InterviewWie sich ein Vater-Sohn-Duo für die Special Olympics qualifiziert

Tatjana Pokorny

 · 17.11.2023

Interview: Wie sich ein Vater-Sohn-Duo für die Special Olympics qualifiziertFoto: Special Olympics World Games Berlin 2023 / Florian Conrads
Tolles Team! Hans-Jürgen Leiß mit seinem Sohn Phil-Mattis (r. an der Pinne), der mit dem Down-Syndrom geboren wurde, während der Special Olympics World Games. Die fanden im Sommer in Berlin statt
Phil-Mattis hat zwei ältere Geschwister. Alle drei haben den Segelschein gemacht. Phil-Mattis hat eine normale Opti-Ausbildung absolviert. Wenn er segelte, ist sein Vater im Schlauchboot nebenhergefahren. Über den Weg zu den Special Olympics World Games

Phil-Mattis wurde mit dem Down-Syndrom geboren. Was bedeutet das fürs Segeln?

Jemandem mit kognitiven Einschränkungen das Segelvokabular beizubringen ist nicht so leicht. Wir vereinfachen alles. Wir ziehen oder drücken „irgendwo“ dran. Mein Sohn kann Fahrrad fahren, kennt aber die Verkehrsregeln nicht. Beim Segeln ist es ähnlich: Phil-Mattis hat ein super Gefühl fürs Segeln, aber ich brauche ihm nicht mit „Anluven“ oder „Abfallen“ zu kommen.

Im Sommer wart ihr bei den Special Olympics World Games dabei. Wie kam es dazu?

Wir hatten davon gehört und uns 2022 qualifiziert. Beeindruckend war ein Vorbereitungswochenende beim DSV in Kiel. Da hat man uns auch im Olympiazentrum herumgeführt, wo Boote von Athleten stehen, über die man sonst nur in der Zeitung liest. DSV-Präsidentin Mona Küppers war da und hat uns auf dem Wasser gecoacht. Ihre Tipps hat mein Sohn besser angenommen als meine (lacht). Der DSV engagiert sich enorm im inklusiven Segelsport.

Und wie waren dann die Spiele in Berlin?

Es war sehr emotional, mit 7.000 Athleten ins Olympiastadion einzulaufen, wo uns 50.000 Zuschauer zujubelten. Dirk Nowitzki war da. Und Kanzler Olaf Scholz. Ohne meinen Sohn und seine Leistung hätte ich das alles nie erlebt.

Erfolgreich war er auf dem Wasser auch, richtig?

Ja, er hat Bronze geholt. Mit Gold aus der Qualifikation für die World Games sowie Silber in Level 3 bei der European Unified Regatta in Rotterdam hat er nun einen kompletten Medaillensatz zusammen.

Was gibt es für Levels im Special-Olympics-Segeln?

In Level 1 bedient der Handicap-Athlet das Vorsegel, in Level 2 steuert er das Boot. Als Vorschoter darf man zwar Großsegel und Fock bedienen, aber nicht die Pinne anfassen. In Level 3 machen zwei mit Handicap alles allein. Ein Dritter sitzt mit im Boot, darf das Regelwerk rüberbringen, aber nichts anfassen. In Level 4 sind zwei mit Handicap ohne Begleitung im Einsatz, und in Level 5 schließlich sind die Gehandicapten solo gefordert.

Wodurch unterscheiden sich denn eigentlich die Special Olympics von den Paralympics?

Die Special Olympics sind eine vom IOC anerkannte Sportbewegung mit Wettkämpfen für Menschen mit geistiger Behinderung. Die Paralympics sind die Olympischen Spiele für Sportlerinnen und Sportler mit körperlichen Handicaps.

Falls nun einer Lust hat mitzumachen: Wie steigt man in den Special-Olympics-Segelsport ein?

Am besten wendet man sich an Special Olympics Deutschland oder an regionale Ansprechpartner.

Was macht Phil-Mattis im Winter, ohne das Segeln?

Seine zweite Leidenschaft sind Musik und Tanzen. Er trainiert gerade Standard und Latein für einen Special-Olympics-Wettbewerb in Braunschweig.


Über Hans-Jürgen Leiß

Hans-Jürgen LeißFoto: SOD/Juri ReetzHans-Jürgen Leiß

Hans-Jürgen Leiß: Der 63-Jährige aus Wilhelmshaven ist wassersportbegeistert von Jugend an. Als Vorschoter segelt er gemeinsam mit seinem 26-jährigen Sohn, der trotz seines Handicaps an der Pinne sitzt. Bei den Special Olympics schaffte das Duo es auf Platz drei


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