InterviewJohn Hughes, wie segelt man mit einer Hand?

YACHT-Redaktion

 · 16.10.2022

Interview: John Hughes, wie segelt man mit einer Hand?Foto: Privat
John Hughes auf seiner Sun Odyssey 35

Einhandsegler im doppelten Wortsinn: John Hughes hat von Geburt an nur eine Hand – und war bislang meist allein mit seinem Boot auf Törn

Der gebürtige Engländer John Hughes (70) hatte bis kurz vor seinem Ruhestand eine eigene Karosseriewerkstatt in Wales. Seit ein paar Jahren lebt er in Innsbruck. Die Sommermonate verbringt er überwiegend auf seiner Sun Odyssey 35 in Griechenland. Künftig wird auch seine dann ebenfalls in den Ruhestand gewechselte Frau dabei sein.

Wie segelt man mit einer Hand?

Genauso wie mit zwei Händen. Im Ernst, ich habe an meinen Booten nie etwas verändert, um sie „einhandtauglicher“ zu machen. Da ich mit nur einer Hand zur Welt gekommen bin, bin ich es von kleinauf gewohnt, mich anzupassen. Außerdem habe ich ab und zu Segelgäste an Bord. Da wäre es nicht gut, wenn ich Dinge wie Winschen, Steuerung oder Elektronik so verändern würde, dass zwar ich besser damit zurechtkäme, die anderen dann im Zweifel aber nicht mehr.

Wie sind Sie überhaupt zum Segeln gekommen?

Als Kinder bauten mein bester Freund und ich in der Werkstatt seines Vaters Modellboote und ließen sie auf einem nahen See fahren. Dabei träumten wir davon, eines Tages auf größeren Booten unterwegs zu sein. Als ich 23 war, besuchten wir gemeinsam einen Segelkurs. Wir sind heute noch beste Freunde und segeln zusammen, wann immer es geht.

John Hughes hat das Segeln vor Wales gelernt, nun ist er meistens in Griechenland unterwegsFoto: Privat
John Hughes hat das Segeln vor Wales gelernt, nun ist er meistens in Griechenland unterwegs

Haben Sie damals gleich nach dem Kurs ein eigenes Boot angeschafft?

Ja, das habe ich in der Tat. Es war ein Fünf-Meter-Schiff, mit dem ich ein bisschen herumspielen wollte. Beim Bootshändler traf ich einen alten Bekannten, der auch seinen Segelschein gemacht und ein kleines Boot gekauft hatte. So lagen unsere beiden Schiffe gemeinsam in Wales vor Anker und wir unternahmen zusammen viele Törns. Dabei verbesserten wir nach und nach unsere Segelfähigkeiten.

Wann zog es Sie auf größere Törns?

Das war einige Zeit später, als jemand aus meinem Bekanntenkreis Crew für eine Atlantiküberquerung auf einem Katamaran suchte. Wir sind dann aber nicht weit gekommen, weil sich das Boot nach zwei Tagen auf See als derart undicht erwies, dass wir es gerade noch zurück in eine Werft segeln konnten.

Also aus der Traum von der Karibik?

Vorerst ja. Auch weil ich dann eine eigene Werkstatt hatte, um die ich mich kümmern musste. Ich baute mir aber ein Schiff aus, das ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern sowie mit meinem Schwager und dessen Familie in Wales segelte. Diese Eignergemeinschaft hielt 40 Jahre lang an. In die Karibik bin ich dann aber auch noch gesegelt: Mein Freund aus Kindertagen hatte sich eine Hochseeyacht gekauft und fragte, ob ich mit ihm über den Atlantik wolle. Wir hatten zwar mit vielerlei technischen Problemen zu kämpfen, am Ende kamen wir aber nach 25 Tagen in Barbados an. #

Trotz Handicap etwas zu wagen lohnt meist mehr, als stattdessen auf Nummer sicher zu gehen.

Und nun also segeln Sie in Griechenland oftmals ohne Crew. Ist das nicht anstrengend?

Schon, jedoch nicht so sehr wegen der fehlenden Hand, sondern aufgrund des Älterwerdens. Ich habe aber vor Kurzem eine E-Winsch nachgerüstet, um es mir ein wenig einfacher zu machen. Die größte Veränderung wird sowieso eine ganz andere: künftig mehr auf die Anweisungen meiner Frau zu hören, wenn sie bald regelmäßig mit dabei ist.

Wenn Sie zurückschauen auf Ihr Leben, welches Resümee ziehen Sie, und was raten Sie anderen?

Mit einem Handicap gleich welcher Art ist es nicht immer leicht, etwas zu wagen, das die Gesellschaft als nicht normal ansieht. Es trotzdem zu tun, lohnt meist aber mehr, als stattdessen auf Nummer sicher zu gehen.

Interview: Eric Jehart