Philipp Mühlenhardt: Das Ausmaß des Schadensbildes, das sich uns am Samstag im Morgengrauen geboten hat, war schon erschütternd, wenngleich ich aber eben auch feststellen durfte, dass wir auch Glück im Unglück hatten: Unsere Schwimmstege im Nord-Hafen waren noch an Ort und Stelle und, was noch viel wichtiger ist: Es ist niemand zu Schaden gekommen, obwohl einige Bootseigner tatsächlich die Nacht auf dem Boot verbracht haben.
Am Morgen hatten wir alle verfügbaren Mitarbeiter auch aus unseren anderen Häfen vor Ort und haben nach einer kurzen Lagebesprechung mit einer Sichtung der Schäden und gesunkenen Schiffe begonnen. Uns kam dabei übrigens zugute, dass ich persönlich bereits am späten Freitagabend, eine Vorahnung habend, Holger Flindt von Pantaenius in Hamburg angerufen und um die Entsendung eines Bergungsteams gebeten habe.
Tatsächlich ist das Erklärungsmuster für diese Katastrophe und die zahlreichen Havarien einigermaßen komplex. Einige Schiffe waren teilweise falsch und mitunter mit völlig unterdimensionierten oder zu wenig Festmachern angebunden. Das Losreißen einiger dieser Schiffe hat dann einen Dominoeffekt ausgelöst und andere mitgerissen. Losgerissene Boote haben im Süd-Hafen Steganlagen zerstört, von denen sich wiederum Schiffe gelöst und Nachbarschiffe beschädigt haben.
Die Gewalt, mit der die Kräfte gewirkt haben, hat an einigen Stellen auch zum Bruch von Heckpfählen geführt und gelegentlich Klampen mit einem kompletten Betonblock aus den Schwimmstegen gerissen.
Hinzu kam dabei auch, dass wegen des recht warmen Septembers noch sehr viele Schiffe im Wasser waren.
Unterm Strich muss man aber auch einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Natur mit einer Gewalt am Werk war, der man letztlich nur wenig entgegensetzen konnte. Der Wasserstand hat dazu geführt, dass die Wellen nahezu ungebremst durchs Hafenbecken gelaufen sind und Boote bis auf das Hafenvorfeld gespült wurden.
Schwer zu sagen. Selbst wenn wir bereits am Donnerstag eine Prognose über den letztlich eingetretenen Wasserstand und den Wind erhalten hätten, wäre die Katastrophe vermutlich kaum noch zu verhindern gewesen.
Mit dem Wissen von heute würde man vermutlich eine höhere Steinmole, längere Heck- und Haltepfähle sowie Schwimmsteganlagen im Südhafen gebaut haben. Sicherlich eine zentrale Aufgabe für die vermutlich leider nahe Zukunft.
Für eine endgültige und abschließende Bewertung ist es jedoch noch etwas zu früh. Wir können aber jetzt schon zusichern, dass wir alle erdenklichen Maßnahmen prüfen und diskutieren werden.
Wir haben auf unserer Homepage bereits sehr frühzeitig auf die Gefahr hingewiesen. Die Tatsache, dass sich der Vorlauf zum Sturm aber bereits in der Wochenmitte abgespielt hat, ließ natürlich vielen berufstätigen Bootseignern gar nicht mehr die Möglichkeit, ihre Boote in den Nord-Hafen an die Schwimmstege zu verholen. Bereits ab Donnerstag musste man jedem Bootseigner davon abraten, bei großem Seegang und viel Wind aus Ost die Überführung dicht an der Steinmole vorbei zu wagen. Im Übrigen möchte ich noch mal in Erinnerung rufen, dass das jeweils die Aufgabe der Bootsbesitzer ist, ein Umstand, auf den auch die YACHT regelmäßig immer wieder hinweist. Warum die Eigner ihre Boote im Einzelfall nicht verholt haben, entzieht sich aber unserer Kenntnis.
Wir haben bis zum wetterbedingten Einstellen des Kranens am Donnerstag durchgehend und voll ausgelastet gekrant; am Mittwoch sogar verlängert bis in die Abendstunden. Alle unsere Kunden dürfen dabei von uns sichere Kranungen und sorgsames Aufpallen auf Trailer oder Bock erwarten. Unsere Mitarbeiter sind dazu gut ausgebildet und verrichten ihre Arbeit seit Jahren ohne Schäden oder Unfälle. Und jedem Boot wird ein angemessenes Zeitfenster eingeräumt. Dass es dann irgendwann mal dunkel wird und unsere Mitarbeiter nach einem anstrengenden Arbeitstag einen Anspruch auf Ruhe haben, dürfte sich jedem erschließen.
Jeder Bootseigner hätte ja die Möglichkeit gehabt, sein Boot frühzeitig aus dem Wasser zu holen. Herbst und schlechtes Wetter kommen ja nicht völlig überraschend. Wenn nun Bootseigner sogenannte Notkranungen ins Feld führen und uns Dienst nach Vorschrift unterstellen, dann ist das der verzweifelte Versuch, einen Schuldigen zu suchen und die Verantwortung für Schäden oder auch unversicherte Boote auf andere abzuschieben.
Und die, die bemängeln, dass ihr Boot nicht mal eben spontan gekrant wurde, hätten erwartet, dass ihnen der Vorzug gegeben wird vor terminierten Kranungen, die bereits am Wochenende vorher wetterbedingt verschoben werden mussten.
Während wir am Mittwoch unsere Kranzeiten in den Abendstunden bereits verlängert hatten, war das Kranen schon am Donnerstag wetterbedingt unmöglich. Ab Freitagfrüh waren unsere Mitarbeiter dann vollständig mit der Kontrolle von Festmachern und dem Sichern von Booten beschäftigt und haben teilweise unter Gefährdung ihrer Gesundheit versucht „strategisch wichtige Boote“ zu sichern, um ein Abtreiben und damit Schäden an weiteren Booten zu verhindern. Meine am Freitagmittag an meine Mitarbeiter gerichtete Bitte, mit meiner Unterstützung eine Nachtschicht auf die Beine zu stellen, um die gesamte Nacht handlungsfähig zu sein, wurde sofort umgesetzt. Letztlich haben wir das dann zwar um 21.30 Uhr wegen akuter Gefährdung der Mitarbeiter wieder eingestellt, aber die Bereitschaft dazu war sofort da. Zu suggerieren, die Sporthafen GmbH hätte mit einem schnellen rechtzeitigen Rauskranen aller Boote den Schaden vermeiden können, ist, mit Verlaub, bemerkenswert.
Offensichtlich sind nicht nur wir, sondern auch die Experten von der Heftigkeit und Intensität überrascht worden. Wir hatten den gesamten Abend den Pegel als Livebild auf dem Monitor geöffnet und gehofft, dass die Kurve endlich irgendwann nach „rechts“ abbiegen würde. Dass es dann am Ende noch mal rund 40 bis 50 Zentimeter mehr geworden sind und auch die Windstärke mit teilweise 70 Knoten das vorhergesagte Maß deutlich überschritten hat, war tatsächlich so nicht erwartet worden. Das Schadensbild von Kiel-Leuchtturm spricht dann auch für sich – hier wurden Stahltüren von Wellen eingedrückt.
Tatsächlich haben wir vor einigen Jahren mal als Praxispartner in einem von der EU finanzierten Projekt zusammen mit der Bundesanstalt für Wasserbau – BAW – an genau so einem Tool namens RiscKIT gearbeitet. Mit dem Wissen von heute stellt sich nicht nur die Frage, warum das Projekt seinerzeit nicht in konkrete praktische Maßnahmen überführt wurde, sondern auch, ob der Faden jetzt nicht neu aufgenommen werden muss, um zumindest ein Frühwarnsystem zu etablieren, das Betroffenen, ganz gleich ob Bootseigner oder Küstenbewohner, etwas mehr Reaktionszeit verschafft.
Ich möchte unsere Erkenntnisse in drei Bereichen etwas detaillierter anschauen: Änderungen beziehungsweise Anpassungen in unserer Infrastruktur, was kann auf Seite der Bootseigner getan werden, und an welchen Stellen können wir die Kommunikation verbessern, das heißt, wie können wir Bootseigner gezielter und direkter zeitnah erreichen.
Die Geschwindigkeit, mit der wir gegenwärtig vorankommen, macht mir Mut. Wir planen, den Hafen Mitte November vollständig geräumt zu haben, sodass wir den freien Blick auf alle Schäden haben werden. Die Reparaturarbeiten werden wir dann zeitnah aufnehmen, und ich bin optimistisch, dass wir zumindest die Liegeplätze zur nächsten Saison alle wieder verfügbar haben. Ich würde aber nicht ausschließen, dass es dann noch ein paar Einschränkungen im Hafen gibt, zum Beispiel bei der Strom- und Wasserversorgung.
Wenn wir aber in der Saison 2024 wieder am Start sind, dann ist das auch dem unglaublichen Engagement derer zu verdanken, die uns auf dem Weg dahin unterstützt haben und unterstützen werden. Allein hätten wir das nicht geschafft!