In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.
Tests von Sicherheitsausrüstung sind eine haarige Angelegenheit. Zum einen will man die Gerätschaften so praxisnah wie möglich ausprobieren, andererseits soll dabei niemand zu Schaden kommen und natürlich auch kein Fehlalarm oder gar echter Seenotfall ausgelöst werden.
Doch wie will man Notfallsender testen, ohne einen Alarm auszulösen? Sie vom Hersteller so modifizieren lassen, dass sie ein Test - statt Notsignal senden, kommt nicht in Frage, schließlich sollen Seriengeräte geprüft werden. Nach einigen Gesprächen mit dem MRCC in Bremen steht der Plan: Wir übermitteln den Seenotrettern im Voraus die Seriennummern und MMSI der Sender und bleiben in einem abgesteckten Korridor. Zudem melden wir Beginn und Ende des Tests bei der Leitstelle an. So weit, so gut.
Die Geräte wurden geordert und die Seriennummern übermittelt und ein Testtag festgelegt. Ein Schiff samt Beiboot und Crew besorgt, der Fotograf gebrieft. Für den Praxistest sollen die Sender an einer Rettungsweste montiert und ausgelöst werden. Anschließend wird das Ganze per Beiboot von der ankernden Yacht weggeschleppt und so gecheckt, wann die Funkverbindung abreißt. Doch schon nach kurzer Zeit meldete sich die Seenotleitstelle per Telefon. Der Wachhabenden fragte freundlich, wie lange wir denn noch bräuchten. Ich erklärte ihm ebenso freundlich, dass wir uns ja eben erst angemeldet hätten und sicher noch bis zum Nachmittag mit den Sendern arbeiten würden.
Die nächsten Stunden liefen nach Plan, ein AIS-MOB nach dem anderen wurde aktiviert und vermessen, dann klingelte erneut das Telefon. Es stellte sich heraus, dass die Notfallsender zwar nicht offizieller Teil der Rettungskette sind, aber trotzdem bei jeder Aktivierung ein Alarm in der Leitstelle auflief, allerdings nicht nur in der deutschen. Auch die dänischen Seenotretter hatten alle Hände voll zu tun. Sie waren zwar über den Test im Bilde und hatten die Liste mit den betroffenen MMSIs, mussten aber jeden Alarm händisch quittieren und hatten die stundenlange Dauerbeschallung langsam satt. Ihre Software konnte nicht zwischen Testbetrieb und Notfall unterscheiden. Daher riefen die Dänen nach jedem Alarm bei ihren Kollegen in Bremen an, die dann bei uns nachfragten. Doch es sollte noch besser kommen.
Die Erleichterung des Wachhabenden Seenotretters war quasi durchs Telefon greifbar, als ich am späten Nachmittag unseren letzten Sender abgemeldet und den Test für beendet erklärt hatte. Da wir auch die Sichtbarkeit der Signalleuchten prüfen wollten, war die Sonne längst untergegangen, als wir nach einem langen Tag auf See zurück am Liegeplatz waren. Dem entsprechend wurde das Frühstück für den nächsten Morgen eine halbe Stunde später angesetzt und das Material nur notdürftig aufgeklart, bevor wir müde in die Koje fielen.
Dank strahlenden Sonnenscheins wurde das Frühstück im Cockpit eingenommen, wie es schien mit Hafenkino. Ein Patrouillenboot der Küstenwache hielt auf den Hafen zu, stoppte auf und setzte ein stark motorisiertes Beiboot ab. Die Beamten steuerten zielsicher unsere Boxengasse an, passierten unser Heck und fuhren danach alle anderen Gassen ab. Nachdem das Rib eine Runde durch den Hafen gedreht hatte, jumpte einer der Crew an Land und lief ins Hafenmeisterbüro. Kurz darauf kam er zurück, die Beamten drehten eine weitere Runde durch den Hafen, grüßten uns freundlich und machten sich auf den Rückweg zum Mutterschiff, das sie aufnahm und abdampfte.
Was war denn das? Haben die beim Hafenmeister nach dem Weg gefragt? Für Aufklärung sorgte Minuten später der Hafenmeister. Er stand feixend am Bug und fragte:
Seid ihr nicht mit Seenotsendern zugange? Da müsst ihr wohl mal den Ausschalter suchen.”
Die Küstenwache hatte einen sporadischen AIS-MOB-Alarm aufgefangen, kurz vor Erreichen des Hafens war das Signal allerdings endgültig vom Bildschirm verschwunden, so dass sie keine Position mehr hatten. Daher die Kontrollfahrt und die Nachfrage beim Hafenmeister.
“Kann nicht von uns sein, wir haben alle Sender ausgemacht und bei der Leistelle abgemeldet”, entgegnete ich überzeugt. Doch kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, begann ein gewisses Unbehagen in mir aufzusteigen. Schließlich war es gestern schon verdammt spät gewesen und die Kiste mit den Sendern hatte ich selbst etwas unmotiviert unter die Salonkoje gepfeffert. Sollte sich dabei etwa ein Gerät aktiviert haben?
Aber wieso kam der Alarm erst jetzt und warum war er dann nur bei der Küstenwache aufgeschlagen? Dass die Seenotretter meine Telefonnummer hatten, stand nach dem gestrigen Tag außer Frage. Also machte ich mich auf den Weg in den Salon, kramte die Kiste hervor und inspizierte unsere MOB-Sender. Tatsächlich fehlte bei einem Gerät der Magnetschalter zur automatischen Aktivierung an der Rettungsweste. Aber der Sender war manuell deaktiviert. Erleichterung machte sich breit. Der Alarm kam also wirklich nicht von uns.
Plötzlich blitze es im Augenwinkel auf. Es war die Signalleuchte eines der anderen AIS-MOBs. Aber auch dieser war deaktiviert, hatte ich mich getäuscht? Eher nicht, denn jetzt meldete auch der inzwischen angeschaltete, bordeigene Plotter den Empfang eines AIS-MOB-Signals. Hektisch befingerte ich den Sender, der Schalter stand eindeutig auf aus, trotzdem war das Gerät aktiv. Die Batterie ließ sich nicht entnehmen, also wie bitte sollte man den Sender zum Schweigen bringen?
Vor meinem inneren Auge sah ich schon die Besatzung des Patrouillenboots ins Beiboot springen. Das brachte mich auf eine Idee: Das Ding muss unter Wasser! Dumm nur, das die Geräte schwimmen. Erstmal auf die Badeplattform und die Antenne eintauchen, damit dürfte sich die Reichweite erledigt haben. Während ich am Heck kauerte, bastelte ein Kollege ein kleines Ankergeschirr: Mit einer Winschkurbel als Ballast und einem langen Bändsel versenkten wir den Sender schließlich hinter dem Heck. Die Anleitung versprach eine Batterielaufzeit von rund 24 Stunden, daher schleppten wir den Sender sicherheitshalber den Tag über nach.
Warum der AIS-MOB trotz manueller Deaktivierung sporadisch auf Sendung ging, ließ sich nicht abschließen klären. Nachdem wir ihn auf Tauchstation geschickt hatten, war er voll Wasser, ob die Leckage schon zuvor vorhanden war, ließ sich auch beim Hersteller nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Dass nur die Küstenwache unseren Alarm empfangen hatte, lag an der Lagerung unter der Salonkoje, derart weit unten im Boot hatte er schlicht kaum noch Reichweite.