Not-StoppWie ich die Kraft der Natur kennen lernte

Torsten Moench

 · 18.12.2024

Not-Stopp: Wie ich die Kraft der Natur kennen lernteFoto: Lars Bolle/KI
Auch Motorboot-Kapitäne segeln mitunter. Ein ungewohntes Handicap stellt dann der Mast dar, wie BOOTE-Chefredakteur Torsten Moench erfahren musste.

In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.



Wenn Mobo-Fahrer segeln lernen

Dürfen „Mobo-Piloten“ hier eigentlich ´ne „Seglerbeichte“ ablegen ? Nun. Ginge es nach mir, wäre mir – und damit Euch – der folgende Text erspart geblieben. Aber meine Lieblingskollegen aus der Stangenboot-Fraktion wollten es ja nicht anders. Ich beichte…

Ja, auch Motorbootfahrer segeln. Vielleicht nicht ganz so leidenschaftlich und sicher nicht ganz so perfekt wie unsere „betuchten“ Kollegen, aber wer - wie ich - über seinen Vater zum Wassersport kommt, kann sich das schwimmende Vehikel nun mal in der Regel nicht aussuchen. So begab es sich, dass ich meine ersten „See-Erfahrungen“ als kleiner Butscher in der modrig duftenden Kajüte eines 15er-Jollenkreuzers machen durfte – großartig. Danke dafür! Und damit nicht genug. Statt auf einem wohlbekannten und fein betonnten See in Heimatnähe mit Frittenbude, Badestrand und Eisverkäufer am Steg, ging es zum Segeln - der Familientradition folgend – in die „alte Heimat“ auf die masurischen Seen.

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Das Kind lernt Überleben

Was uns heute als „Natur pur“ verkauft wird, war damals – wir reden vom Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts – pures Survival-Training, zumindest in den Augen eines damals Achtjährigen. Weder Orts- noch Sprachkenntnisse, keine Karten und der Auftrag meines Vaters, das 6,5-Meter-Boot heile über die Eylauer Seenplatte nach Deutsch Eylau, polnisch Ilawa, zu bringen. Die sackschwere Feststoffschwimmweste übergestülpt, ein freundlicher Ablege-Schupps seewärts und ab ging die wilde Fahrt. Immerhin rund zehn Seemeilen solo bei wild fauchenden 3 bis 4 Beaufort. Die Fock blieb verpackt, das 11-Quadratmeter-Groß musste reichen. Für mich damals der Startschuss zu einer gefühlten Atlantik-Überquerung.

Womit man als norddeutscher Jungsegler jedoch nicht rechnet ist, dass man den stark bewaldeten Ufern der ostpreußischen Seenplatte nicht zu Nahe kommen sollte.

Das Unheil kommt von oben

Galt meine Sorge mehr dem Tiefgang und damit dem Schwert, welches ich ja im Ernstfall hätte aufholen können, lag die tatsächliche Gefahr mehr auf Baumwipfelhöhe. So kam es, dass ich nach einigen Meilen knapp um eine Inselspitze schnippelte – Rasmus meinte es gut mit mir - und die gefühlte Brassfahrt jäh mit einer Vollbremsung endete.

Der Masttop hatte sich in rund acht Metern Höhe in den träge dahinwogenden Ästen einer gigantischen Trauerweide verfangen. Und wer diese Baumart kennt weiß, wie ausladend und elastisch Weidenzweige sein können. Alles Zetern, alles Zerren nützte nichts. Die hölzerne Schlorre hing fest. Weit und breit kein Mensch und schon gar keiner, der meine Sprache hätte verstehen können.

Befreiung zu Fuß

Einen Vorteil hatte die Ufernähe jedoch: Bei 80Zentimetern Wassertiefe traute selbst ich mich über Bord zu gehen und zu versuchen meine „Yacht“ – da ist es wieder dieses Wort – aus den Fängen der botanischen, und damals zudem noch kommunistischen, Urgewalt zu befreien.

Um es kurz zu machen: Mit einigen Anstrengungen, begleitet von Kraftausdrücken, aufgescheuerten Oberschenkeln und verbliebenen Weidenzweigen im Topp gelang es mir, das Boot klar zu bekommen, mich wieder hinein zu hieven und meine Abenteuerreise, mit gehörigem Uferabstand, fortzusetzen.

Das Ungemach am Ende

Doch kaum war der Zielhafen in Sicht, kündigte sich das nächste Ungemach an. Die zunächst von mir nicht weiter beachteten Weidenzweige im Masttopp blockierten das Großfall, so dass ich unter Vollzeug in den Hafen einfuhr. Für den rettenden Aufschießer reichte der Platz nicht und für die folgende Vollbremsung sorgte der Holzsteg.

Und was bleibt ? Nun, auch heute noch schaue ich – selbst wenn ich mit dem Motorboot unterwegs bin - stets skeptisch auf jeden Brückenpegel und die sich daraus ergebende Durchfahrtshöhe. Gelernt ist gelernt.



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