Mini Globe RaceChristian Sauer vor der letzten Etappe

Fabian Boerger

 · 23.12.2025

Insgesamt elf Boote sind noch im Rennen. An der Spitze steht weiterhin der Schweizer Renaud Stitelmann. Christian Sauer liegt auf Platz 6.
Foto: JJ / MGR2025
Auf Platz sechs geht Christian Sauer in die letzte Etappe des Mini Globe Race, die ihn von Kapstadt nach Antigua führt. Der deutsche Skipper erzählt im YACHT-Interview von außergewöhnlichen Begegnungen – und warum ihn der finale Abschnitt mit gemischten Gefühlen erfüllt.

Vor einem Jahr stand Christian Sauer in Lagos, Portugal, vor einem unfertigen Boot. Er hatte noch nie solo gesegelt, noch nie einen Ozean überquert, noch nie eine Windsteueranlage bedient. Heute liegt er in Kapstadt auf Platz sechs des Mini Globe Race – mit 21.000 Seemeilen im Kielwasser seines selbstgebauten Class Globe 580 “Argo”. Vor dem Start zur vierten und letzten Etappe des Rennens haben wir mit ihm das letzte Jahr Revue passieren lassen und auf das geblickt, was kommt.

​YACHT: Christian, hättest du vor einem Jahr gedacht, dass du heute in Kapstadt sein würdest?

​Christian Sauer: Gehofft habe ich es, geglaubt nicht. Der Anfang war knapp und die stressigste Zeit. Dank Unterstützung habe ich es zur Startlinie geschafft und bin losgesegelt. Klar hätte ich in Lanzarote von Bord gehen können. Aber es funktionierte – also weiter über den Atlantik und von dort aus immer weiter. Schritt für Schritt habe ich dazugelernt, seglerisch höhere Ziele erreicht. Das Schwierigste aber war die erste Etappe von Lagos nach Lanzarote.

Warst du je an dem Punkt, an dem das Projekt Bootsbau abgeschlossen war?

​Nein, ich baue schließlich noch immer daran. Das geht wohl den meisten Seglern so – irgendwas gibt es immer zu tun. Wichtig ist, es auch mal gut sein zu lassen und den Ort zu genießen, an dem man gerade ist.

​Rückblick aufs letzte Jahr: Was lief gut, was nicht?

​Das ist schwierig zu sagen. Aufs Boot bezogen kann ich sagen: Im Großen und Ganzen passt das. Ich fühle mich sicher und ich habe bisher keine Situation erlebt, die das Boot nicht geschafft hätte. Es gab eine Situation auf dem Atlantik, in der ich ein Knacken nicht zuordnen konnte, aber mit den Seemeilen wächst auch das Vertrauen – von daher passte es.

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​Gibt es auch Dinge, die du anders machen würdest?

​Ja, allerdings müsste man die mit dem Konstrukteur und der Klassenvereinigung abklären. Ich würde zum Beispiel die Kojen anders bauen, ebenso Kartentisch und Pantry. Was sich gut bewährt hat, ist die Geometrie meines Niedergangs – er ist flacher als bei anderen Booten. Ich würde ihn gerne 20 Zentimeter nach vorne verschieben, damit ich im Cockpit etwas mehr Platz habe.

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​Beim Bau der “Argo” hast du hohen Wert auf Sicherheit gelegt und zum Beispiel Verstärkungen über den Bauplan hinaus ergänzt. War das im Rückblick richtig?

​Für mich persönlich war das die richtige Entscheidung, weil ich mich dadurch sicher fühle. Klar, die “Argo” wiegt ohne Einbauten 600 Kilo. Ich kenne ein Boot in der Flotte mit 470 Kilo – das sind 130 Kilo weniger, fast zehn Prozent beim Gesamtgewicht. Aus Regattasicht ist das enorm viel.

​Trotzdem kann ich mit der Argo schnell segeln. Das hat sich vor allem auf der letzten Etappe nach Kapstadt gezeigt. Aber nach wie vor ist mein oberstes Ziel ein anderes: sicher in Antigua anzukommen und mein selbstgebautes Boot heimzusegeln. Eine gute Position ist schön, aber zweitrangig.

Aktuell liegst du auf Platz sechs und hältst dich stabil im Mittelfeld. Wie bewertest du die Rangliste – und ist da noch was zu holen?

​Die Vorderen sind mittlerweile weit voraus. Das hat sich vor allem zwischen Christmas Island und Cocos Keeling entwickelt – sie haben das richtige Hoch erwischt, während wir drei Tage gegenankreuzen mussten. Das hat eine große Lücke gerissen.

Das Ranking beim Mini Globe Race nach Etappe 3:

Quelle: MiniGlobeRace.comQuelle: MiniGlobeRace.com

​An der Spitze segeln erfahrene Regattasegler wie Renaud Stitelmann. Den größten Respekt habe ich vor Dan Turner – er fährt da vorne mit und hat sein Boot selbst gebaut. Adam Waugh liegt direkt vor mir, hat sein Boot ebenfalls selbst gebaut. Es wäre schön, ihn noch zu erreichen – dann wären wir auf Platz fünf und sechs die Ersten ohne große Regatta-Erfahrung.

​Wo siehst du seglerisch noch Potenzial?

​Ich könnte mich mit Sicherheit mehr aufs Regattasegeln konzentrieren. Ich habe das Gefühl, dass die “Argo” noch mehr kann – wenn man wach bleibt.

​Wie meinst du das?

​Mir fällt der 24-Stunden-Wachrhythmus schwer. Irgendwann holt sich der Körper den Schlaf – aber wegen der endlosen Bewegung im Boot und meiner Schulterschmerzen ist der nicht besonders erholsam. Das macht es schwierig, vor allem in Landnähe. Man sieht es manchmal an meinen Kursen, wenn ich wieder einen Alarm verschlafen habe. Für die Regatta-Performance wäre da sicher mehr zu holen.

​Jetzt liegt nur noch die vierte Etappe vor dir. Wie stehst du davor?

​Ich habe gemischte Gefühle – es ist die letzte Etappe, und eigentlich will ich nicht, dass es vorbei ist. Andere verkaufen ihre Boote bereits, ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, mit der “Argo” weiterzusegeln, vielleicht weitere Regatten im Atlantik. Den Südatlantik selbst kenne ich noch nicht, kann ihn also nicht beurteilen. Den Nordatlantik auf der Passatroute fand ich im Vergleich zum Indischen Ozean deutlich angenehmer.

​Was war so problematisch am Indischen Ozean?

​Ich habe im Indischen Ozean ein wahnsinnig chaotisches Wellenbild erlebt. Die meiste Zeit hatten wir Wellen aus unterschiedlichen Richtungen. Das hat es zum Beispiel der Windsteueranlage schwer gemacht. Wirklich gemütlich war das nicht – wobei, auf einem Globe 580 ist es ohnehin nicht gemütlich. Die Bewegungen sind viel zu extrem. Hinzu kommen starke Strömungen und hohe Wellen.

​Da muss man dem Veranstalter ein Kompliment machen: Auf der Strecke zwischen Durban und Kapstadt hatten wir 16 Tage Stopover-Zeit, die wir flexibel nutzen konnten, um gute Windbedingungen abzuwarten. Das Konzept hat super funktioniert und mir eine sichere Passage nach Kapstadt ermöglicht. Nun kommt der Südatlantik. Die Leute, die hier segeln, sagen: Ab hier geht’s nur noch bergab.

​Seit zweieinhalb Wochen bist du in Kapstadt. Warum ist das ein besonderer Stopover für dich?

​Alle großen Regatten kommen hier vorbei. Dazu kommt: Auch mein Vater hat auf seiner Weltumsegelung diesen Hafen angelaufen. Das macht es für mich besonders.

​Zudem bist du hier auf einige Größen des Segelns gestoßen, zum Beispiel Tony Kolb oder Kirsten Neuschäfer. Wie kam es dazu?

​Tony Kolb habe ich über einen Freund kennengelernt. Das war großartig.

In Kapstadt trifft Christian Sauer auf Profisegler Tony Kolb, der sich beim Volvo Ocean Race und Americas Cup einen Namen gemacht hat.Foto: Christian SauerIn Kapstadt trifft Christian Sauer auf Profisegler Tony Kolb, der sich beim Volvo Ocean Race und Americas Cup einen Namen gemacht hat.

​Worüber spricht man so von Weltumsegler zu Weltumsegler?

​Die Geschichten zu hören, in Erinnerungen zu schwelgen – das war spannend. Das Wort „verrückt" fiel mehrfach, in beide Richtungen: mit so einem kleinen Boot um die Welt zu segeln oder mit einem extremen Aluminium-Racer. Das war eine gute Mischung.

​Wie kam es zu deiner Begegnung mit Kirsten Neuschäfer?

​Das war schön, sie wiederzutreffen. Wir haben uns vor anderthalb Jahren bereits das erste Mal am Bodensee getroffen. Nach einem ihrer Vorträge konnte ich ein paar Worte mit ihr wechseln. Als ich schließlich in Kapstadt war, fiel mir auf, dass die “Minnehaha” im Hafen lag. Ich ging vorbei und die Luke stand offen – und tatsächlich war sie an Bord. Sehr spannend, sie wiederzusehen.

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​Am Sonntag, 28. Dezember, startet die nächste Etappe. Was steht dir bis dahin noch bevor?

​Es gibt noch einiges zu tun. Ich warte auf neue Segel. Außerdem soll die “Argo” noch aus dem Wasser, damit ich das Antifouling reparieren kann. Das flüssige Reparaturmittel für die Silikonfolie ist aus Deutschland angekommen. Ansonsten stehen noch ein paar Kleinigkeiten an.

​Die Meldeliste für das Mini Globe Race 2029 ist seit Kurzem online. Würdest du es mit deinen Erfahrungen aus diesem Jahr wieder machen?

​Vom Segeln her gerne. Die Stopover-Zeiten sind allerdings zu kurz – ich brauche zu viel Zeit für Reparaturen und sehe zu wenig von den Orten. Was ich weiß: Es wird eine weitere Weltumsegelung geben. Aber dann vielleicht mit einem größeren Boot und mehr Zeit, um Land und Leute kennenzulernen.


​Mehr zum Mini Globe Race:

Das Mini Globe Race ist das erste seiner Art: das erste Rennen um die Welt für die weltweit kleinste Einheitsklasse.

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  • In insgesamt vier weiteren Etappen mit zahlreichen möglichen Zwischenstopps geht es auf der Barfuß-Route einmal rund um die Welt. Start in Antigua war der 23. Februar 2025.
  • Die Teilnehmenden segeln auf Booten der Class Globe 5.80 - einem 5,80 Meter langen, selbstgebauten Kleinkreuzer aus Sperrholz, der mit Glasfaser und Epoxid ummantelt ist. Mehr dazu hier.
  • Erfinder der Boote und des Rennens ist der australische Weltumsegler Don McIntyre. Neben dem Mini Globe Race hat er auch das Golden Globe und Ocean Globe Race ins Leben gerufen. Ein Interview finden Sie hier.
  • Mehr Infos zum Mini Globe Race gibt es hier.

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