YACHT-Redaktion
· 18.07.2025
Stimmt, ich bin schon immer viel gesegelt, darunter auch im Südpazifik – allerdings nie auf Regatten. Dennoch hat mir meine Segelerfahrung geholfen, zu verstehen, was die Leute auf See durchmachen. Ich kenne das Gefühl, einen Ozean zu überqueren, und kann es entsprechend wertschätzen. Außerdem waren da schon immer diese Leidenschaft für das Meer und meine Verbindung zum Ozean. Das passt natürlich sehr gut zur Mission von Malizia, hier geht’s uns schließlich nicht nur um den Rennsport, sondern auch um den Schutz der Meere.
Da ist diese riesige Wasserfläche, die einen Großteil unseres Planeten bedeckt – und es gibt so viel, was wir nicht darüber wissen! Ich betrachte das Ganze gerne von zwei für mich sehr faszinierenden Seiten: Man kann an der Oberfläche sein, etwa wenn man segelt und schwimmt, und hat währenddessen alles ganz genau im Blick. Aber dann gibt es auch so vieles, das wir nicht sehen. Was liegt unter deinem Boot, wenn du segelst? Solche Gedanken spielen mit meiner Vorstellungskraft und fesseln meine Fantasie! Abgesehen davon ist das Meer auch einfach wunderschön – es gibt mir ein Gefühl von Freiheit.
Ich liebe es, in der Natur zu sein und Dinge zu entdecken – das geht sowohl auf dem Wasser als auch an Land. Allerdings besitze ich kein eigenes Boot, das ist wohl ein ziemlich einschränkender Faktor (lacht). Wandern ist zugänglicher und man ist dabei normalerweise nicht so abgeschnitten. Beim Segeln hingegen ist man, wenn man wirklich etwas erkunden will, eher weiter weg und für längere Zeiträume unterwegs. Ich genieße also die Flexibilität beim Wandern. Aber egal, ob Wandern oder Segeln: Ich finde dabei sehr gerne heraus, wozu ich körperlich in der Lage bin.
Auf jeden Fall! Ich habe einige ziemlich lange Wanderungen und Segeltörns unter schwierigen Bedingungen unternommen. Diese Art von Aktivitäten genieß ich total, weil ich mich selbst in verschiedenen Situationen testen und sehen kann, wie mein Körper reagiert und was ich geistig durchstehen kann. Ich bin nicht jemand, der in einem Fitnessstudio sitzt – ich will neue Dinge sehen, während ich eine Aktivität ausübe.
Meine Aufgabe ist es, alles zu überwachen – vor, während und nach einem Rennen. Ich sorge zum Beispiel dafür, dass wir in technischer Hinsicht für das Rennen bereit sind und dass es in keinem Bereich Probleme gibt. Die Aufgaben sind super abwechslungsreich. Aber ich habe natürlich ein wirklich starkes Team, das sich um seine jeweiligen Bereiche wie Technik, Kommunikation, Finanzen und Co. kümmert. Ich würde sagen, ich halte die Fäden zusammen und sorge dafür, dass alle im Team an einem Strang ziehen.
Ich bin wahnsinnig stolz. Wir haben uns von einem der kleinsten Offshore-Teams ohne Budget und mit einem älteren Boot zu einem der größten Teams entwickelt, das gute Aussichten auf einen Sieg oder einen Podiumsplatz hat. Außerdem sind wir mit zwölf vertretenen Nationen und einer Mischung aus Männern und Frauen ein sehr starkes Team – das macht mich sehr glücklich! Oh, und wir sind auch ein wirklich lustiges Team! Für mich persönlich ist es total wichtig, dass die Leute zwar hart arbeiten, aber dennoch Spaß haben. Team Malizia hat die Mentalität: Work hard, play hard, Freunde sein, aufeinander aufpassen und Spaß an der Zusammenarbeit haben.
Auf jeden Fall – am Anfang ständig. Die meisten Leute dachten entweder, dass ich nur ein bisschen Social Media für Boris mache, oder sie sind davon ausgegangen, dass ich seine Frau sein muss. Schätze mal, die Leute sehen eine junge Frau mit blonden Haaren und nehmen direkt an, dass das die einzigen beiden Optionen sein können. Mittlerweile ist es ein bisschen anders, weil ich den Job als Team Director schon länger mache.
Ich denke schon. Frauen haben andere Soft Skills als Männer. Wir können diplomatischer sein. Ich glaube zum Beispiel, dass ich kein großes Ego habe – ich halte mich nicht an etwas fest, wenn mal was schiefgeht oder jemand schwierig im Umgang ist. So etwas nehme ich nicht schlecht auf und ich muss mich mit niemandem anlegen. Einfach Schwamm drüber. Wahrscheinlich kann ich auch ein bisschen einfühlsamer sein als ein Mann – etwa wenn Frauen im Team Kinder haben oder darüber nachdenken, welche zu bekommen. In solchen Fällen ist es wirklich hilfreich, eine Frau, die selbst Mutter ist, in solch einer Position wie meiner zu haben.
Es ist wichtig, dass noch mehr Frauen in Führungspositionen vertreten sind und sichtbar gemacht wird, was die weiblichen Seglerinnen alles erreichen können. Doch es genügt nicht, wenn sich dafür nur wir Frauen einsetzen. Wir brauchen mehr männliche Verbündete im Segelsport. Männer wie Boris, denen es egal ist, ob man ein Mann oder eine Frau ist. Für ihn zählt nur, ob man einen guten Job macht. Wir brauchen mehr Männer, die diese Haltung einnehmen.
Sowohl ein reines Frauenteam als auch ein reiner Frauen-Cup klingen definitiv interessant. Allerdings betrachte ich das Ganze aus zwei verschiedenen Perspektiven. Keine Frage, ein Team, das nur aus Frauen besteht, kann Erstaunliches leisten – das hat zum Beispiel das Team SCA beim Volvo Ocean Race gezeigt. Aber eines der Dinge, die ich am Segeln so mag, ist, dass Frauen und Männer mit- und gegeneinander antreten. Ich würde so einen reinen Frauenwettbewerb zwar auf jeden Fall toll finden und unterstützen, denke aber, dass wir die Geschlechter gar nicht unbedingt trennen sollten. Es ist doch total cool, wenn sie Seite an Seite antreten. Die Schweizer Skipperin Justine Mettraux etwa hat bei der Vendée Globe 2024 ein unglaubliches Rennen absolviert, war als erste Frau im Ziel und hat so einige Männer hinter sich gelassen. Es ist also nicht so, dass Frauen nicht mit Männern mithalten könnten.
So vieles ist nicht für Frauen ausgelegt – man muss sich nur mal einen IMOCA anschauen. Die meisten Winschen-Podeste an Bord sind viel zu hoch. Ich bin 1,80 m groß, das wäre noch in Ordnung, aber die Mehrheit an Frauen sind nun mal kleiner. Ein weiteres Beispiel ist die Kleidung. Die meiste Segelbekleidung ist, was Passform und Schnitt angeht, nicht für Frauen ausgelegt – wie kann sowas sein? Und auch sonst gibt es noch super viele Hürden für Frauen: Sie können oft nicht genügend Punkte für die Teilnahme an einem Rennen sammeln, weil sie ein Kind bekommen. Oder viele Teams wollen schon aus Prinzip nur Männer an Bord haben. Doch es gibt Frauen in der Branche – unter anderem Rosie und unser neues Teammitglied Cole Brauer –, die den Weg ebnen und jene Hürden Stück für Stück abbauen.
Ich denke bei Cole ging es eher um ihre Entschlossenheit als ihre Körpergröße. Ein Rennen wie die Vendée Globe ist wirklich lang und hart. Cole hat sich in ihrem Rennen die Rippen gebrochen und trotzdem weitergemacht – es ist verrückt, wie viel mentale Stärke man braucht, um das alles mit gebrochenen Rippen durchzustehen. Wir vergessen oft, dass Frauen eine immense Kraft haben, wenn es um Schmerzen und Ausdauer geht.
Ganz genau! Cole hat viel Zeit damit verbracht, ihr Boot zu modifizieren und ihre Systeme und die Art und Weise, wie sie Dinge tut, zu ändern, um es ihr zu ermöglichen, auf demselben Niveau wie ihre Mitstreiter zu konkurrieren. Vergleicht man andere Segler miteinander, sieht man auch schnell Unterschiede im Körperbau: Thomas Ryan und Boris Herrmann sind körperlich völlig unterschiedlich. Beide natürlich sehr stark, aber Boris eher groß, Thomas eher zierlich. Wer schlau ist, setzt heutzutage nicht mehr auf einheitliche Boote. Man kann sein Boot so entwerfen und anpassen, wie man will – und wenn man das gut macht, kann man mit jedem Geschlecht und jedem Körperbau auf hohem Niveau erfolgreich sein.
Das ist ein echt schwieriges Thema, schließlich lebt man auf einem Boot ohne richtige Toilette. Viele Seglerinnen kontrollieren daher ihre Periode mit der Einnahme von Hormonen. Rosie zum Beispiel war sehr offen, was den Gang zur Toilette angeht. Das lag daran, dass sie sich im Team sehr wohl fühlte – die hatten ihr sogar einen Toilettensitz für den Eimer gebaut. Es gibt also Dinge, die man tun kann. Nur muss es mehr zu einem offenen Thema werden. Wir alle wissen, dass die Periode nicht alle Frauen auf dieselbe Art und Weise beeinträchtigt. Manche erleiden tagelang Höllenqualen, andere wiederum bemerken sie kaum – aber alle müssen in der Lage sein, darüber sprechen zu können, ohne dass es unangenehm ist. Es ist viel besser, die Frauen an Bord ganz offen zu fragen „Hey, hast du dir darüber schon Gedanken gemacht? Wie willst du das handhaben?“, anstatt sie das Problem stillschweigend selbst bewältigen zu lassen.
Eine Welt, in der Frauen nicht dafür verurteilt werden, eine Frau zu sein, oder als „zu viel“ gelten. Wenn man als Frau zu freundlich ist, dann ist man flirty, ein Mann hingegen charmant. Eine Frau kann stark sein, ohne aggressiv zu sein. Außerdem wünsch ich mir, dass Frauen nicht mehr das Gefühl haben, sich so viel mehr beweisen zu müssen als Männer. Es wäre großartig, wenn wir in allen Bereichen 50:50 erreichen und kleine Mädchen voller Stolz davon träumen können, die nächste Rosie oder die nächste Cole zu werden – das sollte ein völlig normaler, nicht aber fast unmöglicher Traum sein! Mit Dingen wie dem Magenta Project und auch Malizia kommen wir dem ein Stück näher.
Der Ozean selbst. Daher ist es so wichtig, dass wir uns intensiv für den Schutz der Meere einsetzen. Wenn wir Dinge wie den Tiefseebergbau oder die Schleppnetzfischerei zulassen, wenn wir uns anschauen, wie der Klimawandel voranschreitet und was mit dem Wasser passiert, dann macht mir das große Sorgen. Der Ozean ist doch dieses wunderschöne Spielfeld der Segler – das dürfen wir niemals verlieren.
Interview: Kiel-Marketing.