In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.
Und allwöchentlich ruft die Klubwettfahrt. Dass das regelmäßige Matchen mit den Vereinskameraden weitaus weniger langweilig ist, als es klingen mag, weiß jeder, der Mittwochsregatten in angemessen großen Feldern bestritten hat. Zeit eine Lanze, oder besser einen Spibaum zu brechen für das legere Regattieren zur Wochenmitte. Ein Hoch auf die Mittwochsregatta! Ein Großteil der Arbeitswoche liegt im Kielwasser, das Wochenende ist in Sichtweite – Grund genug für ein gemeinschaftliches Windfest auf und abseits des Wassers. Für die Dickschiff-Crews bot das stete Zusammenkommen zudem eine Möglichkeit, Manöverabläufe für Wettfahrten außerhalb des Vereinskosmos oder auf der Ostsee einzustudieren.
Schauplatz ist ein alteingesessener Berliner Verein. Ich verließ, wenn auch nur temporär, meine Klubheimat an der Unterhavel und wechselte vom Stößen- an den Wannsee. In zweierlei Hinsicht betrat ich eine andere Welt: mehr Raum auf dem Wasser, größere Felder und von Booten zu Yachten, wenn man so will. An den Start gingen auf Leichtwind getrimmte Binnenracer wie ein knapp zwölf Meter langer One-Off von Georg Nissen, schnelle Fahrtenformate wie etwa eine Finngulf 33, verschiedenste Sportboote und einige Xen. Wir segelten eine nahezu werftneue X-99 per Känguru- oder Kollektivstart über die Linie. Die wöchentlichen Wechsel des Startmodus garantierten gelegentliche Spannung bei der Preisverleihung.
Es war ein Sommerabend mit schwacher Brise und wir nur zu dritt an Bord der 99: Eigner und Pensionär an der Pinne, mein Kumpel und ich überall, beide zwischen Jugendlich- und Volljährigkeit. Mit Spifahren hatten wir gut zu tun, bespielten Shiva-gleich Klavier, Winschen und das Vorschiff. Alles lief glatt, wie es manchmal so bei Skeleton Crews ist, die sich im Flow befinden und scheinbar Unmögliches möglich machen. Beschwingt vom guten Ergebnis, das ich im Detail nicht erinnere, und vom vorzüglichen Berliner Wetter, entledigten wir, die zweiköpfige Crew, uns unserer T-Shirts kurz vor dem Einlaufen in den Hafen. Die Stimmung war ausgelassen, obligatorisches Abklatschen und Gut-gemacht-Gebrüll inklusive. Das Klarieren geschah im Nu, und selbst das sonst so nervige Zusammenlegen der Folien-Genua ging leicht von der Hand. Auch den Steg betraten wir im halben Adamskostüm, sonnten uns eine Weile im Erfolg und legten unsere Textilien spätestens zur Preisverleihung auf der Terrasse an.
Während einer Mittwochsregatta einige Wochen später kam uns zu Ohren, dass unser freizügiger Ausdruck der Freude nicht unbeobachtet geblieben war. Widerhall von offizieller Stelle folgte auf dem Fuße, ein Blick auf das Schwarze Brett brachte Gewissheit. Unser Verhalten war Thema auf der Vorstandssitzung gewesen. Im Protokoll war zu lesen, dass auch im Hafen und auf den Steganlagen unbedingt Textilien zu tragen seien. Wir erschraken kurz, nahmen es aber locker und ließen uns den Spaß nicht nehmen. Jedenfalls wurden wir nicht disqualifiziert.
Nun gilt es zu erwähnen, dass das mittwöchentliche Regattieren in eben jenem Yachtclub keine überaus preußisch-steife Veranstaltung war. Nach teils verbissener Segelei ging es stets gesellig zu im Klubhaus, ganz ohne Doppelreiher mit goldenen Knöpfen. Es gab spontane Kuddel-Daddeldu-Einlagen, reichlich Klönschnack, und die ewigen Yardstick-Diskussionen. Natürlich wurden auch Pläne für Teilnahmen an Küstenregatten geschmiedet. Auch wenn es die wöchentlichen Teilnehmerlisten nicht unbedingt widerspiegelten, so frönten wir dem Segelsport doch auf einem Binnenrevier. Und das unter der Woche mit bis zu 30 Booten! Die große Freiheit genossen wir dann in den Sommermonaten auf der Ostsee. Mit freiem Oberkörper.