum sei es ebenfalls üblich, dass sie beim Besuch von Lieferanten bei deren Familien wohne. „Ich mag diese Lockerheit in unserer Branche“, sagt sie.

Toplicht wird insgesamt von rund 250 Ausrüstungsproduzenten beliefert. „Die meisten davon sind langjährige Partner, darunter viele Mittelständler und Familienbetriebe“, so Thönnessen. Sie berichtet, dass ein Lieferant eigens für einen Toplicht-Kunden ein neues Material geschmiedet habe. „Er meinte nur: Gebt mir acht Wochen, dann kann ich den Block fertigen“, erzählt sie.

Auch Firmengründer Michael Thönnessen ist noch im Betrieb aktiv. Vor allem wenn es darum geht, seine Expertise weiterzugeben oder wenn sein Netzwerk gefragt ist. „Ich habe über die Jahre schon so einige Spezialwünsche erfüllt, deshalb unterstütze ich vor allem unseren Einkauf“, sagt er. Es sei eine erfüllende Arbeit, insbesondere wenn nach einer langen Suche schließlich der Wunschartikel des Kunden geliefert werden könne. „Oft fragen mich die jüngeren Kollegen um Rat. Ich habe dann meist noch ein, zwei Ideen, bei welchen Lieferanten sie es versuchen sollten, um einen seltenen Artikel aufzutreiben“, erklärt der Senior.

Ein spezielles Projekt

Als begeisterter Ehrenamtler und ehemaliger Optitrainer hat Thönnessen zudem ein spezielles Projekt, um das er sich kümmert: Da auf der Außenalster – das ist das Hamburger innerstädtische Segelrevier – künftig nur noch elektrobetriebene Begleitboote als Trainer- und Sicherungsschiffe zugelassen werden, loten sie bei Toplicht gerade aus, welche Modelle sich für den Einsatz mit der alternativen Antriebsart am besten eignen. Dafür haben sie sich ausnahmsweise sogar Know-how von außen dazugeholt.

Ansonsten ist man beim Bootsausrüster intern bestens aufgestellt: In Jochen Gnass haben sie zum Beispiel einen Takel- und Riggexperten in ihren Reihen, des Weiteren einige Bootsbauer. Sogar der in seinem Format und Design unverwechselbare Katalog mit dem braunen Cover wird, bis auf das Drucken, inhouse produziert. Die letzte Ausgabe umfasste knapp 500 Seiten.

„Das ist natürlich ein gehöriger Aufwand“, sagt Gesa Thönnessen. Aber im November und Dezember sei Zeit dafür, da im Herbst das Bestellaufkommen in der Regel nicht so hoch sei wie in den anderen Monaten. Im Frühjahr etwa wäre eine Katalogproduktion undenkbar, das sei die stressigste Zeit im Laden und im Versand. „Zum Saisonbeginn helfen sogar unsere Mitarbeiter aus dem Büro im Lager aus, um die ganzen Bestellungen abzuwickeln“, so Thönnessen. Und Cees Bel ergänzt : „Das Lager gleicht dann einem Ameisenhaufen, überall sind Leute unterwegs.“

Neues Jahr, neue Regeln

Ab dem neuen Jahr gibt es strengere Regeln für den Verkauf von biozidhaltigen Antifoulings. Auch für Toplicht ist dies eine neue Herausforderung. Bel sagt aber: „Im Laden wird das weniger ein Problem, da informieren wir den Kunden sowieso über die Anwendung der Produkte und die damit einhergehenden Risiken. Im Online-Shop sieht das allerdings anders aus.“

„Bald muss uns wohl jeder Kunde anrufen, der eine Dose biozidhaltiges Antifouling bestellen möchte, damit das vorgeschriebene Abgabegespräch dann am Telefon stattfindet“, erläutert die Chefin. Einige Mitarbeiter würden bereits geschult. Herausforderungen wie diese sieht Gesa Thönnessen dennoch sportlich. Sie sagt : „Es macht mir Spaß, das Unternehmen gut aufzustellen – und fit für die Zukunft zu machen.


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