Interview"Wenn man etwas wirklich will, ist ziemlich viel möglich"

Max Gasser

 · 24.06.2022

Interview: "Wenn man etwas wirklich will, ist ziemlich viel möglich"Foto: Simon Jourdan/Winches Club
Das Team Lisa Berger und Axel Solbach segelte beim diesjährigen Mini-Fastnet auf Platz fünf

Einhandseglerin Lisa Berger triumphiert mit Axel Solbach überraschend beim Mini-Fastnet. Was ihre nächsten Ziele und Träume sind, verrät sie im Interview

Seit Lisa Berger 2019 zum allerersten Mal in einem Mini 6.50 saß, hat es sie nicht mehr losgelassen. Schon nächstes Jahr will die 32-Jährige beim Mini-Transat starten. Beim aktuellen Mini-Fastnet ersegelte sie sich gemeinsam mit Axel Solbach Platz fünf im stark besetzten Teilnehmerfeld.

Fast über die gesamte Renndauer hatten sie in einer Mittelfeld-Position gelegen. Doch durch ein unglaubliches Finish sicherte sich das Team auf den letzten Metern das Top-10-Ergebnis. Jetzt spricht Lisa Berger darüber, wie sie das geschafft und erlebt haben. Außerdem erzählt sie von ihrer Faszination am Einhandsegeln und wie wichtig für sie dabei auch Musik ist.

Du bist erst seit wenigen Tagen wieder am Festland – im Kopf immer noch beim Feiern, beim Ausruhen oder schon voll in den Vorbereitungen fürs nächste Event?

Lisa Berger: (lacht) Ich bin seit vorgestern wieder zu Hause in Österreich, und im Ziel waren wir ja am Samstag um halb sechs morgens. Aber ich bin im Kopf schon voll beim nächsten Event. Das Azoren-Rennen (Les Sables–Les Azores–Les Sables) wird erst meine zweite Solo-Regatta, und dann gleich so ein riesiges Ding. Wir haben nach dem Mini-Fastnet natürlich ein bisschen gefeiert, aber so richtig realisiert habe ich noch nicht, dass wir so gut abgeschnitten haben.

Wie hast du dich, gerade nach diesem unglaublichen Finish, gefühlt, als es geschafft war?

Es war extrem überraschend. In der Bucht von Douarnenez war ich kurz vor einem Herzinfarkt (lacht). Es war echt megaspannend, ich konnte es gar nicht glauben. Ich war schon ungefähr zehn Stunden an der Pinne, als ich meine Privatbö auf der richtigen Seite der Bucht bekommen habe und an den ganzen Booten vorbeigesegelt bin. Da war ich schon sehr aufgeregt.

  Um ihre Kampagne zu finanzieren, startete Lisa Berger ein Crowdfunding und ist weiterhin auf der Suche nach einem HauptsponsorFoto: Lisa Berger
Um ihre Kampagne zu finanzieren, startete Lisa Berger ein Crowdfunding und ist weiterhin auf der Suche nach einem Hauptsponsor

Gab es eine Entscheidung, die euch nach vorn katapultiert hat? Was hat am Ende den Unterschied gemacht?

Es war schon ein wenig eine "Windlotterie", weil es wirklich sehr schwierig war in der Bucht, mit Strömung und teilweise gar keinem Wind. Ich habe vor mir die ganzen Boote gesehen und hinter uns eben auch, da war mir klar, dass ich auf gar keinen Fall dort hinfahren werde, wo die anderen gerade alle stehen. Somit war ich auf der richtigen Seite, der Wind hat dort wieder von der Küste aus eingesetzt. Es war entscheidungsmäßig das Richtige, trotzdem war natürlich auch etwas Glück dabei.

Ihr habt euch das ganze Rennen eher in Mittelfeldpositionen aufgehalten. Habt ihr selbst überhaupt noch daran geglaubt, dass es zu so einer Spitzenplatzierung reichen kann?

Wir haben, glaube ich, schon alle gewusst, dass bis zum Schluss alles möglich ist. Gerade, weil es so löchrig war und die gesamte Flotte permanent beisammen war. Wir waren bereits während des Rennens einmal bis auf Platz zwei vorgefahren. Als sich das Feld vor der Bucht von Douarnenez nicht mehr von der Stelle rührte, wusste ich, dass doch noch was drin ist. Man ist dann absolut motiviert und fokussiert, nutzt jeden Windhauch und versucht alles optimal zu trimmen.

Bis zum Ziel ist alles möglich gewesen, und trotzdem kam es dann überraschend. Von einer Platzierung in den Top 10 träumt man sowieso, aber dass es wirklich noch was geworden ist, habe ich noch nicht ganz realisiert.

Welche Rolle spielt dein Teampartner Axel Solbach für dich? Ihr seid normalerweise Trainingspartner und Konkurrenten …

Wir kennen uns jetzt auch noch nicht so gut und lange, da wir uns erst im April in Barcelona kennengelernt haben. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden, sind aber davor noch nie wirklich zusammen gesegelt, das war schon spannend. Im Endeffekt hat es dann sehr gut gepasst, und wir haben beide viel gelernt.

Als Konkurrenten haben wir sehr unterschiedliche Boote, somit fährt man doch ein bisschen in unterschiedlichen Kategorien. Mein Boot ist sehr neu, seine Pogo 2 gehört hingegen nicht mehr zu den schnellsten, somit war es für ihn sicherlich cool, mal auf einem Maxi mitzusegeln.

  Auch Axel Solbach will 2023 beim Mini-Transat starten, die Vorbereitung absolvierten sie zum Teil gemeinsamFoto: Simon Jourdan/Winches Club
Auch Axel Solbach will 2023 beim Mini-Transat starten, die Vorbereitung absolvierten sie zum Teil gemeinsam

Welche Schwierigkeiten gab es unterwegs? Das Rennen war von Leichtwind und ungewöhnlich vielen Amwind-Passagen geprägt …

Es war ein extremes Auf und Ab, das ist bei mir beim Segeln aber eigentlich generell so. Die Stimmung schwankt mit dem Wetter, und auch jedes Mal, wenn man Plätze verliert, ist das megaanstrengend, weil man sich vielleicht gerade erst vorgekämpft hat. Es zehrt schon ziemlich an den Nerven, wir haben zum Glück aber nichts aneinander abgelassen. Einer war vorne im Schiff, der andere hinten, anders geht es bei wenig Wind vom Gewichtstrimm sowieso nicht.

Seglerisch war ich wirklich sechs Tage lang sehr fokussiert, ich hatte es noch nie, dass ich die ganze Zeit so munter war. Normalerweise werde ich auch mal müde oder fange sogar an zu halluzinieren. Diesmal war es die ganze Zeit so aufregend, weil es immer darum ging aufzuholen. Es hat sich gar nicht wie sechs Tage Flauten-Segeln angefühlt, es war einfach viel zu spannungsgeladen.

Wie viele Stunden konntest du schlafen?

Mit dem Schlaf, den ich bekommen habe, war ich schon ziemlich gut dabei, ich bin eigentlich jeden Tag auf ungefähr fünf Stunden gekommen – tagsüber. Die Nächte habe ich durchgesteuert, weil es oft ziemlich schwierig war und wir leider keine richtigen Winddaten gehabt haben. Irgendetwas stimmte nicht mit meinen Einstellungen an der Elektrik, sie hat komplett verrückt gespielt.

Hast du eine bestimmte Beschäftigung bei Flaute oder wenn es mal nicht so läuft?

Viel Musik. Ohne Musik geht es, glaube ich, nicht (lacht). Sie ist für mich enorm wichtig beim Segeln, für jede Stimmung. Ungefähr 80 Prozent der Zeit habe ich Musik laufen, und es tut mir unglaublich gut, vor allem wenn ich gerade frustriert bin. Die Stimmung wird sofort besser, und man lenkt sich ein bisschen davon ab. Meist läuft es dann auch direkt wieder.

  Den Einstieg ins Offshore-Einhandsegeln erleichterte ihr unter anderem auch ihr Landsmann Christian Kargl, mit dem sie 2019 die Mixed-Offshore-Europameisterschaft gewannFoto: Simon Jourdan/Winches Club
Den Einstieg ins Offshore-Einhandsegeln erleichterte ihr unter anderem auch ihr Landsmann Christian Kargl, mit dem sie 2019 die Mixed-Offshore-Europameisterschaft gewann

Zuletzt wart ihr zu zweit unterwegs, bald geht es für dich wieder allein los – segelst du lieber solo oder mit Crew?

Ich glaube richtig genießen und ich selbst sein kann ich, wenn ich alleine bin. Das finde ich aber auch gerade erst für mich heraus. Mit Crew ist es schon was anderes, auch cool, aber einfach anders. Ich weiß selbst nicht genau, wie ich das erklären soll. Eigentlich bin ich sehr gerne unter Menschen und brauche das auch. Dennoch bin ich am Boot unglaublich gern alleine.

Wo liegen für dich Faszination und Herausforderung beim Einhandsegeln?

Ein Nachteil beim Einhandsegeln ist, dass man nicht ausreichend Schlaf bekommt, da bin ich dann doch froh, wenn noch jemand dabei ist. Beim Solosegeln muss man jedes Problem allein lösen, das ist die größte Challenge. Man muss einfach eine Lösung finden, wächst dadurch über sich hinaus und kann danach extrem stolz auf sich sein.

Während des Segelns stößt man sehr oft an seine Grenzen und ist dann auch nicht unbedingt immer happy oder bereut sogar kurzzeitig, dass man das gerade macht. Bei schwierigen Bedingungen frage ich mich schon häufig, warum ich gerade hier bin, aber im Nachhinein ist das einfach das beste Gefühl. Ich glaube auch, dass das ein bisschen süchtig macht und der Grund ist, warum es einen immer wieder packt.

Seit wann besteht dein Traum vom Mini-Transat und vom Einhandsegeln generell?

Ich habe tatsächlich lange nichts davon gewusst. Ich glaube, ich habe 2013 zum ersten Mal von der Klasse Mini erfahren. Dass ich irgendwann einmal um die Welt segeln will, war aber schon länger ein Gedanke von mir. Solosegeln, und das zudem auf Regatten, wurde dann jedoch vor allem ab diesem Zeitpunkt zu einem Traum. Man steigert sich dann immer weiter rein und bleibt bei den Videos auf Youtube hängen. (lacht)

So hat sich das stetig weiterentwickelt und ist wirklich extrem geworden, bis ich 2019 zum ersten Mal auf einem Mini war. Dann war es um mich geschehen. Ich habe sofort gewusst, dass ich so ein Boot kaufen und das machen muss. Ich habe bis heute nichts mehr anderes im Kopf gehabt. Der Traum entwickelt sich weiter und weiter. (lacht)

Gibt es dementsprechend schon etwas nach dem Mini-Transat, etwas noch Größeres?

Es muss danach auf jeden Fall weitergehen, und es gibt auch ein paar Klassen, die mich sehr interessieren, wo sich auch schon Träume entwickeln. Aber für mich ist es wichtig, vorher das eine abzuschließen. Das Mini-Transat ist eine super Schule für alles, was später kommen kann. Da gibt es dann zum Beispiel Figaro, Class 40 und natürlich auch noch die ganz coolen großen Imocas.

Ich will auf jeden Fall, dass es anschließend weitergeht, aber davon träumt jeder oder zumindest die meisten. Ich denke, wenn man etwas wirklich will und vielleicht auch die richtigen Leute davon überzeugen kann, dann ist ziemlich viel möglich.

  Bergers Boot "Mojo" ist ein Maxi 6.50Foto: Lisa Berger
Bergers Boot "Mojo" ist ein Maxi 6.50

Erst mal steht schon bald ein wichtiges Rennen im Mini 6.50 vor der Tür. Hast du konkrete Ziele und Pläne für den nächsten Höhepunkt in Les Sables-d'Olonne?

Ich möchte mich bestmöglich vorbereiten, vor allem, was Wetter und Routing angeht, will ich professioneller werden als bei meiner ersten Einhand-Regatta. Damals war alles so spannend, und ich war sehr aufgeregt. Jetzt will ich bei dem Plan, den ich mir vorab mache, auch bleiben, ohne mich zu sehr von den anderen beeinflussen zu lassen.

Eine Platzierung unter den ersten zehn wäre natürlich genial. Beim Mini-Fastnet waren die Bedingungen sehr speziell, das wird beim Azoren-Rennen ein bisschen anders aussehen. Es wird eine große Herausforderung, aber es ist immer alles möglich. Ich tue mich wirklich sehr schwer einzuschätzen, wo ich aktuell stehe. In so einem guten Feld ist es als Skipperin erst meine dritte Regatta und erst die zweite in dieser Gegend, aber ich werde mein Bestes geben.

  Gelernt hat Lisa Berger das Segeln in ihrer Heimat am Attersee, mittlerweile ist sie lieber auf der Hochsee unterwegsFoto: Lisa Berger
Gelernt hat Lisa Berger das Segeln in ihrer Heimat am Attersee, mittlerweile ist sie lieber auf der Hochsee unterwegs

Lass uns ein schnelles, ganz einfaches Entweder-oder-Spiel spielen.

So was ist immer besonders schwer, aber lass es uns probieren. (lacht)

Lieber Leichtwind oder Starkwind?

Starkwind. Weil es schneller ist, aber eigentlich mag ich beides.

Lieber Vorwind oder Amwind?

Vor dem Wind, aber am Wind eigentlich auch. (lacht)

Lieber Binnensegeln oder Hochsee?

Hochsee, tausendmal lieber.

Im Ziel lieber Bier oder Wasser?

Bier.

Schläfst du vor dem Start lieber im Hotel oder an Bord von "Mojo"?

Unterschiedlich, eigentlich lieber auf dem Boot.

Lieber ein kurzer Sprint oder eine lange Hochseeregatta?

Lange Hochseeregatta.

Oder doch lieber Up-and-Down?

Nee, zu stressig. (lacht)

Lieber gefriergetrocknetes Essen oder komplett selbst kochen?

Ich bin kein Koch. Ich bin froh, dass ich es schaffe, das Gefriergetrocknete zuzubereiten. (lacht)

Das war es auch schon, gar nicht so schwer, vielen Dank!