InterviewDer Bodensee – das perfekte Umfeld für Klassiker

Lasse Johannsen

 · 26.06.2023

Interview: Der Bodensee – das perfekte Umfeld für KlassikerFoto: YACHT/T. Stoerkle
Für den Freundeskreis organisiert Sylvie Schneider das Classic Weekend Bodensee, eine viertägige „Far Niente“
Im Interview verrät Sylvie Schneider, was die Szene am Bodensee ausmacht – und warum dieses Revier das perfekte Umfeld für Klassiker ist

Sie war Anfang 20, als während eines Korsika-Törns der Entschluss reifte, ein eigenes Boot anzuschaffen. Aber eines aus Holz musste es sein. Es wurde ein Schwertzugvogel, Baujahr 1966, und Sylvie Schneider segelt mit dem Boot seither Regatten auf verschiedensten Revieren, von Süddeutschland bis Kiel und in die Bretagne. Dass 2000 ein Jollenkreuzer in Lindau am Bodensee hinzukam, konnte daran bis heute nichts ändern. Doch die Freude am Fahrtensegeln kann sie seither so richtig ausleben. Obwohl, sagt Schneider, der Bodensee auch bei Klassiker-Crews die Bühne für heiße Regatta-Gefechte ist.

Für den Freundeskreis Klassische Yachten betreut die Wasserburgerin seit vielen Jahren das Netzwerk Süd und ist damit Ansprechpartnerin für die Mitglieder und Organisatorin zweier Wintertreffen – einem an den oberbayerischen Seen und einem am Bodensee. Die Eigenheiten der dortigen Szene kennt daher kaum jemand so gut wie sie

YACHT: Was macht die Klassiker-Szene am Bodensee aus?

Sylvie Schneider: Hier gibt es viel Holz. So viel Holz, dass sogar Klassenregatten stattfinden können. Die einzelnen Klassen sind in sich sehr geschlossen, es gibt ein großes Klassenbewusstsein.

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Sie meinen, die verschiedenen Klassiker kommen gar nicht zusammen?

Doch, übergreifend gibt es etwa die Internationale Bodenseewoche, da wird je nach Meldezahl nach Yardstick oder Klassenwertung gesegelt. Dann gibt es die Bodensee Traditionswoche vom Verein Oldtimerschiffer Bodensee. Dort kommen meist 30 bis 40 Oldtimer zusammen. Sie ist immer in der ersten gemeinsamen Woche der bayerischen und baden-württembergischen Sommerferien, stets nur in den ungeraden Jahren. In den geraden Jahren findet am gleichen Termin das viertägige Classic Weekend vom Freundeskreis statt.

Und welche Bootsklassen sind hier mit eigenen Regatten besonders aktiv?

Zum Beispiel die 30er und 40er Schären, die 45er und 75er Nationalen Kreuzer, Lacustre, Drachen, die 6-mR- und 8-mR-Yachten ...

... Das klingt nach vielen Regatten!

Es gibt beides, relaxtes Genusssegeln und ambitioniertes Regattieren. Und dabei herrscht Ehrgeiz. Die Mittwochsregatten der Clubs werden von den Klassiker-Crews als Training genutzt.

Zwischen den modernen Booten ...

Ja. An den verschiedenen Orten haben sich die Clubs zusammengetan und richten reihum die Mittwochsregatten aus. Wer also Crewabläufe trainieren will, nutzt die Mittwochsregatten.

Wie sehr schlägt sich der Ehrgeiz in den Booten und der Ausrüstung nieder?

Das ist ganz unterschiedlich. Die Bootsbauer und Segelmacher im Süden versuchen sehr, alles zu perfektionieren. Was die Klassenvorschriften ermöglichen, wird genutzt. Das Streben zur Perfektion führt zu ausgeprägten Diskussionsrunden, und die verantwortlichen Technik-Obleute in den Klassenvereinigungen investieren viel Zeit, um allen bestmöglich gerecht zu werden.

Sind bei den übergreifenden Klassikertreffen auch Regeln zu beachten?

Es wird, je nach Veranstaltung, ein Unterschied bei den zugelassenen Schiffen gemacht. Bei der Bodensee-Traditionswoche darf das Baujahr nicht später als 1940 liegen. Es sind jedoch auch Repliken alter Schiffe zugelassen und solche, die mindestens 30 Jahre alt sind, wenn sie nach Rissen gebaut wurden, die vor diesem Jahr entstanden.

Ist die Teilnahme am Classic Weekend Bodensee an ein Baujahr geknüpft?

Bei uns ist die Teilnahme nur an die Bedingungen klassischer Riss und traditionelle Bootsbaumethode gebunden. Da darf also genauso ein 45er Nationaler teilnehmen, der 2020 oder 1920 gebaut wurde. Die Schnittmenge der Teilnehmer dieser beiden Veranstaltungen liegt aber bei etwa 80 bis 90 Prozent. Das ist wie eine große Familie. Und es kommen immer wieder neue dazu.

Woher?

Viele von anderen Revieren nutzen diese Treffen, weil sie immer schon mal am Bodensee segeln wollten und diese Veranstaltungen ihnen den entsprechenden Rahmen und Support bieten, mit den Besonderheiten des Reviers klarzukommen. „Betreutes Segeln“ nannte es mal einer unserer Teilnehmer beim Classic Weekend Bodensee.

Gibt es auch den umgekehrten Effekt?

Ja, ich kenne sogar viele Eigner, die nicht nur ein Schiff haben, sondern eine Yacht und eine Jolle. Die haben ihren Vertenskreuzer oder ihren 35er Nationalen auf dem festen Liegeplatz, und mit der Jolle oder dem Jolli fahren sie zu Regatten an den Attersee, an die bayerischen Seen oder sogar zur Classic Week auf der Ostsee. Ich bin ja auch so eine, mit meinem Zugvogel war ich schon beim Rendezvous der Klassiker.

Was fällt Ihnen noch an Besonderheiten der Szene am See auf?

Die Schiffe sind echte Familienmitglieder. Wir haben viele Klassiker, die seit zwei, drei oder sogar vier Generationen in einer Hand sind, weil die Familien hier so verwurzelt sind. Es gibt Familien, die ihr Schiff am Bodensee liegen haben, obwohl sie mittlerweile ganz woanders leben. Aber sie kommen in ihrer Freizeit von außerhalb, manche sogar regelmäßig von sehr weit her, um zu segeln. Und so liegen die Schiffe teilweise seit Jahrzehnten hier am Bodensee. Aber es ist hier auch ein sehr gutes Umfeld für die klassischen Boote und Yachten und ihre Eigner.

Was meinen Sie damit?

Vor allem die Dichte von Holzfachleuten, die ihren Beruf aus Berufung ausüben. Bootsbauer, die ihr Wissen auch gern an die Eigner weitergeben. Die nicht gleich sagen: „Gib mir das mal, das mach ich dir dann schon – für Geld!“, wenn eine Eignerin oder ein Eigner, die oder der viel selbst macht, mit einer Frage kommt. Sondern die bereit sind, dir zu zeigen, wie es geht, und dich zu unterstützen, weil sie wissen, wenn es zu schwierig wird, dann wird der Fachmann oder auch die Fachfrau hinzugezogen. Die einfach so viel Liebe zu diesem Handwerk mit Holz haben, dass die Augen strahlen, wenn sie von Holz und Booten erzählen.


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