KollisionWie ein Fotoshooting völlig aus dem Ruder lief...

Cati Erdmann

 · 26.03.2025

Kollision: Wie ein Fotoshooting völlig aus dem Ruder lief...Foto: Cati Erdmann
Dass Blondinen nicht allein wegen ihrer Haarfarbe dämlich sind, ist klar. Umso schlimmer, wenn dieses Klischee dann aber doch erfüllt wird – und sich statt des sprichwörtlich rettenden Erdbodens nur ein Loch in einer Bordwand auftut...

In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.



Während unserer Atlantikrunde bekam mein Mann Johannes in den USA die Gelegenheit für eine amerikanische Modemarke das Model zu mimen. Der Hersteller von preppy clothing wollte im kommenden Katalog authentische Segler und Sportler abbilden. Über ein bekanntes, amerikanisches Seglerpaar, das für diese Kampagne schon gebucht worden war, kam der Kontakt zu uns zustande. Gesucht wurde ein adrett gekleideter, versierter Einhandsegler. Vor unserer gemeinsamen Reise hatte Johannes sich einen Namen als ebensolcher gemacht. Also als Einhandsegler. Der Shoot sollte in Miami stattfinden und wir waren passenderweise ohnehin in der Gegend. Alles passte.

Fotoshoot in meinem Wohnzimmer

Die Firma hatte uns mitsamt unserem Boot „Maverick too“, einer Contest 33, in eine teure, aber ziemlich schäbige Marina eingebucht. Denn unser Boot sollte ebenfalls Protagonist werden und zierte schlussendlich sogar das Katalogcover. Ziemlich schnell entstand am Tag des Shoots aus unserem Salon ein Fitting-Room: zwischen Logbüchern und unseren Habseligkeiten wurden Johannes’ Haare gestylt, Hemden mit Schleifpapier bearbeitet, um sie gebraucht aussehen zu lassen, und Dinge am Körper meines Mannes derart hin- und her gedrückt, sodass er manchmal beschämt große Augen bekam.

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Nach etlichen Einstellungen unter Deck legten wir ab und drehten vor der Marina Kreise. Ich am Ruder, denn Johannes musste so tun, als tauche er nach unserem Anker. Dazu ließen wir den Anker bis kurz unter die Wasserlinie fallen und Johannes sprang wieder und wieder in das brackige und ölige Hafenwasser vom Port of Miami. Der Fotograf war mit einem gigantischen Schwimmring und seiner Kamera ebenfalls im Wasser und sein Assistent versuchte ihn in optimaler Position zu halten. Gar nicht so einfach, denn die Marina lag direkt am Inlet vom Atlantik in die Stadt. Dementsprechend viel Strömung war an der Stelle, vom Wellengang durch den Verkehr ganz zu schweigen. Ich selbst hatte ziemliche Schwierigkeiten unser Boot auf der Stelle zu halten, immer in Angst, über den Fotografen im Wasser zu mangeln, zu nah an die Pier zu treiben oder einem vorbeifahrenden Motorboot in die Quere zu kommen.

Bekanntes Territorium auf dem Atlantik

Dementsprechend erleichtert war ich, als es für die letzte Einstellung im Sonnenuntergang raus auf den Atlantik gehen sollte. Bekanntes Territorium. Motorsegelnd sollte ich dort einfach immer meinem Kurs folgen. Easy. Johannes wurde mit einem Bier in einer zartlila Hängematte auf unserem Vorschiff platziert. Also eine ganz normale Situation am Ende eines langen Segeltages eines Einhandseglers.

Der Fotograf schoss seine Bilder dieses Mal von Bord eines eigens gecharterten Powerboats aus. Bei mir im Cockpit saß neben der Stylistin eine Frau, die wir als „Nippelguard“ bezeichneten. Ihre Aufgabe bestand ausschließlich darin, Johannes das Hemd über die Körperteile zu schieben, deren Abbildung in den USA sonst die Sittenwächter auf den Plan gerufen hätte. Ein aussichtsloses Unterfangen auf einem Segelboot, bei dem stylingtechnisch alles dem Wind ausgeliefert ist und ein bis zum Bauchnabel aufgeknöpftes Hemd allemal. Was die Aufgabe der dritten Person war, habe ich schon damals nicht verstanden. In jedem Fall waren alle drei zuvor noch nie auf einem Segelboot gewesen und deshalb ziemlich aufgeregt. Prompt wurden auch zwei von ihnen direkt nach dem Ablegen seekrank. Ich versuchte ihnen gut zuzureden, dass es draußen sicher besser werde, wenn wir nur erstmal die kabbelige Passage des Inlets hinter uns gelassen hätten. Die Situation machte mich aber immer nervöser, je weiter wir rausfuhren. Das Fotoboot war vorausgeschossen und erwartete uns vor der Küste. Showtime.

In der Vergangenheit war ich schon etliche Male bei Fotoshoots dabei gewesen, auf denen Bilder von Yachten geschossen wurden. Johannes hatte mich in seiner Funktion als YACHT-Redakteur mit auf Dienstreisen und Events genommen und ich hatte live im Cockpit erfahren können, wie so etwas abläuft. Nämlich so: Das zu fotografierende Boot fährt stumpf seinen Kurs, das Fotoboot, von dem aus die Bilder geschossen werden, tänzelt herum, fährt los, stoppt auf. Dicht am Bug, dicht im Kielwasser, immer auf der Suche nach der besten Perspektive. Und auch im Laufe unserer Reise hatten wir immer mal wieder Bilder von unserem eigenen Boot unter Segeln geschossen. Dazu musste einer von uns die „Maverick too“ segeln und der andere mit der Kamera im Schlauchboot waghalsige Manöver fahren. Auch hier also: bekanntes Territorium.

Der Crash

Küste vor Miami. Eine Contest pflügt stur auf ihrem Kurs durch den Atlantik. Ein Motorboot umkreist sie, wieder und wieder. Fotos werden geschossen. Brustwarzen zugedeckt. Würgegeräusche von Backbord, ein leises Jammern. Das Motorboot stoppt vorm Bug auf. Fotos werden geschossen. Die Contest hält Kurs. Das Motorboot verharrt vor dem Bug. Die Contest hält Kurs. Das Motorboot steht vor dem Bug. Die Contest fährt in das Motorboot.

Bis zum Krachen und Ruckeln ist es mir nicht einmal in den Sinn gekommen, dass ich den Kurs hätte ändern könnte. Natürlich habe ich gesehen, dass das “jetzt ganz schön knapp“ wird. Ich war allerdings der festen Annahme, dass der Fotograf den allerletzten Moment nutzen wollte, die drei Außenbordmotoren am Fotoboot sicherlich jede Sekunde laut aufheulen würden und das Boot in Sicherheit sprinte.

Ich erinnere mich an geschockte Gesichter überall: der sehr junge Skipper des Fotobootes, der das Boot auch nur geliehen hatte, der Fotograf und sein Assistent, meine seekranken Passagiere, die sich vermutlich am Ende ihres Lebens wähnten und fragten, wie sie sich jemals so einer Dilettantin hatten anvertrauen können, mein Mann, der durch den Aufprall aus der Hängematte geworfen worden war. Und an das riesige Loch, das unser massiver Bugkorb in die zarte Bordwand des Powerboats gerissen hatte. An den Ölteppich, der sich ausbreitete. Rufe, dass man schnell in die Marina müsse, bevor das Boot sinke. Und an betretene Stille an Bord und das schlimme Gefühl der Peinlichkeit auf dem langen, sehr langen Weg zurück in die Stadt.



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