Segeln fördert Teamgeist, Mut und Selbstvertrauen – und ist damit längst zu einer der beliebtesten inklusiven Sportarten geworden. Jenseits der nach wie vor oft üblichen Trennung von Para-Sport und Sport für Menschen ohne Beeinträchtigungen bringt inklusives Segeln die Menschen zusammen. Gemeinsam lernen sie das Segeln oder nehmen an regulären und hochkarätigen Wettkämpfen teil - ohne die früher üblichen Sonder-Events. Sie fördern ganz nebenbei auch das gesellschaftliche Miteinander.
„Wir sind Wir – Inclusion in Sailing e.V.“ widmet sich der Inklusion im Wassersport mit Segelkursen und Projekten wie dem „BAT Sailing Team“. In der Crew: Blinde Menschen und solche mit Sehbehinderung, Gehörlose, Rollstuhlfahrer und Menschen ohne Beeinträchtigung. Schon im fünften Jahr misst sich das Team in der J/70er-Klasse auf der Regattabahn der Kieler Woche. 2023 schaffte es den Sprung in die 2. Segel-Bundesliga, segelte im vergangenen Jahr eine erfolgreiche erste Liga-Saison und geht auch 2025 wieder an den Start. Neben den Regatten stehen regelmäßig Workshops und Segelkurse auf dem Plan.
Auch beim “Helga Cup“ sorgt der Verein für jährlich mehr inklusive Teams auf den Bahnen – nicht von ungefähr, denn Sven Jürgensen, einer der führenden Köpfe von “Wir sind Wir”, ist gleichzeitig Initiator der größten Frauenregatta der Welt. Für das diesjährige Event, das vom 12. bis 15. Juni beim Norddeutschen Regattaverein auf der Hamburger Außenalster ausgetragen wird, haben bereits 78 internationale Crews gemeldet, darunter 16 inklusive.
Mit dem „Heinz Kettler Deutschland Cup“ wird in diesem Sommer zum dritten Mal eine weltweit einzigartige inklusive Segelserie auf Binnengewässern und der Ostsee ausgetragen. Der Startschuss zum diesjährigen Cup fällt am ersten Spieltag (30. Mai bis 1. Juni) beim Yachtclub Möhnesee. Parallel zum Tourstopp des internationalen Segelwettbewerbs SailGP in Sassnitz auf Rügen wird im August der zweite Spieltag angesetzt. Das Finale am dritten Spieltag findet am 18. und 19. Oktober beim Hamburger Segel-Club auf der Außenalster statt.
Während der Kieler Woche vom 21. bis 29. Juni gehen neben den sportlich ambitionierten J/70-Crews auch weitere Menschen mit Sehbehinderungen und Rollstuhlfahrer und aufs Wasser: Für blinde Menschen und Personen mit Sehbehinderung wird vom 22. bis 25. Juni ein Segelkurs angeboten. Die eigens für die Bedürfnisse von Rollifahrern modifizierte „Henk de Mol“ nimmt Rollstuhlfahrer mit auf Regattabegleitfahrten. Unter professioneller Anleitung übernehmen sie selbst Ruder und Schoten, wie hier im Video zu sehen. Konzipiert auf Basis einer Bente 24, verspricht das Boot des Vereins Inklusives Segeln für Alle e.V. aus Kaarst ein sportliches Segelerlebnis für alle. Wer sich dabei lieber den Nordseewind um die Nase wehen lässt, hat dazu bei der Sail Bremerhaven vom 13. - 17. August Gelegenheit.
Kinder und Jugendliche können von April bis Oktober an inklusiven Segelkursen auf der Hamburger Außenalster teilnehmen. Insgesamt neun Kurse bietet „Wir sind Wir“ in Kooperation mit Hamburger Stiftungen und Fördervereinen an. Im Mittelpunkt steht neben dem gemeinsamen Erlernen des Segelns das Vermitteln neuer, inklusiver Erlebnisse – alle lernen voneinander. Erstmals werden in diesem Jahr auch schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche teilnehmen. Nähere Infos dazu gibt es bei sven.juergensen@wir-sind-wir.org.
Gelegenheit, sich trockenen Fußes über Segelaktivitäten zu informieren und zu vernetzen, gibt es bei schließlich bei einem inklusiven Sommerfest am 3. Juli beim Hamburger Segelclub.
Mit gezielter Unterstützung und Starthilfe für das inklusive Segeln in Vereinen bringt auch die Stiftung „Turning Point“ Menschen jeden Alters – insbesondere Jugendliche – mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen, aber auch gesellschaftlich oder sozial Benachteiligte aufs Wasser. Jens Kroker, mit drei Paralympics-Medaillen einer der erfolgreichsten paralympischen Segler weltweit, leitet die Stiftung. Sie versteht sich als Segel-Plattform für Inklusion. Er und sein Team stehen inklusionsinteressierten Vereinen ebenso mit Rat und Tat beiseite wie Menschen mit Beeinträchtigungen, die segeln möchten.
Fest auf dem Programm stehen jährlich vier inklusive Segelkurse, treffend „Wendekurse“ genannt. Die Veranstaltungen richten sich an Vereine, die schon erste Erfahrungen mit inklusiven Segelaktivitäten haben, über die nötige Infrastruktur verfügen und nun intensiver und systematischer benachteiligte Menschen in das Clubleben integrieren möchten – sportlich wie auch sozial. Jeder der dreitägigen Wendekurse wird vom Team der Stiftung und Clubmitgliedern gemeinsam gründlich geplant, von der Gewinnung von Teilnehmern über logistische Abläufe und Verpflegung bis hin zur Planung dauerhaften Segelangeboten. An den Segeltagen begleiten jeweils zwei Trainerinnen vier junge Segler auf den stiftungseigenen Booten vom Typ Sonar. Die diesjährigen Wendekurse werden vom 23. bis 25. Mai beim Essener Turn- und Fechtklub e.V., vom 13. -bis 15. Juni beim Münchner Yacht-Club e.V. und vom 1. bis 3. August am Cospudener See bei Leipzig angeboten.
Es gibt viele Fördermöglichkeiten für Vereine, die inklusive Segelprojekte umsetzen möchten. Neben der fachlichen Unterstützung durch Initiativen wie der Stiftung „Turning Point“ können sie private oder öffentliche Fördermittel erhalten. So wurden jüngst dem Segelclub Prien von der bayerischen Staatsregierung über 10.000 Euro für inklusive Segelangebote bereitgestellt. Mit den Mitteln kann der Verein seine Infrastruktur verbessern; der Einsatz der Clubmitglieder ist hier wie bei den meisten anderen Vereinen rein ehrenamtlich. Bei ihren Landesverbänden, Kommunen oder dem Deutschen Segler-Verband können sich Vereine nach spezifischen Förderprogrammen für Inklusionsprojekte erkundigen. Die Aktion Mensch hat ein eigenes Förderprogramm und eine Liste aller Förderer des inklusiven Sports erstellt, unter ihnen auch solche, die die Programme zu 100 % fördern und damit die oft knappen Vereinskassen von einem Eigenanteil befreien.
Der inklusive Ansatz im Segelsport unterscheidet sich grundlegend vom klassischen Behindertensport. Während im Behindertensport oft separate Wettkämpfe und Trainingsgruppen für Menschen mit Beeinträchtigungen existieren, zielt Inklusion darauf ab, Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam segeln zu lassen. Dies fördert nicht nur den sportlichen Austausch, sondern auch das gegenseitige Verständnis und den Abbau von Barrieren in der Gesellschaft. Inklusive Projekte zeigen, dass gemischte Teams erfolgreich an regulären Wettkämpfen teilnehmen können und weichen die Grenzen zwischen Behinderten- und Regelsport auf.