InterviewDeutsches Spielschiffmuseum zeigt mehr als 2.000 Spielschiffe

Lasse Johannsen

 · 03.05.2024

Interview: Deutsches Spielschiffmuseum zeigt mehr als 2.000 SpielschiffeFoto: Deutsches Spielschiffmuseum
Spielschiffmuseum: Obwohl es sich um einen alten europäischen Industriezweig handelt, ist die Geschichte der Spielschiffe in Vergessenheit geraten. Das soll sich nun ändern
Der Franzose Claude Bernard, Jahrgang 1956, eröffnete in Mutzschen bei Grimma gemeinsam mit seiner Frau das europaweit erste Museum für Spielschiffe. Seine Sammelleidenschaft hegt er mittlerweile schon seit 40 Jahren

Herr Bernard, warum sammeln Sie Spielschiffe?

Ich hatte ein Haus gebaut und da war eine leere Wand, vor die ich ein Spielschiff gestellt habe. Und ein Mann, der so etwas macht, der kreuzt dann die Arme und schaut das an und sagt, oh, das hast du gut gemacht! Und da ich im Treppenhaus noch etwas mehr Platz hatte, habe ich da ein zweites Schiff hingestellt. Und wenn Sie Sammler sind, dann beginnt mit dem zweiten Teil eine Sammlung.

Und warum ausgerechnet Spielschiffe?

Weil ich das Meer liebe, ich bin ja auch Segler, und ich finde die Träume so faszinierend, die in diesen Kinderschiffen stecken.

Seit wann gibt es Ihr Spielschiffmuseum?

Seit drei Jahren. Meine Sammlung wurde mit weit über 2.000 Spielschiffen aus Holz und Kunststoff zu groß für unser Wohnhaus, und es gab die Gelegenheit, sie in eine alte Kantorei zu verlagern.

Was unterscheidet die Schiffe von Modellschiffen?

Modelle sind Einzelstücke und zum Anschauen. Spielschiffe werden industriell gefertigt, sind voll funktionsfähig und fürs Wasser gemacht, sodass ein Kind damit spielen kann, ohne dass es kaputt geht.

Sind Spielschiffe denn immer Segelschiffe?

Zum größten Teil. Es gibt auch Kanus, Ruder- und Motorboote, die mit Uhrwerk, Elektromotor oder Dampfkessel fahren. Aber das sind höchstens 20 Prozent.

Wann gab es die ersten Spielschiffe?

Die Anfänge dieser Industrie reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Die goldene Zeit waren allerdings die 1920er-Jahre. In Deutschland waren es anfangs Schachtelmacher, die Spielschiffe bauten. Später wurden die Rümpfe aus dem Vollen geschnitzt. Meist von Heimarbeitern. Wir sind mit unserem Museum in Sachsen ganz nah am Ursprung. Im thüringischen Steinach fing 1855 die Firma Greiner mit der Produktion an. Und wenige Jahre später wurden im benachbarten Mengersgereuth-Hämmern in jedem zweiten Haus Spielschiffe gebaut.

Im tiefsten Binnenland!

Und von Leuten, die keine Ahnung von Schiffen hatten, die waren viel zu arm, um irgendwann mal am Meer gewesen zu sein. Aber sie haben Bilder aus Zeitungen oder von Zigarrenschachteln genommen und haben angefangen zu produzieren.

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War Deutschland das erste Land, in dem Spielschiffe produziert wurden?

Ja. Und mehr noch: Drei Viertel der Weltproduktion kommen aus Deutschland. Es gab Firmen, die bis zu 100 verschiedene Modelle im Katalog hatten.

Und dennoch gab es bislang kein Museum?

Noch nicht einmal Sammler. Es gab nur Holzspielzeug-Sammler, die auch Spielschiffe gesammelt haben. Reine Spielschiffsammlungen gab es bisher etwa in Frankreich, England und den USA.

Dann dürfen sich nicht nur Segler darüber freuen, dass Sie an diese Geschichte erinnern!

Ja, wobei insbesondere für Segler interessant sein wird zu sehen, dass ein Spielschiff funktioniert wie ein großes Schiff. Man stellt Ruder und Segel ein und braucht nur Wasser und Wind.

Claude Bernard eröffnete das Deutsche SpielschiffmuseumFoto: Deutsches SpielschiffmuseumClaude Bernard eröffnete das Deutsche Spielschiffmuseum

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