Die europäischen maritimen Wirtschaftsverbände planen ein Rahmenwerk zur Erfassung der Ökobilanz eines Sportbootes vom Bau bis zur Abwrackung:„Recreational Marine Lifecycle Assessment“ kurz LCA. Wir sprachen mit Robert Marx, dem Präsidenten des Bundesverbandes der Wassersportwirtschaft und European Boating Industry (EBI).
Marx: Im Rahmen des sogenannten „Green Deal“ der EU sollen alle Sektoren ihre Ziele zur Dekarbonisierung und Reduktion der Auswirkungen auf die Umwelt erreichen. Dazu zählt auch die Kreislaufwirtschaft, also das Recycling, das in allen Industriezweigen massiv ausgebaut wird. Um bei der Ausgestaltung der entsprechenden Richtlinien möglichst frühzeitig mitwirken zu können und Regelungen zu treffen, die die Bootsindustrie auch sicher erfüllen kann, müssen wir jetzt handeln und das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist.
Ziel ist es, die Ökobilanz eines Sportbootes vom Bau bis zur Abwrackung zu erstellen. Im Klartext: Alle verbauten Materialien, vom Kunstharz über die Maschinenanlage bis zur Relingsstütze, werden dokumentiert. Daraus ergibt sich eine Art Index, anhand dessen die Umweltbilanz des Bootes nachvollzogen werden kann. Für Werften bietet es den Vorteil, dass sie zum ersten Mal evaluieren können, wo die Hotspots liegen, und sie einen klaren Business-Case haben, clever zu investieren. Eine bessere Datengrundlage ist essenziell, um bessere und nachhaltigere Boote zu bauen.
Der Käufer bekommt damit erstmals einen Indikator für die Nachhaltigkeit eines Bootes. Man muss sich das ähnlich wie beim Kauf eines Kühlschranks vorstellen. Anhand der Informationen zu CO2, Wassernutzung oder etwa Landnutzung kann der Käufer entscheiden, was ihm wichtig ist oder nicht. Wir erhoffen uns, dass dies in einigen Jahren Standard wird und sichtbar ist, wenn man Messen oder Händler besucht.
Ich habe den Eindruck, dass die Werften quasi darauf gewartet haben. Unsere Gespräche mit den Firmen verliefen durchweg positiv. Bisher haben wir Zusagen von über 18 namhaften Werften, darunter große Firmen wie beispielsweise die Beneteau-Gruppe aus Frankreich oder Bavaria aus Deutschland. Davon profitieren wiederum die kleinen Werften, die über die Verbände Einfluss haben. Die Großen bereiten den Weg, bauen quasi das Gerüst, welches Mittelständler und kleine Betriebe später nutzen können. Es ist einzigartig, dass die Industrie in so einem Rahmen zusammenarbeitet.
Eine zusätzliche Bürokratisierung sehe ich tatsächlich nicht. Es ist heute schon so, dass jeder Hersteller den Bau seiner Boote und die dabei eingesetzten Materialien durchgehend dokumentiert. Dadurch, dass die Industrie den Rahmen entwickelt und nicht Beamte, haben wir das Sagen.
Es besteht keine Teilnahmepflicht für die Werften. Doch bin ich sicher, dass LCA früher oder später zu einem Qualitätsmerkmal wird und sich niemand vorwerfen lassen will, er würde die Ökobilanz seiner Produkte verschleiern wollen. Derzeit engagieren sich die teilnehmenden Werften jeweils mit einem fünfstelligen Betrag, sodass wir in Summe über hohe sechsstellige Summen sprechen.
Aus meiner Sicht haben wir bereits 75 % des Weges zurückgelegt. Unser Ziel ist es, noch im Herbst dieses Jahres ein beschlussfähiges Papier vorlegen zu können, welches dann in die nächste EU-Sportbootrichtlinie, die 2030 in Kraft treten soll, einfließt. Bereits vorher werden die Werften an Eco-Design und einheitlicher Kommunikation arbeiten können.
Da besteht insbesondere auf Deutschland ein Riesendruck seitens der EU, aber auch der Hersteller. Aufgrund der fehlenden europaweiten Registrierung gibt es keinen Überblick über den Bootsbestand und dessen Verbleib am Ende der Lebensdauer. Jeder kennt die Wracks und Seelenverkäufer in den hintersten Hafenecken oder am Straßenrand, die sich oft niemandem mehr zuordnen lassen. Hier muss der Gesetzgeber handeln. Wir befürworten eine Registrierung und führen Gespräche darüber.