Die Segel-PendlerinZum Training vom Bodensee an den Bosporus

Ursula Meer

 · 02.05.2025

Die Segel-Pendlerin: Zum Training vom Bodensee an den BosporusFoto: Faruk Söker
Der Turkish Naval Forces Cup führt 555 Seemeilen vom Marmarameer über die Dardanellen in die Ägäis. Özlem Karakaya möchte möglichst bald mit an Bord sein.
Die 36-jährige Stuttgarterin Özlem Karakaya hat 2022 mit dem Segeln begonnen. Anschließende Regatten auf dem Bodensee konnten sie nicht überzeugen. Sie will weiter hinaus und möglichst bald die 555 Seemeilen lange Turkish Naval Forces-Regatta von Istanbul nach Göcek mitsegeln. Für das Training pendelt sie wochenends in die Türkei. Im Interview erzählt sie von ihren Ambitionen.

Frau Karakaya, warum pendeln Sie zwischen Bodensee und Bosporus?

Ich habe 2022 mit dem Segeln begonnen, den SKS auf Mallorca gemacht und bin anschließend über den Betriebssportverein meines Arbeitgebers auf dem Bodensee gesegelt – unter anderem zwei frustrierende Regatten, bei denen wir mangels Wind kaum vorankamen. Die letzte mussten wir sogar abbrechen.

Zur selben Zeit sah ich zufällig Videos der türkischen Marine-Regatta, 555 Seemeilen von Istanbul nach Göcek. Ich war beeindruckt – und habe mir vorgenommen, diese Regatta einmal mitzusegeln.

Müde, aber glücklich: Özlem Karakaya nach der bestandenen SKS-Prüfung 2022. Die Wirtschaftsmathematikerin arbeitet bei einem Automobilhersteller und könnte auf der firmeneigenen Yacht auf dem Bodensee trainieren. Doch sie hat größere Pläne.Foto: PrivatMüde, aber glücklich: Özlem Karakaya nach der bestandenen SKS-Prüfung 2022. Die Wirtschaftsmathematikerin arbeitet bei einem Automobilhersteller und könnte auf der firmeneigenen Yacht auf dem Bodensee trainieren. Doch sie hat größere Pläne.

Was haben Sie dann unternommen, um dem Ziel näher zu kommen?

Ich habe sehr frühzeitig, im Sommer 2024, mit der Recherche begonnen, welche türkischen Segelclubs bei Regatten gute Ergebnisse erzielen und diese dann proaktiv angeschrieben. Es war nicht einfach, in die Regattaszene zu kommen, da die Segelclubs ihre festen Trainingsprogramme haben, die teilweise für meine lange Anreise aus Deutschland durchaus herausfordernd waren.

Ich bin von Beginn an ganz offensiv mit großer Motivation und Eigeninitiative an die Clubs herangetreten, habe ehrlich kommuniziert, dass ich noch Anfängerin bin, aber gleichzeitig klargestellt, wie entschlossen ich bin und wie ernsthaft ich das Ganze angehe und das Ziel Marine-Regatta verfolge. Es überzeugte wohl auch meine Bereitschaft, regelmäßig die lange Anreise aus Deutschland anzutreten. Das signalisierte den Clubs, dass ich bereit bin, sehr viel Mühe und Zeit in mein Training und diesen ambitionierten Segelweg zu investieren.

Berechenbare Windverhältnisse und eine  regattataugliche Yacht vom Typ Gorbon 28 überzeugten die Segelnovizin. Für das Training schloss sie sich dem Alize Sailing Club in Istanbul an..Foto: Faruk SökerBerechenbare Windverhältnisse und eine regattataugliche Yacht vom Typ Gorbon 28 überzeugten die Segelnovizin. Für das Training schloss sie sich dem Alize Sailing Club in Istanbul an..

In was für einer Crew segeln Sie nun?

Letztendlich habe ich mich Ende des Sommers für das Programm des Alize Sailing Clubs in Istanbul entschieden und mich im Dezember 2024 offiziell für eines der Regattateams eingeschrieben, um mich gezielt mit den Istanbul Inshore-Regatten auf die 555-Seemeilen-Offshore Regatta vorzubereiten. Seit März trainieren wir als Regattateam intensiv auf einer Gorbon 28, einem speziellen Regatta-Boot auf dem Marmarameer – meine erste ernsthafte seglerische Erfahrung außerhalb des Bodensees, wofür ich für Wochenenden von Stuttgart nach Istanbul pendle.

Es gibt eine Liste mit 21 interessierten Seglerinnen und Seglern, die in der IRC4 segeln, aufgeteilt in drei Crews, die immer zu siebt auf den Booten trainieren. Jeweils sechs Mal in der Saison trainieren die unterschiedlichen Crews der G28, außerdem werden zehn Türkische Hochsee-Segelclub-Regatten (TAYK) gesegelt.

Dadurch, dass ich aber immer von Stuttgart nach Istanbul fliege, bin ich aber nicht nur bei den Trainings meiner Crew dabei. Wir stimmen uns wöchentlich ab, und wenn mal jemand ausfällt, springe ich auch ein, wenn ich vor Ort bin. Und auch wenn keiner fehlt, bin ich als Beobachterin dabei. Das haben sie mir angeboten, worüber ich sehr dankbar und glücklich bin. Weil ich mir denke, ich nehme einfach so viel mit, wie es geht.

Wie reagierte man im Club auf Ihr ungewöhnliches Engagement?

Alle waren überrascht! Einige Segler aus Istanbul scheuen schon die Anfahrt über die Brücke zwischen Europa und Asien. Und ich reise extra aus Stuttgart an! Sie hielten mich zuerst fast für verrückt, mittlerweile haben viele Respekt davor. Ich bin die einzige, die aus dem Ausland extra für die Regattatrainings und die Regatten anreist. Und weil ich so weit pendele und nicht immer dabei sein kann, durfte ich die erste Trophäe der Saison mit nach Hause nehmen. Dort steht sie jetzt als Ansporn im Regal.

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Wie läuft die Kommunikation an Bord?

In einer für mich komplett neuen Sprache! Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, habe aber türkische Wurzeln. Natürlich spreche ich auch Türkisch als zweite Muttersprache - aber die Segelsprache ist eine ganz andere. Da musste ich erst mal einige Vokabeln lernen.

Wie unterscheidet sich das Segeln am Bosporus von dem am Bodensee?

Am Bodensee hatte ich es oft mit wenig konstantem, kaum vorhersagbarem Wind zu tun. Eines unserer Betriebsboote, womit wir Regatten angetreten sind, ist eine Dufour 360 GL, auch keine Regattayacht. Entsprechend mühsam war besonders das Regattasegeln. In der Türkei dagegen dominieren schnelle Entscheidungen, häufige Segelmanöver, höhere Geschwindigkeit und ein deutlich dynamischeres Tempo. Gesegelt wird auf leichteren, speziell ausgerichteten Regattabooten, da muss jeder Handgriff sitzen. Auch die Bedingungen sind ganz anders: wir haben deutlich stärkere Strömungen und wesentlich berechenbareren Wind, der oft tagsüber von Südwest auf Nordost dreht. Das kann dann mit ordentlichem Wellengang beginnen und mit glatter See enden, eine spannende Mischung.

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Welches Ziel verfolgen Sie nun weiter?

Ich will irgendwann an der legendären 555-Meilen-Marine-Regatta teilnehmen. Was ich bisher gemacht habe, ist der erste Schritt in Richtung dieses Ziels. Momentan arbeite ich neben dem Training an einer Roadmap. Vielleicht klappt es schon dieses Jahr oder im nächsten Jahr, vielleicht auch erst in zweien. Aber ich arbeite intensiv darauf hin.

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