Ursula Meer
· 20.05.2025
Unter dem Motto "Inklusives Offshore Segeln" werden am 4. Juni Menschen mit und ohne körperliche Einschränkungen gemeinsam auf der legendären Ocean Race-Siegeryacht “Illbruck” (jetzt "SkenData") ein Segelerlebnis teilen. Das Projekt wird in Kooperation von "Wir sind Wir - Inclusion in Sailing", Speedsailing Rostock und dem Rostocker Regatta Verein durchgeführt. Mit dem herausfordernden Törn möchten die Veranstalter einen neuen Meilenstein für die Inklusion im Segelsport setzen.
Eine sehbehinderte Seglerin segelt aktiv beim Rostocker Regatta Verein, drei weitere Blinde oder Sehbehinderte gehören dem ebenfalls von “Wir sind Wir” initiierten „Bat Sailing Team“ an. In dessen Crew sind neben blinden Menschen und solchen mit Sehbehinderung auch Gehörlose, Rollstuhlfahrer und Menschen ohne Beeinträchtigung. Schon im fünften Jahr misst sich das Team in der J/70er-Klasse auf der Regattabahn der Kieler Woche. 2023 schaffte es den Sprung in die 2. Segel-Bundesliga, segelte im vergangenen Jahr eine erfolgreiche erste Liga-Saison und geht auch 2025 wieder an den Start. Neben den Regatten stehen regelmäßig Workshops und Segelkurse auf dem Plan.
Das prominenteste Crewmitglied ist Sigmund Mainka. Der beidseitig beinamputierte Ausnahmesportler hat im Team mit Jens Kroker und Robert Prem im Dreier-Kielboot der Bootsklasse Sonar bei den Paralympischen Spielen in Peking 2008 die Goldmedaille gewonnen, vier Jahre später im selben Team in London die Silbermedaille. Mit dem Törn auf dem Ocean-Racer betreten sowohl die Crew als auch die Veranstalter Neuland.
Wenngleich die Crew von Haus aus durchaus regattaambitioniert ist, wird es am 4. Juni weniger um den Wettkampf gehen. Mit dem Projekt möchten die Veranstalter vor allem den inklusiven Segelsport sichtbar machen und zeigen, dass Inklusion eine Bereicherung für alle darstellt. "Durch das gemeinsame Segelerlebnis werden Teamgeist und gegenseitiger Respekt vermittelt, was direkte Transfermöglichkeiten für inklusive Praktiken im Arbeitsalltag aufzeigt", betont Sven Jürgensen von "Wir sind Wir". "Wir wollen Unternehmen und Organisationen für das Thema Inklusion sensibilisieren und demonstrieren, wie eine inklusive Kultur aussehen kann."
Mit einer der bedeutendsten in der Rennyachten der deutschen Segelgeschichte ist die volle Aufmerksamkeit für die Sache wohl garantiert. Die V.O.60-Rennyacht "Illbruck", die heute unter dem Namen “SkenData” firmiert, hat unter Skipper John Kostecki als erste und bislang einzige deutsche Yacht 2002 das legendäre "The Ocean Race" gewonnen. Während dieses Rennens rund um die Welt stellte das Team gleich zwei Weltrekorde auf: den 24-Stunden-Weltrekord mit 896 km und den Geschwindigkeitsrekord für Einrümpfer mit knapp 73 km/h. Die "Illbruck" hat durch ihre Erfolge und Rekorde einen festen Platz in der Offshore- und Hochseesegelszene.
"Wir sind Wir -- Inclusion in Sailing" widmet sich seit fünf Jahren dem inklusiven Segelsport. 2022 und 2023 hat er erfolgreich zwei inklusive Segel-Weltmeisterschaften in Rostock ausgerichtet. Mit dem "Heinz Kettler Deutschland Cup" organisiert er auch die weltweit erste echte inklusive Regatta-Serie. Der Verein realisiert zudem zahlreiche inklusive Kinder- und Jugendsegelprojekte und fördert damit den Segelsport bereits in jungen Jahren als verbindendes Element.
Jenseits der nach wie vor oft üblichen Trennung von Para-Sport und Sport für Menschen ohne Beeinträchtigungen verbindet inklusives Segeln die Menschen. Gemeinsam lernen sie das Segeln oder nehmen an regulären und hochkarätigen Wettkämpfen teil - ohne die früher üblichen Sonder-Events. Dabei steht im Vordergrund, dass gelebte Inklusion eine echte und schöne Bereicherung für alle Beteiligten ist und weit über den Sport hinaus in den Alltag wirken kann. Clemens Kraus von "Wir sind Wir Inclusion in Sailing e.V." betont: "Der inklusive Segelsport hat in den letzten Jahren bereits viel bewegt. Was wir durch unsere inklusiven Segelprojekte erlebt haben, zeigt eindrucksvoll, wie wertvoll und wichtig diese Begegnungen auf Augenhöhe sind - nicht nur für die Teilnehmenden selbst, sondern für die gesamte Gesellschaft."
Speedsailing in Rostock, Anbieter für Segelevents mit langjähriger Erfahrung im Hochseesegeln, und der Rostocker Regatta Verein unterstützen das Projekt - Speedsailing mit seinem Ocean Racer und Crew, der Rostocker Regatta Verein mit Know-how, Infrastruktur und einer starken Verankerung in der lokalen Segelgemeinschaft. Die drei Akteure verbindet die gemeinsame Ausrichtung der "Inklusiven Segel-Weltmeisterschaften" (Inclusion World Championship for Sailing) in Rostock 2022 und 2023. Während dieser Wettkämpfe entstand auch die Idee für das aktuelle Offshore-Segelprojekt.
„Wir sind Wir – Inclusion in Sailing e.V.“ organisiert seit fünf Jahren neben dem “Bat Sailing Team” weitere inklusive Segelangebote. Beim „Helga Cup“ sorgt der Verein für eine stetig wachsende Anzahl an inklusiven Teams. Die Veranstaltung findet vom 12. bis 15. Juni beim Norddeutschen Regattaverein in Hamburg statt und bringt 78 Teams, darunter 16 inklusive, auf die Bahn. Im Sommer veranstaltet “Wir sind Wir” den „Heinz Kettler Deutschland Cup“, eine weltweit einzigartige inklusive Regattaserie, die am 30. Mai beim Yachtclub Möhnesee startet, im August in Sassnitz fortgesetzt wird und am 18./19. Oktober beim Hamburger Segel-Club auf der Außenalster endet.
Während der Kieler Woche vom 21. bis 29. Juni werden spezielle inklusive Kurse für Blinde, Sehbehinderte und Rollstuhlfahrer angeboten, und das modifizierte Boot „Henk de Mol“ ermöglicht besondere Regattabenteuer. Zu Austausch und Vernetzung lädt schließlich ein inklusives Sommerfest am 3. Juli beim Hamburger Segelclub ein.