Engagement für Ukraine-FlüchtlingeUkraine-Krieg: Wie Segler und Clubs Notleidenden helfen können

Ursula Meer

 · 11.03.2022

Engagement für Ukraine-Flüchtlinge: Ukraine-Krieg: Wie Segler und Clubs Notleidenden helfen könnenFoto: Optimist Team Ukraine
"No war" – keinen Krieg – wünschten sich Anfang März die jungen ukrainischen Teilnehmer der Opti-Orange-Regatta in Valencia

Unzählige Menschen aus der Ukraine suchen derzeit Schutz. Die Hilfsbereitschaft ist groß. Auch zahlreiche Segler in Deutschland engagieren sich. Beispiele

Protest gegen den russischen Angriff auf die Ukraine war auch die erste Reaktion in der Segelwelt, eine Welle der Hilfsbereitschaft folgte. Von Friedrichshafen bis Flensburg, von Bocholt bis Berlin sind die Saisonvorbereitungen in den Hintergrund gerückt. Viele Segelclubs, Vereine und Firmen engagieren sich.

Sie möchten den Menschen helfen, die buchstäblich alles hinter sich lassen mussten. Vereinsheime werden zu Notunterkünften, in Transportern finden anstelle von Segeln Hilfsgüter und Geflüchtete Platz. Yachtversicherer und Charterunternehmen rufen ihre Kunden zu Spenden auf – die Unterstützung reicht von kleinen Privatinitiativen bis hin zu breit angelegten Hilfsmaßnahmen auf vielen Ebenen.

"Die aktuelle Lage und die Bilder, die wir täglich in den Medien sehen, sind unerträglich. Als Segler und Sportler wissen wir, dass man einander in Notsituationen beistehen muss", sagt beispielsweise Oliver Schwall, Geschäftsführer der Konzeptwerft und der Deutschen Segel-Bundesliga (DSBH) GmbH. Die DSBH hat eine deutschlandweite Hilfsaktion ins Leben gerufen „Wir haben zuerst Kontakt zu Hilfsorganisationen und Auffangstationen aufgenommen, um zu erfahren, was wir tun können“, erläutert Schwall.

Und das ist eine Menge, das haben er und seine Kollegen schnell erfahren. Bislang 35 Segelclubs sind in ganz Deutschland ihrem Aufruf gefolgt, stellen Fahrzeuge und Fahrer, Sach- und Geldspenden zur Verfügung. „Ab dem Moment, an dem wir dachten, wir müssen etwas tun, waren wir innerhalb von einem Tag in Aktion. Die ersten Busse waren da schon an der Grenze“, schildert Schwall.

  Klares Statement der SegelligaFoto: DSBL
Klares Statement der Segelliga

Sie organisieren Transporte für Hilfsgüter an die Grenze der Ukraine und bringen Geflüchtete in ihre Städte. In einer große Messenger-Gruppe sind alle Teammanager und Clubs minütlich im Austausch. Die deutschlandweite Vernetzung erlaubt eine schnelle und zuverlässige Logistik. Viele Vereine unterstützen die Aktion auch mit Geldspenden, aus denen unter anderem das Benzin für die Transporte bezahlt wird.

Es sind bewegende Schicksale, die den Helfern begegnen. Einige Kinder leiden an Krebs; die Klinik in Kiew, in der sie in der Ukraine behandelt wurden, wurde zerbombt. Ohne Chemotherapie können sie nicht überleben. "Das ist ein Albtraum“, erzählt Oliver Schwall. „Wir haben schon einige der Kinder zur Behandlung nach Essen in eine Spezialklinik gefahren."

  Christian Soyka (rechts im Bild) von der Seglervereinigung Itzehoe hat spontan eine ukrainische Familie von Hamburg nach Essen ins Krankenhaus gebracht. Die Behandlung des krebskranken jüngsten Kindes konnte diese Woche erfolgreich fortgesetzt werdenFoto: DSBL/Kinderaugenkrebsstiftung.de
Christian Soyka (rechts im Bild) von der Seglervereinigung Itzehoe hat spontan eine ukrainische Familie von Hamburg nach Essen ins Krankenhaus gebracht. Die Behandlung des krebskranken jüngsten Kindes konnte diese Woche erfolgreich fortgesetzt werden

Die Hilfe erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den etablierten Hilfsorganisationen an den Grenzen zur Ukraine. „Sie haben uns gebeten, nicht blind loszufahren, denn das erschwert ihre Arbeit noch.“ Koordiniert läuft die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz, Caritas und anderen Hilfsorganisationen: Sie greifen gern auf die Logistik der Vereine aus ganz Deutschland zurück. Auch die städtischen Aufnahmebehörden, die vielerorts die Grenzen ihrer Kapazitäten erreicht haben, freuen sich über die Unterstützung seitens der Segler-Initiative.

Wer sich beteilgen möchte, findet alle Infos zur Hilfsaktion auf der Seite der DSBL, unter anderem eine wertvolle, stets aktualisierte Liste mit lokalen Sammelstellen für Sachspenden, Kontakten für Menschen, die Unterkünfte anbieten können und Spendenkonten der Hilfsorganisationen.

Da längst nicht alle Flüchtenden in Privatunterkünften unterkommen, müssen sie übergangsweise woanders Platz finden. Etwa in den Düsseldorfer Messehallen. Dort wurden bislang 1.000 Menschen aufgenommen, die alles verloren haben.

„Wir sind der entsprechenden Anfrage des Amts für Migration und Integration der Stadt Düsseldorf sehr gerne entgegengekommen!", sagt Wolfram N. Diener, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf. "Am Aufbautag hat spontan eine große Zahl der anwesenden Kolleginnen und Kollegen mit angepackt, um die Unterbringung schnellstens möglich zu machen. Weil uns die Not der Flüchtlinge zutiefst bestürzt. Sie zu empfangen und unterzubringen ist für uns eine Selbstverständlichkeit“, so Diener.

Mit Trennwänden wurde am vergangenen Montag eine 25.000 Quadratmeter große Halle in kleine Räume unterteilt und Duschcontainer aufgebaut. Schon am Nachmittag wurden die Betten belegt. Allen Geflüchteten steht kostenfreies W-Lan zur Verfügung. So können sie Kontakt zu Angehörigen und Freunden halten und sich über die Entwicklung in ihrem Heimatland informieren.

  Der Blankeneser Segel-Club zeigt nicht nur mit der Flagge Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine. Er beherbergte sie auch spontanFoto: Sören C. Sörensen
Der Blankeneser Segel-Club zeigt nicht nur mit der Flagge Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine. Er beherbergte sie auch spontan

Der Mühlenberger Segel-Club (MSC) und der Blankeneser Segel-Cub (BSC) haben am vergangenen Wochenende spontan ihre Clubhäuser in eine vorübergehende Erstunterkunft umgebaut. Sie sind damit dem Aufruf des Großflottbeker Turn- und Hockeyclubs gefolgt. „Der Gedanke ist, den Menschen auf ihrem langen Weg für einen Moment die Möglichkeit zu geben, zur Ruhe zu kommen“, schreibt der BSC auf seiner Webseite. 40 Gäste mussten untergebracht und mit Kleidung und Lebensmitteln versorgt werden. Noch während sie nach Hamburg gefahren wurden, schrieb einer der Fahrer: „Wenn ihr euch fragt, was sie mitbringen: nichts!“

  Das Clubhaus des Mühlenberger Segel-Club wurde vorübergehend zu einer Unterkunft für die Menschen aus der UkraineFoto: Mühlenberger Segel-Club
Das Clubhaus des Mühlenberger Segel-Club wurde vorübergehend zu einer Unterkunft für die Menschen aus der Ukraine

Grit Müller, Clubmanagerin des Mühlenberger Segel-Club, berichtet: „Als wir wussten, wie viele Menschen in welchem Alter kommen, konnten wir gezielt um Kleiderspenden bitten.“ Die Hilfsbereitschaft sei überwältigend gewesen. Jeder, so ergänzt sie, habe seine Netzwerke genutzt, um die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen.

Moni Sörensen vom BSC und Ellen Jensen vom MSC haben die schnelle Verwandlung des Clubhauses in eine Unterkunft für ihre Gäste koordiniert. Mit gemischten Gefühlen sind sie anschließend zum zum Training an Gardasee abgereist. Aber auch dort fanden sie große Unterstützung für ihr Engagement: "Der Yachtclub Vela Torbole und das Hotel Villa Stella haben sofort eine Spendenaktion gestartet. Wir werden mit vielen Spenden nach Hause zurückkehren", berichten beide am Telefon.

Dort kamen am Sonntag die ersten Geflüchteten an. „Bei der Ankunft haben alle geweint. Auf so etwas sind wir ja nicht vorbereitet“, sagt Grit Müller. Die Familien ziehen jetzt nach und nach um, ihnen wurden von Hamburg-Billstedt bis Heiligenhafen Wohnungen angeboten. Am Samstag wird die letzte Familie ihre neue Unterkunft beziehen.

„Dann kehren wir in die Parallelwelt des normalen Lebens zurück“, sagt Grit Müller. Als Dauerunterbringung sei das Clubhaus auch nicht geeignet. „Aber wir werden mit den Familien in Kontakt bleiben und weitere Hilfsmöglichkeiten überlegen.“

Wissen auch Sie von kleinen oder großen Hilfsaktionen aus Seglerkreisen, für die Sie um Unterstützung bitten wollen, dann schreiben Sie uns: mail@yacht.de