Wer kommt denn eigentlich heute alles?“, fragt Karl Overdick den Rest der Crew, als er als Letzter an Bord kommt. „Eigentlich hätten wir zu acht sein sollen, einer hat aber spontan abgesagt“, antwortet Nils Hoeppner. Er ist der Erste Vorsitzende des Vereins, der dazu gegründet wurde, die „Kick“ in Fahrt zu halten.
„Ich kenne das Schiff jetzt seit den Neunzigerjahren“, sagt Hoeppner. Diese Verbundenheit ist unschwer zu erkennen: Beim Auftakeln und einem Rundgang über das Schiff wird klar, dass der 59-Jährige das Schiff in- und auswendig kennt und jeden Zentimeter schon einmal umgedreht hat.
Die Dubois 40 ist Eigentum des Vereins Segel- und Ausbildungs-Initiative Laboe e. V. (S.A.I.L.) und wurde vom Voreigner gespendet. Sie ist 12,40 Meter lang und 3,75 Meter breit, die Verdrängung beträgt rund sechs Tonnen.
Die Regattayacht wurde 1995 erstmals zu Wasser gelassen. Gleich im Jahr drauf gewann die Dubois den Weltmeistertitel im IMS (International Measurement System).
Aufgrund des Alters ihrer „Kick“ haben die Mitglieder des Vereins immer neue Baustellen an Bord, und so ist viel Eigenleistung für ihre Instandhaltung notwendig. Nur so können sie den Jahresbeitrag mit 150 Euro pro Person und 225 Euro pro Familie vergleichsweise niedrig halten, so Hoeppner.
Die ›Kick‹ wird häufig bewegt, sei es beim Kettentörn im Sommerurlaub oder nach Feierabend.” Nils Hoeppner
Auch für große Klassiker, etwa die Zwölfer „Heti“ und „Anita“, wurden schon Vereine gegründet. Was diese beiden Beispiele jedoch von dem Laboer Projekt unterscheidet, ist, dass ihnen die Schiffe nicht gehören.
„Wir wären mit unserem Jahresetat nicht dazu in der Lage, das Schiff zu selber zu erhalten“, erklärt Max Eick. Der Vorsitzende des Vereins Freunde der Segelyacht Heti e. V. erklärt, dass das Boot deshalb der Stiftung Hamburg Maritim gehöre und sie lediglich eine Art Nutzungsrecht für das traditionsreiche Schiff hätten.
Die Suche nach Menschen, die bereit dazu sind, mehr Verantwortung zu übernehmen als andere, vereint die Klubs. „Unser größtes Problem ist es gerade, Skipper zu finden, die die ‚Heti‘ segeln wollen“, so Eick. Zwar gebe es einen ungefähr 70 Menschen umfassenden Pool an potenziellen Mitseglern, aber die Suche nach insbesondere jungen Skippern sei „der Flaschenhals“.
Dabei sind die Anforderungen an den Verantwortlichen an Bord niedriger, als man denken könnte: „Es bedarf lediglich eines Sportküstenschifferscheins sowie des Funkscheins“, so Eick. Potenzielle Skipper der „Heti“ müssten außerdem lediglich ein Wochenende Skippertraining auf dem Schiff absolvieren.
Ähnlich funktioniert das auch bei der S.A.I.L. Der Verein hat laut Hoeppner zwölf Skipper, die das Schiff regelmäßig verantwortlich führen. Nur dieser Personenkreis kennt die Zahlenkombination des Schlosses, mit dem die Dubois 40 auf ihrem Liegeplatz in Laboe verschlossen ist.
Bei der Gemeinschaft für Seefahrer (GfS), die am Bodensee beheimatet ist, sind die Hürden dagegen etwas höher. Harald Weyrich ist bereits seit 40 Jahren Mitglied des Vereins, er erklärt: „Potenzielle Skipper müssen bei uns den Sportseeschifferschein (SSS) oder den Sporthochseeschifferschein (SHS) nachweisen. Dann durchlaufen sie ein richtiges Auswahlverfahren.“
Ob ein SSS oder SHS Voraussetzung sei, hänge vom Revier ab, in dem die Skipper später mit den Schiffen der GfS segeln möchten. „Wir sagen grundsätzlich, dass, wenn man auf der Tour nicht innerhalb von 24 Stunden in den nächsten Hafen kommt, ein SHS notwendig ist“, so Weyrich, der sich auch als Pressereferent im Verein engagiert.
Wenn Bewerber diese Kenntnisnachweise erbringen können, segeln sie auf zwei Touren mit einem erfahrenen Skipper mit und führen das Schiff, so der ehemalige Informatiker. „Dabei trägt der langjährige Skipper die Verantwortung, der Co-Skipper führt aber das Boot in Eigenregie“, sagt er. „Der Skipper schreibt dem Co-Skipper eine Art Beurteilungsbogen, und je nachdem, wie es läuft, darf der Bewerber dann in Zukunft das Schiff auf weltweiter Fahrt selbstständig führen.“
Während die „Kick“ vor allem in der Ostsee unterwegs ist, wo die Vereinsmitglieder im Sommerurlaub auch Kettentörns organisieren, fahren die beiden Schiffe von der GfS vor allem im Süden.
„Deshalb planen wir eigentlich immer zwei Jahre im Voraus. Für 2026 und 2027 hat unsere Fahrtenkommission beispielsweise eine Südamerika-Reise geplant“, erklärt Weyrich. Die Schiffe, eine Hallberg-Rassy 48 und eine X-Yachts Xc45, werden jeweils abwechselnd einen Winter gesegelt und in dem darauffolgenden gewartet.
Dass auch eine von mehreren Vereinsmitgliedern unterhaltene Yacht noch genug Arbeit für jeden bedeutet, weiß insbesondere Malte Sporenberg. Der 68-Jährige ist bei den Laboern im Vorstand als Takelmeister aktiv. Er ist damit federführend für die Instandhaltung und die Technik verantwortlich.
Neben dem Mitgliedsbeitrag der etwa 70 zahlenden Mitglieder erhält der Verein etwa aus Spenden finanzielle Unterstützung. Außerdem zahlen Skipper, die sich das Schiff ausleihen, tageweise einen kleinen Segel-Obulus, den sie dann meist auf die Crew umlegen.
„Ich habe das Schiff für den Start des Ocean Race reserviert“, erzählt Karl Overdick und fragt bei der Gelegenheit in die Runde, ob jemand der Anwesenden dabei sein möchte. Und tatsächlich: Der 59-jährige Christoph Schmitz meldet sich gleich bei ihm an, um gemeinsam das Spektakel der IMOCA-Regatta vom Wasser aus zu beobachten.
Für die Technik der „Kick“ gibt es eine regelmäßige Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Kiel. So bekommen die Segler für das Schiff in naher Zukunft etwa nagelneue Navigationselektronik mit eigens für das Boot programmierten Anzeigen.
„Das ist eine Zusammenarbeit, von der beide Seiten profitieren: Den Studenten dient die „Kick“ als Versuchsplattform und wir freuen uns über neue Technik an Bord“, so Nils Hoeppner.
Ihr regelmäßiger Termin ist das gemeinsame Segeln am Mittwoch. Dabei verbringen die Freunde meist einige gemeinsame Stunden nach Feierabend auf dem Wasser.
Bei der heutigen Ausfahrt ist auch Lutz Steiner als neuer Gast dabei. Der 55-Jährige hat zwar mal einen Segelschein gemacht, seitdem ist er aber nicht mehr aktiv gesegelt. Und nun interessiert er sich für die S.A.I.L.
„Wollen wir in Richtung Leuchtturm oder nach Kiel reinfahren?“, fragt Karl Overdick. Er ist federführend für das Mittwochssegeln verantwortlich.
Letztlich fällt die Wahl auf den Kurs in Richtung Norden. „Auf zum Leuchtturm!“, ruft einer der Männer. Und Lutz Steiner, der noch kein Mitglied ist, freut sich und sagt: „Mega, bis dahin habe ich es noch nie geschafft!“ Seine Vorfreude ist ihm anzumerken und schnell nehmen sie Kurs in Richtung Turm.
Während Nils Hoeppner und seine Mitstreiter seit 2012 ausschließlich positive Erfahrungen mit dem Modell eines Vereins zum Betreiben des Schiffes gemacht haben, ist das bei Rainer Seehase anders. Der heute 79-Jährige hat viele Jahre als Zweiter Vorsitzender des Segelclubs Alster fungiert.
Anfangs ging ihr Konzept voll auf: Seehase und ein paar Freunde waren in ihrer Zeit als Studenten in den Semesterferien immer wieder auf gecharterten Schiffen unterwegs. Weil sie auch mal eine kürzere Zeit, etwa nur an verlängerten Wochenenden, segeln wollten, hatten sie die Idee, ein Schiff zu suchen und für dessen Betrieb einen Verein zu gründen.
„Ich habe dann eine 38er Swan aufgetrieben und wir haben daraufhin den Verein gegründet“, erinnert sich Seehase. „Das war 1984.“
Sechs Jahre lang waren sie mit dem Schiff auf diversen Touren unterwegs. „Dann hat ein Kumpel das Schiff verkauft und es wurde durch eine 42 Fuß lange Baltic ersetzt“, erzählt er.
Auch die wurde eines Tages ersetzt, und zwar durch eine Swan 51, welche die Vereinsmitglieder aus dem Konkurs der Götabanken erwarben und viele Jahre lang segelten.
Seehase denkt gerne zurück: „Es war eine tolle Zeit! Wir haben viele schöne Touren gemacht, beispielweise auf die Shetlandinseln.“ Alle fünf Jahre sei eine größere Tour geplant worden. „Da sind wir dann einmal in die Türkei und zurück gesegelt, waren auf den Kanaren oder den Azoren“, erzählt er.
Die Finanzierung stellt viele Vereine allerdings vor Herausforderungen. Während beim Klub von Nils Hoeppner und seinen Mitstreitern das Schiff dem Segelverein gehört, nachdem es ihnen gespendet wurde, war das beim Segelclub Alster anders.
„Wir hatten damals eine Eignergemeinschaft, die das jeweilige Schiff exklusiv an den Segelverein verpachtet hat“, erklärt Seehase. Irgendwann allerdings kam der Verein in finanzielle Schieflage. Seehase hat dabei geholfen, dass der Verein weiter besteht.
„Der Club ist jetzt gerettet und schuldenfrei, seit dem 1. Januar ist alles wieder in den richtigen Bahnen“, sagt er. Zuvor hatte der Verein sich mit einer Baltic 64 übernommen. „Wir betreiben jetzt kein Seeschiff mehr, sondern konzentrieren uns auf das Segeln mit Alster-Jollen“, so Seehase.
Bei großen Klassikern wie den Zwölfern ist es üblich, dass das Schiff nicht im Eigentum der Vereine steht, die es besitzen. Während die „Heti“ der Stiftung Hamburg Maritim gehört, ist die „Anita“ in eine gemeinnützige GmbH ausgegliedert.
„Unser gemeinnütziger Förderverein Freunde der Segelyacht Anita ist rechtlich unabhängig und hat den allgemeinen Zweck, Spendengelder einzusammeln und dem Schiff zur Verfügung zu stellen“, so Dr. Joachim Arndt aus dem Förderverein. 2008 hatte auch der Verein, der die „Anita“ bewirtschaftete, abgewickelt werden müssen.
Nach einer umfangreichen Restaurierung ist die „Anita“ seit 2012 aber wieder in Fahrt. Seitdem versuchen Dr. Arndt und seine Vereinskameraden Spendengelder zu akquirieren, sodass der Betrieb der „Anita“ nicht wieder gefährdet wird.
Der 12mR „Heti“ hat mit dem Verein Freunde der Segelyacht „Heti“ e. V. ebenfalls eine Art Förderverein. „Bei uns ist es so, dass die Stiftung Hamburg Maritim Eigentümerin des Schiffes ist“, so Max Eick, der Erste Vorsitzende der „Heti“-Freunde. Er erläutert: „Der Verein trägt die Kosten der Nutzung und hält sie instand. Er ist aber auch verpflichtet, das Schiff zu bewegen und der Öffentlichkeit zu zeigen.“
Die Vereinslandschaft, die sich rund um den Betrieb einzelner Yachten gebildet hat, ist bunt. Alle eint die Schwierigkeit, die Finanzierung der kostspieligen Projekte aufrechtzuerhalten.
Wenn das gelingt, ist diese Betriebsform für alle Beteiligten ein Erfolgsmodell mit vielen Vorteilen.
Der First-Rule-Zwölfer wurde 1912 auf der Werft von Max Oertz in Hamburg gebaut. Der bekannte deutsche Yachtkonstrukteur hatte das Schiff auch entworfen. Nach einigen Eigner-wechseln übernahm die Stiftung Hamburg Maritim den beim Verein Jugend in Arbeit restaurierten Zwölfer. 2001 wurde der Verein Freunde der Segelyacht „Heti“ gegründet und ermöglicht seither mit Spenden, dass das Boot weitestgehend im Originalzustand gesegelt werden kann.
Der klassische Zwölfer wurde in den Dreißigerjahren bei Abeking & Rasmussen gebaut. Seit 1962 fuhr sie als Fahrtenschiff für die Segelkameradschaft Ostsee. Bei einer Begutachtung kamen 2008 allerdings erhebliche Mängel zutage. Die erwarteten Kosten überstiegen die Mittel des Vereins und er wurde aufgelöst. Die „Anita“ fiel gemäß Satzung an den Segelclub Rheingau, der heutige Förderverein wurde gegründet und das Schiff in eine gemeinnützige GmbH ausgegliedert.
Die Gemeinschaft für Seefahrer (GfS) wurde 1970 mit Sitz in Lindau gegründet. Mittlerweile gehören dem Verein zwei Schiffe, die sich dauerhaft auf weltweiter Fahrt befinden.
„Durchschnittlich kaufen wir alle zwölf Jahre ein neues Schiff“, so Harald Weyrich von den Seefahrern. Allerdings wurde die „Brigantia“, eine Hallberg-Rassy 48, die die GfS 2009 kaufte, nicht ausgemustert, sondern mit einem neuen Deck ausgestattet, nachdem schon das Rigg erneuert wurde. „Die neuen Schiffe, vor allem die Rassys, sind einfach zu teuer geworden“, sagt Weyrich.
Der Jahresbeitrag des Vereins beläuft sich auf 150 Euro pro Person. Hinzu kommt ein Schiffsbeitrag pro Person und Tag. Der ist abhängig von der Art des Törns und beläuft sich für Crewmitglieder auf 42 bis 95 Euro. „Junioren“ unter 27 Jahren zahlen 24 Euro. Für Skipper kostet das Führen der Yachten pro Tag zwischen 20 und 59 Euro. Insgesamt hat die GfS ungefähr 650 Mitglieder, die meisten aus dem südlichen Raum.
Herausfordernde Monate liegen hinter Volker Reineke und seinen Mitstreitern von Jade-wind e. V. Der wurde dafür gegründet, die „Klaus Störtebeker III“ zu sanieren.
Jahrelang war sie im Ems-Jade-Kanal ihrem Schicksal überlassen worden. „Als wir uns erstmals für das Schiff interessierten, war sie mit 240.000 Euro Schulden belegt“, erin- nert sich Reineke. Er habe dem Insolvenzverwalter einen Euro geboten – unter der Bedingung, nach einer Begutachtung vom Kaufvertrag zurücktreten zu können.
„Nachdem das Angebot seinerseits erst ausgeschlagen worden war, wurde ihm anscheinend das Risiko bewusst, welches mit dem weiteren Verfall des Schiffes einhergeht, und er lenkte ein“, sagt der Erste Vorsitzende des Vereins. Seitdem wurden Spendengelder akquiriert und bereits die ersten Bauabschnitte abgeschlossen.
Die Überholung der „KS3“ übernimmt die Bültjer Werft. Das ganze Projektvolumen haben Experten auf ungefähr 250.000 Euro geschätzt.
Ein Fünftel davon konnte schon aufgebracht werden. „Wenn das Refit abgeschlossen ist, sollen Kinder und Jugendliche wieder lernen, die ‚Störtebeker‘ zu segeln“, erklärt Reineke.
Den Heranwachsenden sollen neben Navigation und Seemannschaft vor allem auch soziale Kompetenzen vermittelt werden. „Ich habe das Gefühl, das fehlt vielen Jugendlichen heutzutage“, so Reineke.
Diese Lücke will er mit seinen Vereinskameraden schließen. Bis dahin liegt aber noch viel Arbeit vor ihnen. „Wir hoffen, dass wir die Arbeiten bis zum Sommer 2026 abgeschlossen haben. Es steht aber fest, dass ich dann zurücktreten und das Ruder an die jüngere Generation weitergeben werde“, erklärt Reineke.
Seinen Auftrag sieht er als abgeschlossen an, sobald wieder junge Menschen mit dem Schiff auf Reisen gehen.