Tatjana Pokorny
· 11.12.2025
Ariane de Rothschild ist eine starke Frau – und Eigentümerin des im Jahr 2000 mit ihrem Mann Benjamin de Rothschild gegründeten Gitana-Rennstalls. Gemeinsam hat das Paar das Team über zwei Jahrzehnte ins neue Mehrrumpfzeitalter geführt. Er als technisch versierter und erfahrener Regattasegler, sie als Segelenthusiastin und als Managerin. Seit seinem Tod in Folge eines Herzinfarkts im Jahr 2021, führt Ariane de Rothschild das Projekt, das gerade im Teamhauptquartier in Lorients La Base den weltweit modernsten Ultim-Trimaran erstmals vorgestellt hat: “Gitana 18”.
Ich würde wirklich sagen, dass es eine Partnerschaft war, wenn auch eine mit verschiedenen Rollen. Benjamin ist mit dem Segeln großgeworden. Er war bekanntermaßen ein begeisterter Segler. Er hatte einfach sehr, sehr viel Ahnung vom Segelsport. Sein ganzes Leben war dem Segeln und Regatten gewidmet, an denen er selbst teilnahm. Als wir im Jahr 2000 das Gitana-Team gründeten, bestand die Partnerschaft zwischen uns darin, dass er eine Vision hatte, aber jemanden brauchte, die Dinge zu managen. Und manchmal auch jemanden, um den Träumer in eine strukturiertere Realität zurückzuholen…
Ich denke, es muss immer ein Gleichgewicht geben. Ob ich Grenzen setze? Ich bin überzeugt, dass man Grenzen setzen muss, denn ich glaube nicht an Projekte ohne Grenzen. Das ist wichtig, denn als wir starteten, war es zwar nicht grenzenlos, aber doch ziemlich grenzenlos, weil Teams immer dazu tendieren, nach mehr und mehr zu fragen. An einem Punkt sagte ich dann, dass das einfach nicht funktioniert. Also sagte ich: ‚Lasst es uns als strukturierteres Team und als echtes Projekt managen, nicht nur als Leidenschaft. So ergab sich ein Gleichgewicht aus Management und Leidenschaft, die wirklich zusammenarbeiten müssen.
Ich spreche nicht gerne über das Budget. Ich würde sagen, dass wir uns etwa im Bereich des vorherigen Budgets (Red.: Gemeint ist das Budget für „Gitana 17“. Den 33 Meter langen Vorgänger-Maxi-Trimaran hatte das Team 2017 vom Stapel gelassen) bewegen, vielleicht etwas darüber, aber nicht wesentlich. Wie ich bereits gesagt habe, gibt es für mich keine Projekte ohne Grenzen. Das würde nicht meinen Werten entsprechen.
Ich denke, wenn man so viel Erfahrung mit Booten hat wie Benjamin, besteht auch die Gefahr, dass man zu weit geht. Mein Mann hatte sehr klare Vorstellungen davon, wie das Boot gebaut werden sollte, was hinzugefügt werden sollte und was nicht. Er war technisch weitaus kompetenter als ich. Aber wenn man einen Konstrukteur wie Guillaume Verdier hat und mit ihm all die Ingenieure, die ihn umgeben, kommt irgendwann der Moment, an dem man aufhören muss, diese Dinge anzufassen, weil sonst das Projekt einfach nicht vorankommt.
Oder man verzerrt das ursprüngliche Projekt so sehr, dass man den Kurs verliert. Da kannst du dich ab einem gewissen Punkt nicht mehr einmischen. Ich manage das Projekt mehr. Bei der Entstehung von ‚Gitana 17‘ habe ich dem Team irgendwann gesagt, sie mögen den Bauprozess in einer Weise beschleunigen, dass Benjamin nicht die ganze Zeit interveniert, weil ich glaube, dass wir uns wirklich in Hochtechnologie bewegen.
Es geht immer um die richtige Mischung aus Equilibrium und Speed. Die Fragen sind immer: Wie liftest du, wie stabilisierst du und wie hältst du eine durchschnittliche Geschwindigkeit, die solide ist.“ Ariane de Rothschild
Natürlich. Das hätte ich nach ‚Gitana 17‘ tun können, indem ich mir gesagt hätte, dass es eine gewonnene Herausforderung, eine Bestätigung des Konzepts war, dass wir so viele Regatten gewonnen hatten. Aber das habe ich tatsächlich nicht getan. Bei den langen Diskussionen mit dem Team war es spannend zu sehen, wie all das Wissen, all die Daten, die wir in den letzten acht Jahren gesammelt hatten, in ein weiteres Boot umgesetzt werden konnten. Ich glaube, da gibt es eine gute Parallele zu dem, was im Formel-1-Autorennsport passiert ist.
Es gibt große Ähnlichkeiten: die technologische Umwälzung bei den Autos und der Geschwindigkeit seit den 1950er Jahren ist faszinierend, denn was in der Formel 1 entwickelt wurde, floss später in Hochgeschwindigkeitsautos oder Autos im Allgemeinen. Ich denke, dass das, was wir mit diesem Boot machen, letztendlich in allgemeines Wissen einfließen wird. Alle diese Denkweisen zu Foils oder der Stabilisierung des Bootes.
Denn für uns ist das die eigentliche Herausforderung: Wir wissen, dass es nicht unbedingt die schnellste Art zu segeln ist, sich wirklich weit aus dem Wasser zu erheben. Auch hier geht es also darum, die richtige Balance zu finden für einem konstanten Flug, ohne immer wieder abzustürzen. Wir hätten ‚Gitana 17‘ dafür immer weiter verändern und verändern müssen. Das ist der Grund, warum wir uns für ein sehr anderes Boot entschieden haben.
Und weiter voranzukommen. Wir sind in eine neue Ära eingetreten, nicht nur im Segelsport, sondern im gesamten Seeverkehr: Man sieht große Frachtschiffe, die mit Segeln und Foils testen. Ich hoffe sehr, dass sich die Art der Technologie, die wir entwickeln, letztendlich für den Seeverkehr im Allgemeinen als nützlich erweisen wird.
Die Suche nach dem richtigen Gleichgewicht zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die grundlegende Frage lautet: Wie kann man diese prestigeträchtige Familie mit ihrer sehr langen Geschichte ins 21. Jahrhundert bringen? Es geht darum, das Gleichgewicht zu finden.
Es geht nicht darum, einfach nur stumpf das zu wiederholen, was in der Vergangenheit gemacht wurde, sondern darum, eine langjährige Tradition neu zu erfinden.” Ariane de Rothschild
Das bedeutet übrigens nicht, dass eine meiner Töchter nicht eines Tages beschließen könnte, zu einem kleinen Einrumpfboot zurückzukehren und zu sagen, dass sie das hier nicht will. Das Interessante ist zu sehen, wie jede Generation eine sehr lange Tradition neu erfindet oder etwas hinzufügt, ohne, ich wiederhole mich, einfach nur stumpfsinnig das zu reproduzieren, was zuvor gemacht wurde.
Ich denke, es ist wirklich eine französische Exzellenz. In einer Zeit, in der es einen starken Anti-Europäismus gibt, finde ich es traurig, dass die Leute im Allgemeinen sagen, Europa sei am Ende. Wenn wir uns dieses Boot ansehen, repräsentiert es das Beste, was man in Europa und insbesondere in Frankreich machen kann, denn ich bin mir nicht sicher, ob man dieses Niveau an Technologie und Ingenieurskunst anderswo finden kann. Vielleicht in Neuseeland beim America's Cup. Wir sprechen hier wirklich vom Besten vom Besten, was man haben kann.
Nein, den Begriff mag ich nicht so. Ich mag es wirklich, neue Wege zu gehen. Das passt nicht so ganz zu einer Patronin (lacht). Als Bankerin gehe ich gerne Risiken ein. Kalkulierte Risiken, keine verrückten, versteht sich. Auch hier ist das Wesentliche wieder das Gleichgewicht zwischen der Geschichte dieser Familie, dem, was ich heute tue, wohin ich es führen möchte und der Energie, die ich innerhalb meiner Teams oder auch allgemein verbreite.
In dieser Hinsicht denke ich, dass das Gitana-Team auch ein fantastisches Beispiel für meine Banker ist. Wenn ich erzähle, was wir tun, wenn ich ihnen sage, dass es um Teamarbeit, Innovation und Wettbewerb geht, ist es, als könnten sie es fühlen, berühren. Es geht sehr weit über das einfache „Ich mag Segeln oder ich mag es nicht” hinaus.
Ich denke, es ist wahre Inspiration für viele Menschen, die mit mir arbeiten und sagen, ‚Wow, das ist ein sehr bedeutendes Projekt‘.” Ariane de Rothschild
„Wenn ich ‚Gitana 17‘ mit ‚Gitana 18‘ vergleiche, war ich bei der Planung von ‚Gitana 17‘ noch viel besorgter, weil wir mit dem Boot wirklich versucht haben, das Fliegen zu verstehen. Wir hatten vorher nicht wirklich realisiert, dass wir vom Wasser in die Luft gehen würden. Das war etwas, was noch nie zuvor gemacht worden war.
Es gab bereits kleinere fliegende Boote, doch die waren für bestimmte Bedingungen konzipiert. Der Schritt vom Halbfliegen zum echten Fliegen über die Meere war eine größere Sorge, denn wir haben das Fliegen wirklich auf die Probe gestellt. Wir haben uns tatsächlich vom Wasser in die Luft bewegt. Jetzt hingegen – mit all dem gesammelten Wissen und nach den intensiven Studien – ist das schon voll integriert. Jetzt müssen wir vor allem die Details wie die Ruder testen.
Ich glaube nicht an Zufälle im Leben. Ich denke, dass Dinge aus einem bestimmten Grund geschehen. Nächstes Jahr feiern wir das 150-jährige Jubiläum von Gitana, einer Saga, die von einer Frau begründet wurde (Red.: 1876 fand der Stapellauf von ‚La Gitana‘ statt. Das Dampfschiff hatte Julie de Rothschild in Auftrag gegeben.). Damals war es ziemlich ungewöhnlich, dass eine Frau beschloss, schnelle Boote zu bauen.
Und ich finde es sehr interessant, dass die Brüder Florian und Michael Quistrebert (Red.: Schöpfer der „Gitana 18“-Optik, die in Zusammenarbeit mit dem Palais Tokyo entstand) sich auf natürliche Weise an Frauen gewandt haben, um ihr Kunstwerk auf dem Boot umzusetzen. Denn ich hatte gesagt, dass meine Zukunft meine vier Töchter sind. Gestern habe ich dem Team gesagt, dass Boote weiblich sind. Es ist eine sie, kein er.
Das Kunstwerk, das ‚Gitana 18‘ ziert, ist also eine fantastische Erinnerung an die erste Frau, die diese Tradition im Segelsport begründet hat, eine Hommage an diese erste Frau vor 150 Jahren und gleichzeitig an die Zukunft, die durch meine vier Töchter repräsentiert wird. Auf diese Weise verbindet man Vergangenheit und Zukunft einer so langen Historie. Hier geht es zur 3D-Animation von der neuen “Maxi Edmond de Rothschild”, kurz: “Gitana 18”.
Das ist möglich. Wenn man eine Parallele zur Finanzwelt ziehen möchte, versuchen wir wirklich, Frauen dazu zu bewegen, in die höchsten Ebenen aufzusteigen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es nicht viele Frauen gibt, die das wirklich wollen. Und ich kann das verstehen, denn mit einem Trimaran dieser Größe mit Vollspeed über die Ozeane um die Welt zu rasen, ist physisch unglaublich hart. Leider gibt es in der Welt des Segelsports nicht viele Frauen, die das können und wollen.
Ich sehe jedoch auch, dass sich eine neue Generation etabliert, die zwar nicht sehr zahlreich ist, aber einige supertalentierte Frauen hat. Also hoffen wir…“ Ariane de Rothschild
Ich glaube, dass Charles supertalentiert ist. Und ich glaube, dass er eine unglaubliche Fähigkeit hat: Er ist ein sehr bescheidener Mensch. Das findet man nicht so leicht, weil viele großartige Athleten nicht immer bescheiden sind. Wenn du dich selbst herausforderst und ein Boot neu baust, dann beginnst du auch mit einem neuen Denkprozess. Dabei müssen wir demütig sein. Das gilt insbesondere für den Skipper, weil sein Beitrag sehr, sehr wertvoll ist. Denn er fühlt das Boot.
Du kannst es nicht nur auf Mathematik und Zahlen stützen. Er benutzt das Boot. Es gibt da eine Parallele: Wisst Ihr, was Michael Schumacher zu einem so großartigen Fahrer gemacht hat? Warum Ferrari mit ihm gewonnen hat? Ja, sie hatten mit Jean Todt einen unglaublichen Manager. Aber Michael war ein unglaublicher Athlet, weil er immer ein so herausragendes Feedback gegeben hat. Er war eine unglaublich bescheidene Person. Und gleichzeitig trug er zur Autoentwicklung bei. Ich glaube, Charles hat eine sehr ähnliche Geisteshaltung.
Ich werde immer mal wieder auf- und absteigen. Aber nochmal: Das erfordert ein ernsthaftes Maß an körperlicher Kraft. Oder, besser gesagt: Stehvermögen. Denn wenn man mit mehr als 40 Knoten fährt, ist das super, super hart. Ich gehe an Bord und wieder runter, sage dann: „Okay, ich komme morgen wieder (lacht)‘.
Es ist ein unglaubliches Gefühl! Bevor sich das Boot aus dem Wasser erhebt, das galt insbesondere für ‚Gitana 17‘, muss es die Kraft dazu entwickeln. Das kannst du am rauschenden Wasser hören. Wenn es sich dann erhebt und fliegt, dann sind da keine Geräusche mehr. Dieses Gefühl der Stille ist einmalig, wirklich unglaublich. Es ist ein schönes Gefühl.
Der Tag der ersten Präsentation von “Gitana 18” am 3. Dezember war ein Meilenstein in der Geschichte des Rennstalls. Ariane de Rothschild und ihr Team zeigten, wie weit sie schon mit “Gitana 18” gekommen sind, bevor das Boot im Januar ins Wasser geht: