InterviewWeltumsegler über Route durch das Rote Meer

Holger Peterson

 · 29.08.2024

Interview: Weltumsegler über Route durch das Rote MeerFoto: Holger Peterson
Eigner Adam Kus an Bord seiner „Vixen“
Die 14,5 Meter lange Reinke war für Adam Kus und seine Partnerin ein sicheres Zuhause. Gefährlich wurde es erst auf der Route durch den Indischen Ozean und das Rote Meer

Herr Kus, wie war das bei den Piraten?

Abenteuerlich! Einmal hätte ich fast eine Kollision mit somalischen Piraten verursacht. Etwas später stand dann irgendwann eine Kampfdrohne der Huthi-Rebellen über meinem Boot. Der Pilot hätte mich mit einem Knopfdruck versenken können. Aber mit gefährlichen Situationen musste ich auf der Route durch das Rote Meer ja rechnen ...

Warum sind Sie überhaupt durch den Golf von Aden gesegelt?

Meine Partnerin und ich sind 2021 mit knappem Budget zu einer zweijährigen Weltumsegelung aufgebrochen, gerieten aber wegen technischer Probleme auf Tahiti um eine Saison in Verzug. Die Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung wäre für uns keine Option gewesen.

Die Route durch das Rote Meer galt bis zum Herbst 2023 als relativ gesichert. Wann haben Sie von den Bedrohungen durch Huthi-Rebellen erfahren?

Nach dem Massaker in Israel wurde zunehmend über Angriffe auf westliche Schiffe berichtet. Zu der Zeit segelte ich schon allein auf dem Ozean.

Was ging da in Ihnen vor, als Sie das hörten?

In dem Moment hatte ich noch andere Sorgen, ein Katzenbiss hatte sich entzündet, und die linke Hand hätte fast amputiert werden müssen.

Dann näherten Sie sich dem Golf von Aden ...

Ja, und ich hatte Funkkontakt mit den internationalen Koordinationsstellen, die das Verkehrstrennungsgebiet sichern. Aber bis man da ankommt, ist man allein. Und auf meinem Kurs lagen zwei große Fischerboote und vier Ribs – somalische Piraten.

Was haben Sie da gemacht?

Ich winkte den Besatzungen einfach zu – und sie winkten verdutzt zurück. Dann begrüßte ich sie per Funk in arabischer Sprache, um irgendwie eine entspannte Kommunikationsebene zu finden …

Und so ließ man Sie in Frieden weitersegeln?

Darauf konnte ich mich nicht verlassen. Weil ich aber gehört hatte, dass die deutsche Fregatte „Hessen“ mittlerweile hier kreuzen sollte, habe ich den Funkverkehr mit dem German Warship imitiert: veränderte Stimme im Wechsel, andere Hintergrundgeräusche durch Musik an und aus. Auf dem Kurs nach Dschibuti blieb ich dann unbehelligt.

Im April segelten Sie durch die Meerenge von Bab el-Mandeb, das gefährlichste Nadelöhr?

Eindeutig ja. An Backbord eritreische Gewässer, wo man Gefahr läuft, beschossen zu werden. An Steuerbord die jeminitische Küste mit Raketen und Drohnen der Huthi-Rebellen. Ich hielt mich in der Mitte des Trennungsgebietes und wähnte mich dort relativ sicher wegen der westlichen Marineschiffe, aber abends hatte ich dann eine Kampfdrohne über mir und fühlte mich schutzlos fremder Willkür ausgeliefert. Ich konnte hören, wie die akustische Zielerfassung der Drohne mich im Visier hatte, zwei Raketen auf mich gerichtet. Ich dachte, wenn ich schon sterben muss, dann nicht nüchtern. So trank ich ein Bier, überlegte, begann zu funken und erklärte auf Arabisch, dass ich ein einsam segelnder Habibi auf dem Kurs nach Hause sei. Scheinbar wollten sie für ein unbedeutendes Ziel keine Rakete verschwenden, die Drohne drehte ab und ich fast durch …

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Der 47-jährige Adam Kus segelte mit seiner Partnerin um die Welt. Im Mai beendete er die Reise auf Kreta als Einhandsegler – wegen soma­lischer Piraten und Huthi-Rebellen war seine Partnerin vorzeitig ausgestiegenFoto: Holger PetersonDer 47-jährige Adam Kus segelte mit seiner Partnerin um die Welt. Im Mai beendete er die Reise auf Kreta als Einhandsegler – wegen soma­lischer Piraten und Huthi-Rebellen war seine Partnerin vorzeitig ausgestiegen

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