Vor einem Jahr stand Christian Sauer in Lagos, Portugal, vor einem unfertigen Boot. Er hatte noch nie solo gesegelt, noch nie einen Ozean überquert, noch nie eine Windsteueranlage bedient. Heute liegt er in Kapstadt auf Platz sechs des Mini Globe Race – mit 21.000 Seemeilen im Kielwasser seines selbstgebauten Class Globe 580 “Argo”. Vor dem Start zur vierten und letzten Etappe des Rennens haben wir mit ihm das letzte Jahr Revue passieren lassen und auf das geblickt, was kommt.
Christian Sauer: Gehofft habe ich es, geglaubt nicht. Der Anfang war knapp und die stressigste Zeit. Dank Unterstützung habe ich es zur Startlinie geschafft und bin losgesegelt. Klar hätte ich in Lanzarote von Bord gehen können. Aber es funktionierte – also weiter über den Atlantik und von dort aus immer weiter. Schritt für Schritt habe ich dazugelernt, seglerisch höhere Ziele erreicht. Das Schwierigste aber war die erste Etappe von Lagos nach Lanzarote.
Nein, ich baue schließlich noch immer daran. Das geht wohl den meisten Seglern so – irgendwas gibt es immer zu tun. Wichtig ist, es auch mal gut sein zu lassen und den Ort zu genießen, an dem man gerade ist.
Das ist schwierig zu sagen. Aufs Boot bezogen kann ich sagen: Im Großen und Ganzen passt das. Ich fühle mich sicher und ich habe bisher keine Situation erlebt, die das Boot nicht geschafft hätte. Es gab eine Situation auf dem Atlantik, in der ich ein Knacken nicht zuordnen konnte, aber mit den Seemeilen wächst auch das Vertrauen – von daher passte es.
Ja, allerdings müsste man die mit dem Konstrukteur und der Klassenvereinigung abklären. Ich würde zum Beispiel die Kojen anders bauen, ebenso Kartentisch und Pantry. Was sich gut bewährt hat, ist die Geometrie meines Niedergangs – er ist flacher als bei anderen Booten. Ich würde ihn gerne 20 Zentimeter nach vorne verschieben, damit ich im Cockpit etwas mehr Platz habe.
Für mich persönlich war das die richtige Entscheidung, weil ich mich dadurch sicher fühle. Klar, die “Argo” wiegt ohne Einbauten 600 Kilo. Ich kenne ein Boot in der Flotte mit 470 Kilo – das sind 130 Kilo weniger, fast zehn Prozent beim Gesamtgewicht. Aus Regattasicht ist das enorm viel.
Trotzdem kann ich mit der Argo schnell segeln. Das hat sich vor allem auf der letzten Etappe nach Kapstadt gezeigt. Aber nach wie vor ist mein oberstes Ziel ein anderes: sicher in Antigua anzukommen und mein selbstgebautes Boot heimzusegeln. Eine gute Position ist schön, aber zweitrangig.
Die Vorderen sind mittlerweile weit voraus. Das hat sich vor allem zwischen Christmas Island und Cocos Keeling entwickelt – sie haben das richtige Hoch erwischt, während wir drei Tage gegenankreuzen mussten. Das hat eine große Lücke gerissen.
An der Spitze segeln erfahrene Regattasegler wie Renaud Stitelmann. Den größten Respekt habe ich vor Dan Turner – er fährt da vorne mit und hat sein Boot selbst gebaut. Adam Waugh liegt direkt vor mir, hat sein Boot ebenfalls selbst gebaut. Es wäre schön, ihn noch zu erreichen – dann wären wir auf Platz fünf und sechs die Ersten ohne große Regatta-Erfahrung.
Ich könnte mich mit Sicherheit mehr aufs Regattasegeln konzentrieren. Ich habe das Gefühl, dass die “Argo” noch mehr kann – wenn man wach bleibt.
Mir fällt der 24-Stunden-Wachrhythmus schwer. Irgendwann holt sich der Körper den Schlaf – aber wegen der endlosen Bewegung im Boot und meiner Schulterschmerzen ist der nicht besonders erholsam. Das macht es schwierig, vor allem in Landnähe. Man sieht es manchmal an meinen Kursen, wenn ich wieder einen Alarm verschlafen habe. Für die Regatta-Performance wäre da sicher mehr zu holen.
Ich habe gemischte Gefühle – es ist die letzte Etappe, und eigentlich will ich nicht, dass es vorbei ist. Andere verkaufen ihre Boote bereits, ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, mit der “Argo” weiterzusegeln, vielleicht weitere Regatten im Atlantik. Den Südatlantik selbst kenne ich noch nicht, kann ihn also nicht beurteilen. Den Nordatlantik auf der Passatroute fand ich im Vergleich zum Indischen Ozean deutlich angenehmer.
Ich habe im Indischen Ozean ein wahnsinnig chaotisches Wellenbild erlebt. Die meiste Zeit hatten wir Wellen aus unterschiedlichen Richtungen. Das hat es zum Beispiel der Windsteueranlage schwer gemacht. Wirklich gemütlich war das nicht – wobei, auf einem Globe 580 ist es ohnehin nicht gemütlich. Die Bewegungen sind viel zu extrem. Hinzu kommen starke Strömungen und hohe Wellen.
Da muss man dem Veranstalter ein Kompliment machen: Auf der Strecke zwischen Durban und Kapstadt hatten wir 16 Tage Stopover-Zeit, die wir flexibel nutzen konnten, um gute Windbedingungen abzuwarten. Das Konzept hat super funktioniert und mir eine sichere Passage nach Kapstadt ermöglicht. Nun kommt der Südatlantik. Die Leute, die hier segeln, sagen: Ab hier geht’s nur noch bergab.
Alle großen Regatten kommen hier vorbei. Dazu kommt: Auch mein Vater hat auf seiner Weltumsegelung diesen Hafen angelaufen. Das macht es für mich besonders.
Tony Kolb habe ich über einen Freund kennengelernt. Das war großartig.
Die Geschichten zu hören, in Erinnerungen zu schwelgen – das war spannend. Das Wort „verrückt" fiel mehrfach, in beide Richtungen: mit so einem kleinen Boot um die Welt zu segeln oder mit einem extremen Aluminium-Racer. Das war eine gute Mischung.
Das war schön, sie wiederzutreffen. Wir haben uns vor anderthalb Jahren bereits das erste Mal am Bodensee getroffen. Nach einem ihrer Vorträge konnte ich ein paar Worte mit ihr wechseln. Als ich schließlich in Kapstadt war, fiel mir auf, dass die “Minnehaha” im Hafen lag. Ich ging vorbei und die Luke stand offen – und tatsächlich war sie an Bord. Sehr spannend, sie wiederzusehen.
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Es gibt noch einiges zu tun. Ich warte auf neue Segel. Außerdem soll die “Argo” noch aus dem Wasser, damit ich das Antifouling reparieren kann. Das flüssige Reparaturmittel für die Silikonfolie ist aus Deutschland angekommen. Ansonsten stehen noch ein paar Kleinigkeiten an.
Vom Segeln her gerne. Die Stopover-Zeiten sind allerdings zu kurz – ich brauche zu viel Zeit für Reparaturen und sehe zu wenig von den Orten. Was ich weiß: Es wird eine weitere Weltumsegelung geben. Aber dann vielleicht mit einem größeren Boot und mehr Zeit, um Land und Leute kennenzulernen.
Das Mini Globe Race ist das erste seiner Art: das erste Rennen um die Welt für die weltweit kleinste Einheitsklasse.