EssayDas würde ich beim Mitsegeln heute anders machen!

Steffi von Wolff

 · 30.07.2025

Paar auf einem Double-Hand-Rennen. Für viele das Beispiel vom perfekten Segelerlebnis zu zweit.
Foto: Kassian Jürgens/Baltic 500
Mehr Mitsprache, bessere Information, gleichberechtigte Einbindung als Crewmitglied in den Segelbetrieb. Nach 25 Jahren als engagierte Mitseglerin zieht Steffi von Wolff Bilanz. Ein nachdenklicher Ratgeber.

Vor ungefähr 25 Jahren habe ich zum ersten Mal ein Segelboot betreten. Segeln kannte ich aus der Bierwerbung, die schöne „Alexander von Humboldt I“ glitt mit ihren geblähten grünen Segeln gemächlich durchs Wasser. Sail away. Ja, herrlich.

Mein erster Segelausflug endete mit gebrochenen Gesichtsknochen des Skippers und gefühlt literweise Blut auf dem ganzen Boot. Ich: hilflos mittendrin. Geistesgegenwärtig einfach irgendwie gesteuert, zufällig richtig Richtung Brunsbüttel. Boote gerammt. Angst. Tja, hätte ich vorher mal gefordert: „Das musst du mir aber erst erklären.“ Aber nein, rauf auf den Kahn und los, ohne auch nur ansatzweise zu wissen, was mich erwartet, und auch: was mich schlimmstenfalls erwartet. Das würde ich, wie so vieles, heute anders machen.


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Einige Zeit später dann Versuch 2: mit meinem jetzigen Mann auf einem geliehenen Seefahrtskreuzer. Unser erster gemeinsamer Ausflug auf einem Boot, ich war viel zu verliebt, um Fragen zu stellen, hatte die frühere Geschichte verdrängt. Zu seiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass er mir zumindest mitteilte, dass es ganz schön schaukeln und auch nass werden könnte, das würde am Bootstyp liegen. Ach, während einer Kutschfahrt schaukelt es doch auch, und wir sind ja nicht aus Zucker.

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Zu wenige Informationen sorgen für Unwohlsein

Kaum nachdem wir den Hafen verlassen hatten, schaukelte der „Kleine Bär“ hin und her, dann büffelte er vorwärts, dann wurde er zurückgeworfen. Seewasser kam reichlich über Deck, klatschte auf mich drauf, und mir wurde unglaublich schlecht. Während ich über der Reling hing und kotzte, lernte ich den Begriff „Würfelhusten“ von meinem Mann, was mich noch mehr kübeln ließ.

Von Schilksee kommend machten wir nach Stunden endlich in Ærøskøbing fest und ich lag minutenlang reglos auf dem festen Boden unter mir, dankbar und vor Glück weinend. Und er? „Ich hab doch gesagt, dass es schaukeln kann.“

Heute weiß ich, was falsch war. Wir hätten ein viel kürzeres Stück segeln müssen und bei besseren Bedingungen, damit ich mich erst mal dran gewöhne. Was würde ich heute anders machen? Ich würde ganz genau fragen, was alles auf mich zukommt. Wie ich mich anziehen soll, ob genügend Trinkwasser an Bord ist (war es nämlich nicht). Ich würde auf einer Rettungsweste bestehen, weil mir das die Angst nimmt (das ist übrigens bei uns, und nicht nur bei uns, immer noch ein Thema). Ich würde nicht einfach losfahren, sondern genau wissen wollen, wie lange es dauert, bis wir ankommen. Und ich würde dann bitte in freundlichem Ton eine Antwort bekommen und nicht: „Wenn ich das schon höre, hab ich gleich keine Lust mehr.“

Oberste Priorität: Freundlichkeit und Verständnis

Einer ist ja meistens der Anfänger, und das war und bin nun mal ich. Er wird mir immer Jahrzehnte voraus sein. Man geht natürlich mit einer gewissen Skepsis an dieses Neue heran, und damit es schön für einen wird und bleibt, ist nun mal die Hilfe des erfahrenen Partners nötig. Die Liste, auf der steht, was ich von diesem Erfahrenen verlangen würde, könnte endlos sein, aber beschränken wir uns auf das Wesentliche und fangen von vorne an. Mit der Theorie.

Oberste Priorität – nicht nur in meinem Fall, wie Gespräche mit anderen Leidensgenossen ergeben haben – wären da also die Freundlichkeit und das Verständnis. Denn wenn man etwas in genervtem Tonfall erklärt bekommt, bleibt oft nur der genervte Tonfall in Erinnerung, und man ist gleichzeitig verspannt, hat Angst, etwas falsch zu machen – und macht dann auch gern mal was falsch, was dazu führen kann, dass der Skipper „Dann mach ich es eben gleich selbst“ sagt, und das ist auch nicht zielführend.

Oder ist es so: Der Mann hat oben das Sagen und bringt uns durch den Sturm, die Frau ist unten für Wärme, Essen und Trinken zuständig?

Grundsätzlich kann es eher problematisch sein, wenn einer schon lange segelt und ein unerfahrener Partner dazukommt. So wie auch bei Jan und Mel Kuthning aus dem dänischen Kruså. „Seit 2001 sind wir gemeinsam auf dem Wasser, zuerst auf einem Motorboot“, so Mel. „Für mich war das absolutes Neuland. Ich wusste noch nicht mal, was ein Fender ist. Jan und seine Eltern waren seit seiner Kindheit zusammen auf dem Wasser unterwegs. Und Jan wollte natürlich so weitermachen; ich war einfach so dabei. Wir haben dann erst mal unseren Sohn bekommen und nutzten unser Boot eigentlich nur als Wohnwagen. Einen Bootsführerschein hab ich nicht gemacht – wozu auch?“

Selbst einen Führerschein machen?

Eben. Wozu auch? So denke ich heute noch. Denn es ist ja eigentlich sein Hobby. Ich denke auch immer mal wieder darüber nach, ihn zu machen, aber dann denke ich: Geht doch auch so. Hätte ich damals mal machen sollen, vielleicht hätte ich mich dann besser weiterentwickelt. Damals konnte ich natürlich noch viel weniger als heute, deswegen hat mein Mann mir fast alles abgenommen, was ja auch sehr bequem für mich war.

Nach wie vor bin ich wirklich gerne auf dem Boot, ich mag den Hafen, die Nachbarn und das Boot selbst. Aber ich bin ehrlich: So richtig was gelernt hab ich über die Jahre nicht. Ich hätte einfach früher damit anfangen sollen. Mein Mann versucht schon, mir das näherzubringen, sagt zum Beispiel, ich solle doch endlich mal den Bootsschein oder den Funkschein machen. Aber – hm. Anders ist es doch bequemer. Und er nimmt mir nach wie vor viel ab.

Ähnlich ist es auch bei Mel Kuthning: „Wir haben uns eine Miranda Feria 26 zugelegt und starteten als Familie erste Segeltörns. Aber – und das würde ich heute anders machen – meistens stand Jan an der Pinne, ich hab mich da nie durchgesetzt, mal die Verantwortung zu übernehmen. Auch sonst wusste ich wenig bis nichts.“

Alte, traditionelle Rollenmuster in Zeiten von Gleichberechtigung

So wie ich auch. Eigentlich eine absolute Verantwortungslosigkeit, denn wenn ein Notfall eingetreten wäre, hätten wir nicht ansatzweise gewusst, was wir tun müssten. Bei mir ist das heute leider immer noch so.

„Immerhin hatten wir Kind und Hund an Bord“, erinnert sich Mel. „Das würde ich heute definitiv anders machen. Leider habe ich mich damals aber nicht bemüht, mich mehr einzubringen, denn ich habe auf dem Schiff oft Ängste entwickelt. Es krängte extrem, was ich grauenhaft fand. Lange Törns waren ein noch größeres Grauen für mich – und inzwischen hatte ich unseren Hund mit meiner Angst auch noch angesteckt. Ich denke, Jan hätte mich damals besser heranführen müssen, und ich finde, man sollte wenigstens halbwegs auf Augenhöhe sein als Crew, aber das waren wir einfach nicht. Wir lebten die typische Rollenverteilung an Bord.“

Durchaus eine Situation, in der sich viele wiederfinden. Vielleicht ist das tatsächlich ein Mann-Frau-Thema, dass der Mann es länger macht und besser kann. Oder es ist einfach in uns drin: Der Mann hat oben das Sagen und bringt uns durch Sturm und Wind, die Frau ist unten für Wärme, Essen und Trinken zuständig. Jagen, Höhle und Feuer quasi. Und das zu Zeiten, in denen man von Gleichberechtigung spricht. Doch an Bord verfällt man dann gern mal in alte, traditionelle Rollenmuster.

Dazu kommt – hier spreche ich aus eigener Erfahrung –, dass es natürlich auch ganz komfortabel ist, wenn man oben nichts machen muss, denn sind wir mal ehrlich: Segeln und das ganze Drumherum ist nicht unkompliziert.

Sicherung und Rückversicherung

Ich konnte es nie wirklich nachvollziehen, was mein Mann daran so toll findet, auf einem wackeligen Boot zu stehen und sich sehenden Auges in eine eventuell gefährliche Situation zu bringen, denn das Wasser ist ja doch meistens tief. Oder für zwei Knoten mehr Speed den Gennaker anzubauen, was ewig dauert. Und ihn dann nach zehn Minuten runternehmen.

Bei uns ist es auch so: Er segelt seit seinem vierten Lebensjahr, ich seit meinem fünfunddreißigsten. Ein kleiner Unterschied. Es gibt auch so gewisse Sätze, die lassen mich schon im Vorfeld bockig werden, und dann blocke ich ab und mache gar nichts mehr: „Meine Güte, mach doch einfach einen großen Schritt, und schon bist du auf dem Boot!“ Oder im Wasser! Schon mal was davon gehört, dass Frauen durchschnittlich 15 Zentimeter kleiner sind als Männer?

„Jetzt geh schnell nach vorne und gib die Leine an. Schnell!“ Ich kann aber gar nicht schnell nach vorne gehen, da ist zu viel Kuddelmuddel auf dem Deck, da stolpert man. „Hör doch mal auf, dir in die Jacke zu machen, das Boot liegt doch nur schief!“ Dann, nach dem Ablegen, mitten auf der See: „Ich muss mal nach vorne.“ Ein Albtraum, dieser Satz! Denn: Nach vorne gehen heißt nämlich ohne Sicherung nach vorne gehen. Warum bestehe ich nicht darauf, dass er eine Rettungsweste anzieht und sich anleint, wenn er nach vorne geht? Ja, das alles, das würde ich anders machen, wenn ich es noch mal machen könnte, darauf bestehen, dass die verdammte Weste angezogen wird.

Was ist, das frage ich mich immer, daran so schlimm? Tatsache ist doch, da muss man kein Fachmann sein, dass man einen ausgewachsenen, normal schweren Menschen, der über Bord gegangen ist, nicht wirklich wieder reinbekommt. Und ob ich mich daran erinnere, was er mir vor Urzeiten mal vom Mann-über-Bord-Manöver erzählt hat, weiß ich wirklich nicht.

Der Satz „Wilfried Erdmann hatte auch nie eine Schwimmweste an, weil es dann mit dem Ertrinken länger dauern würde“ hilft mir auch nicht weiter. Ich weiß nur, dass wir hier beide grundsätzlich etwas falsch machen. Ja, beide. Wir hätten es von Anfang an besser machen sollen. Er vor allen Dingen, und das sage ich nicht, weil ich die Schuld von mir weisen möchte, sondern weil er derjenige ist, der gerne und viel segelt und Erfahrung hat, und ich diejenige, die es mitmacht und sich in der schwächeren Position befindet.

Kaffeesegeln für die Gewöhnung

Andere handhaben das klüger, zum Beispiel Berit Jäger und Marcel Koch aus Celle, die seit sechs Jahren gemeinsam segeln. Zwar ist es auch hier so, dass Marcel die größere Erfahrung mitbringt – er segelt seit seinem sechsten Lebensjahr –, aber er nimmt Rücksicht. „Die ersten Male auf dem Wasser waren sehr schön“, erzählt Berit, „denn wir sind nur bei gutem Wetter rausgefahren. Marcel war sehr rücksichtsvoll.“

„Ja, wir sind ausschließlich bei milden Bedingungen raus, haben Kaffeesegeln betrieben“, so Marcel. „Im ersten Jahr sind wir im Urlaub gar nicht groß weggefahren, sondern immer nur bei schönem Wetter ein bisschen gesegelt. Das hat Berit zum Glück so gut gefallen, dass wir im folgenden Jahr auf eine größere Tour gegangen sind.“

„Wenn wir schief lagen, war mir anfangs schon mulmig zumute“, erinnert sich Berit. „Marcel ist dann immer, soweit es ihm möglich war, darauf eingegangen und hat mich beruhigt. In kleinen Schritten hab ich mich dann dran gewöhnt. Ich hab mich bei ihm von Anfang an sicher gefühlt.“

Gibt es auch bei ihnen etwas, das sie heute anders machen würden? „Na klar“, sagt Berit. „Im Nachhinein bereue ich es, nicht direkt alles gelernt zu haben. Ich könnte heute deutlich weiter sein, sodass wir auch mal einen längeren Schlag über Nacht segeln könnten. Das traue ich mir alleine, wenn Marcel schläft, noch nicht zu. Aber das wird.“

Und Marcel? „Ich hätte mehr darauf pochen müssen, dass Berit Dinge damals schon besser lernt. Andererseits ist es im Nachhinein gut so, denn vielleicht hätte ich sie dann abgeschreckt und heute wären wir nicht so leidenschaftlich mit unserem Boot unterwegs.“

Für sich selbst einstehen

Von Anfang an mehr Interesse für das Metier haben, sich auf Neues einlassen, wissbegierig sein, und das alles zusammen mit einem Skipper, der stets rücksichtsvoll und freundlich ist – eine schöne Vorstellung. Geht aber leider nicht immer, denn: Jeder Mensch ist nun mal anders. Trotzdem finde ich, dass derjenige, der gern segelt, sich dem Neuling gegenüber nachsichtig und verständnisvoll verhalten soll, sonst kann der Schuss auch nach hinten losgehen. Ich selbst habe schon einmal den Urlaub abgebrochen und bin mit dem Zug nach Hause gefahren, weil ich permanent Angst vor dem starken Wind und der hohen Welle hatte.

Es geht übrigens nicht immer nur um die Situationen auf See. Auf noch viel mehr hätte ich von Anfang an bestehen sollen: Dass wir grundsätzlich mit dem Heck anlegen. Das ist nämlich nicht „spießig“, und ob „einem da Leute aufs Getränk schauen“, ist mir wurscht. Denn seitdem ich im letzten Jahr genau dieses Anlegen eingefordert habe, ist das Anlegen ein Kinderspiel.

Kein „Noch vier Meter … drei … zwei“, sondern gemach, gemach vorne stehen und die Leinen über die Pfähle legen, während das Boot langsam Richtung Steg fährt. Kein „Spring, spring!“ aus zwei Metern Höhe und auch kein „Es ist jetzt keine Zeit mehr, die Leiter auszuklappen“.

Und was bitte spricht dagegen, auch mal längsseits anzulegen, wenn man längsseits anlegen kann und ich mir wünsche, längsseits anzulegen? Ja klar kann immer jemand ins Päckchen kommen, aber: sooo schlimm ist das nun auch wieder nicht.

Fragen, Fragen, Fragen

Ich hätte darauf bestehen sollen, dass wir bei Wind und Wetter im Hafen bleiben. Dann gibt’s eben noch einen Hafentag. Ja klar ist es doof, wenn man zu einem definierten Zeitpunkt zu Hause sein muss. Da hab ich mich aber schon gut durchgesetzt: Bei schlechtem Wetter bleib ich die ganze Zeit unter Deck, zum Glück wird mir dort auch nicht mehr schlecht.

Ich hätte von Anfang an darauf bestehen sollen, für mein Umfeld daheim nicht nur eine Winterfreundin zu sein. Unser Boot ist von Februar bis November im Wasser – noch Fragen? Soziale Kontakte? 60., 70., 90. Geburtstage? – Ohne uns! Hochzeiten? – Egal. Beerdigungen? – Ist das eine Seebestattung? Mit Freundinnen frühstücken, mittagessen oder Wein trinken gehen? Haha, lustig! Also das muss möglich sein. Dann fährt mein Mann eben alleine aufs oder mit dem Boot.

Im Ernst: Wir Mitseglerinnen und Mitsegler sollten einfach mal nicht die Klappe halten. Wir sollten uns an Bord einbringen, soweit es geht, und wir sollten von dem Erfahreneren die notwendige Rücksichtnahme und Erklärungen fordern. Andererseits sollten wir auch Interesse am Segelsport zeigen, Fragen stellen, Fragen noch mal stellen. Dann kapieren wir den Unterschied zwischen Halse und Wende halt erst mal nicht. Dann knoten wir den Palstek halt langsam. Und die Skipper: Habt Geduld. Und noch mehr Geduld. Nehmt unsere Ängste ernst und lobt, wenn was geklappt hat. Besteht nicht auf Manövern, die ihr zwar beherrscht, die uns aber Angst machen. Und freut euch, wenn wir gemeinsam eine schöne Zeit haben.

P.S.: Danke übrigens, dass unser Boot nun eine Dusche hat. Darauf hätte ich auch von Anfang an bestehen sollen. Ach so: Vielleicht mach ich ja doch noch den Funkschein. Wenn er nett und freundlich fragt …

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