Im AkkordKranen, Warten, Einlagern – hinter den Kulissen beim Bootsservice-Betrieb

David Ingelfinger

 · 17.12.2025

Maßarbeit. Eine Hanse 56 wird zentimeterweise in die Halle bugsiert.
Foto: David Ingelfinger
Im Oktober haben Winterlagerbetreiber Hochsaison. Dann werden mancherorts Schiffe im Akkord gekrant. So wie bei der Yachtwerft Dick in Kiel. Dort arbeitet ein 25-köpfiges Team nach einem ausgeklügelten Plan.

​Hochdruckreiniger füllen die Luft mit Nebelschwaden. Mitarbeiter der Werft rufen einander Anweisungen zu. Das Motorengeräusch eines Krans dröhnt in den Ohren. Eine Yacht schwebt in der Luft, Brackwasser rinnt an ihrem Rumpf herab und sammelt sich auf der Pier. Etwas abseits stehen Daniela und Thomas, das Eignerpaar. Angespannt beobachten die beiden, wie der Kranführer ihre Hanse 56 langsam über das Areal schwenkt und am Waschplatz auf einen Lagerbock setzt.

Schauplatz des Geschehens ist die Yachtwerft Dick in Kiel-Wik am Ufer des Nord-Ostsee-Kanals. Von Mitte September bis Mitte November werden dort an feststehenden Terminen jeweils bis zu 30 Boote aus dem Wasser gehoben, gereinigt und ins Winterlager gestellt – in den Spitzenzeiten im Oktober dreimal in der Woche. Für Werkstattleiter Lasse Brandhorst und sein rund 25-köpfiges Team bedeutet das Arbeit im Akkord. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, wie die eingespielte Mannschaft diese Mammutaufgabe bewältigt.


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​Sobald frühmorgens die ersten Yachten am Schwimmsteg unterhalb der gut fünf Meter hohen Betonpier festmachen, geht’s los. Wie in einem Uhrwerk, das in Gang gesetzt wird und in dem ein Zahnrad in das andere greift, durchlaufen die Schiffe mehrere Stationen. „Wenn man hier anlegt, kommen sofort mehrere Leute an Bord und fangen an zu arbeiten – wie die Ameisen“, sagt Eigner Thomas mit einem Augenzwinkern und noch etwas ungläubig ob der Schnelligkeit, mit der der Mast gezogen und sein Schiff an Land gestellt war.

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Er und seine Frau bringen ihre Hanse mit dem eher ungewöhnlichen Namen „Kurs 270“ schon seit fünf Jahren zum Einwintern in die Yachtwerft Dick. Während der Saison ist das Paar auf der Ostsee unterwegs. Dass sie im Herbst immer wieder nach Kiel kommen, liege am außergewöhnlichen Service des Betriebs. „Die sind hier jedes Mal unglaublich effizient, aber so schnell wie heute waren sie noch nie“, staunt auch Daniela. Keine 20 Minuten hat das Auswassern gedauert.

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„Dass alles derart reibungslos funktioniert, ist einem System zu verdanken, das vor 30 Jahren implementiert und seither kontinuierlich verbessert wurde“, erläutert Brandhorst. Die Eigner erhalten feste Zeiten, zu denen sie vor Ort sein müssen. Dann wird bei Bedarf als Erstes der Mast gelegt, danach das Schiff einige Meter weiter am Steg bis unter den Kran verholt.

Hand in Hand mit hohem Arbeitstempo

Fürs Auskranen befestigen Mitarbeiter zwei Gurte am Kranhaken und führen sie dann am Bug und Heck unten um den Rumpf herum. Dabei nutzen sie Unterwasserkameras, um die Gurte optimal zu positionieren. Sobald sie an der richtigen Stelle sitzen, wird das Boot aus dem Wasser gehoben und an Land auf einen schon bereitgestellten Bock gesetzt. Die Stützen und Auflagen der Stellböcke werden von einem weiteren Team vorher individuell für jedes Schiff angepasst.

Dabei wird auf zwei Waschplätzen parallel gearbeitet. Während auf dem einen ein Team das Unterwasserschiff mit Hochdruckreinigern säubert, nehmen ein paar ihrer Kollegen bereits das nächste Boot aus dem Kran in Empfang. Schlussendlich geht es mit einem speziellen Hubwagen in Lkw-Größe von der Pier über die davor verlaufende Straße zum gegenüberliegenden Winterlager. Dort werden die Schiffe wahlweise auf dem Freigelände oder in einer Halle abgestellt. Kleinere Boote treten bisweilen auch eine weitere Reise in eine von mehreren Hallen an, die sich in verschiedenen Kieler Stadtteilen befinden.

„Angesichts des Arbeits­tempos hat man schon immer auch ein bisschen Sorge ums Boot, aber bisher ist noch nie richtig was schiefgegangen“, sagt Eignerin Daniela und seufzt erleichtert. Lasse Brandhorst bestätigt, dass es in den letzten 15 Jahren während seiner Zeit an der Werft keine Zwischenfälle beim Kranen gegeben habe. „Allenfalls gibt es mal einen verbogenen Windex oder eine defekte Lampe.“ Die jahrelange Routine trage entscheidend zum reibungslosen Arbeitsablauf bei.

Effizienz dank minutiöser Planung

Das Besondere am System der Yachtwerft Dick ist, dass alle Schritte gleichzeitig stattfinden. Während beim einen Boot gerade der Mast gelegt wird, hängt ein anderes im Kran. Ein drittes Schiff wird währenddessen gekärchert, und ein weiteres steht schon bereit, um mit dem Hubfahrzeug ins Lager transportiert zu werden. Auf diese Weise fertigen die Werftmitarbeiter bis zu vier Schiffe gleichzeitig ab.

Dabei arbeitet jedes Team stationär. Die jeweiligen Arbeitsabläufe sind eingespielt, jeder Handgriff sitzt. „Fürs Mastlegen, Kranen und Aufbocken einer Yacht benötigen wir im Schnitt gerade einmal zehn bis fünfzehn Minuten“, sagt Brandhorst. Wie am Fließband gibt es einen unaufhörlichen Nachschub neuer Schiffe, die auf dem Kanal bereitstehen, um als Nächstes an Land geholt zu werden. „Damit das alles so funktioniert, ist vorher jede Menge Planung nötig“, so der Werkstattleiter. Das beginne mit der Terminvergabe inklusive genauer Uhrzeit für die Eigner und ende mit der Platzwahl für jedes einzelne Schiff in einer der Hallen.

„Selbst die Höhe der Stellböcke wird auf den Zentimeter genau vorgeplant, damit jedes Schiff später an den vorgesehenen Platz passt.“ Dabei kann Brand­horst häufig auf Erfahrungswerte zurückgreifen. „Da ein Großteil der Eigner schon seit Jahren bei uns ist, kennen wir die meisten Schiffe und ihre Abmessungen“, sagt Brandhorst. Nur manchmal läuft doch nicht alles nach Plan. „Letztes Jahr ist unser Geräteträger oben am Hallentor hängen geblieben“, erzählt Daniela und schaut dabei besorgt auf ihre Hanse 56. Die ist nun gerade auf dem Weg in die Halle.

Mit Qualität überzeugen

Auch diesmal wird es wieder eng. Der Motor des Hubfahrzeugs brummt dumpf in der Halle. Lasse Brandhorst, sichtlich konzen­triert, gibt mit knappen Handzeichen die Richtung vor. Unter den kritischen Blicken von Daniela und Thomas manövriert der Fahrer die große Yacht Stück für Stück durchs vergleichsweise kleine Hallentor. Kaum zehn Zentimeter Luft bleiben bei der Durchfahrt überm Geräteträger. Aber es passt. Und nach 20 Minuten Rangierarbeit ist es geschafft: Das Schiff steht auf seinem Platz. Dem Seglerpaar fällt ein Stein vom Herzen.

Auf die Frage, wie man in solchen Situationen mit der eigenen Nervosität und die der Eigner umgeht, reagiert Brandhorst mit einem Lächeln: „Wir kranen 800 Boote im Jahr. Da bekommt man eine gewisse Routine. Am Ende können wir dann doch immer durch unsere Qualität überzeugen.“

Während für Daniela und Thomas der spannende Part vorbei ist und sie einen Kaffee trinken können, fängt die Arbeit für Brandhorst und sein Team in vielen Fällen erst richtig an. Denn zum Service der Yachtwerft gehören nicht nur das Kranen des Bootes und der Transport ins Winterlager.

Eigner können darüber hinaus aus einer großen Palette weiterer Dienstleistungen auswählen. Die reicht von der Motorenwartung bis zum Full-Service-Angebot für all jene, die sich im Winter nicht selbst ums Boot kümmern wollen oder können.

Nicht einmal 20 Minuten nachdem die Hanse 56 an ihren Hallenplatz gelangt ist, kommen erneut Mitarbeiter der Werft an Bord. Sie bereiten den Motor auf den bevorstehenden Winter vor. Im Fall der „Kurs 270“ sollen sie lediglich Frostschutzmittel ins Kühlsystem einfüllen. Alles andere hatte das Paar bereits zuvor erledigt.

Die umfangreichen Dienstleistungen der Werft haben ihren Preis

Lasse Brandhorst macht die Kosten für den Service konkret: „Für einen klassischen Familiencruiser wie eine Bavaria 31 liegt das Auskranen inklusive Motorarbeiten und Lagerung für das gesamte Winterhalbjahr bei circa 4.000 Euro.“ Im Vergleich zu anderen Bootsservice-Betrieben an der Ostsee ist die Summe durchaus im Premiumsegment angesiedelt. Die Eigner zahlen diesen Aufpreis jedoch nicht ausschließlich für die erbrachte Arbeit, sondern weil sie sich auf die Vertrauenswürdigkeit und Pünktlichkeit der Werft verlassen können. „In kleineren Häfen warten Kunden schon mal ein paar Stunden, bis sie an der Reihe sind. Wenn sie bei uns einen Termin um 14 Uhr haben, dann kommen sie auch um 14 Uhr dran“, betont Brandhorst.

Die Hanse 56 von Thomas und Daniela steht nun sicher unter dem Hallendach in Kiel. Für die beiden ist die Segelsaison an diesem Tag beendet. Erst im kommenden Frühjahr werden sie ans Ufer des Nord-Ostsee-Kanals zurückkehren. Dann, wenn sich die Hallentore öffnen und das Team der Yachtwerft Dick ein Schiff nach dem anderen in sein Element zurückbefördert.

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