In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.
Es war ein perfekter Tag in der Karibik: Von English Harbour, meiner Meinung nach dem schönsten Hafen der Karibik, waren wir morgens in perfekten Bedingungen mit blauem Himmel und schön stabilem Nordost-Passat gestartet. Der Kat, ein 42-Fuß Lagoon, schnitt durch das türkis leuchtende Wasser gen Green Island, eine kleine Insel an der Ostseite von Antigua. Ein vorgelagertes Riff versprach traumhaftes Schnorcheln und - für mich viel wichtiger: tolle Fotos für die YACHT-Reisereportage, die wir gerade produzierten!
Doch vor Ort enttäuschte das Riff: Der Passat hatte Unmengen von Sargasso-Seegras angespült, überall schwamm das gelbe Zeug und sah sowohl auf dem Wasser als auch mit der Drohne aus der Luft einfach richtig schlecht auf den Fotos aus. Also Planänderung : In eine der tiefen Buchten an der Westseite von Green Island verholen, die sehr schön sein sollen, und Leeschutz haben. Also ohne Seetang. In der Karte hieß es schon sinngemäß: „Die Passage zwischen den Korallen müssen die Crews vorsichtig auf Sicht fahren.“ Kein Problem, an jeden Bug einen Mitsegler und unter Maschine reingetastet.
Ein einsamer, winziger Strand mit drei Palmen, leuchtend weißer Strand. Eine einzige Muringboje als sicherer Stopp vor dem Platz. Vermeidlich perfekt. Doch dann rächt sich, dass wir eigentlich zu spät losgefahren sind: Die Sonne steht schnell so tief, dass es eine krasse Gegenlichtaufnahme wird und so richtig zündet das Motiv obendrein dann doch nicht. Und dann erst merke ich, dass sich der Schwell geändert hat: allmählich bahnt sich eine lange Dünung den Weg um die Insel herum und es steht Welle hinein. Keine guten Aussichten, wenn das noch mehr werden soll. Also kurzentschlossenes Aufbrechen. Noch im Ablegen merke ich, ich habe den Kardinalfehler in der Karibik gemacht: Wir müssen die Bucht gegen die tiefstehende Sonne verlassen. Wer schon einmal in der Karibik war, weiß, wie schnell das plötzlich so ab 15, 16 Uhr geht.
Mit einem Schlag ist die „Eyeball Navigation“ nicht mehr zuverlässig möglich. Und damit die Riffköpfe nicht mehr gut zu erkennen, oft sehen die beiden Jungs am Bug sie erst wenige Meter vor dem Schiff. Mir wird heiß. Umkehren und im Schwell liegen, auch wenn der höher werden sollte? Ich orientiere mich so eng wie möglich am alten Plotter-Track. Gehe mit dem Speed immer weiter runter. Der Schweiß steht mir mittlerweile auf der Stirn, unterm Boot sieht man Korallen und sogar ein riesiger Rochen und eine Schildkröte tauchen wirklich zum Greifen nah unter uns durch. Verdammt, die waren vorhin nicht so klar zu erkennen!
In dem Moment kommt die Erkenntnis wie ein Hammer: Der Schwell! Mittlerweile „atmet“ der Ozean bestimmt einen dreiviertel Meter in langer Amplitude in die Bucht, die man kaum sieht – aber spürt. Aber wir sind nur noch vielleicht 150 Meter vom tiefen Wasser entfernt! Fast geschafft – doch dann gibt es einen Schlag am Ruder. In einem Wellental haben wir mit ihm einen Korallenkopf touchiert. Und fast zeitgleich ändert sich die Wasserfarbe: Von dunkel zu hell, wir sind raus und über der sandigen Einfahrt.
Wie schlimm ist es? Das Schiff lässt sich ganz normal dirigieren, im Handling kein Unterschied spürbar. Die Sonne geht jetzt schnell weiter gen Horizont. Wir beschließen, auf kürzestem Weg zurück nach English Harbour zu fahren, damit wir in der Nähe eines Servicebetriebes sind. Im letzten Licht kommen wir an.
Und mir wird klar: Ich muss bei der Charterfirma anrufen. Ohgottogott wie peinlich. Aber egal, in meinen Artikeln predige ich immer, die schonungslose Offenheit gegenüber Flottenbetreibern sei das Beste. Da kann ich jetzt schlecht Wasser predigen und dann Wein bzw. Rum saufen. Also rufe ich an. Der Basisleiter ist natürlich not amused und sagt, wir müssten morgen zum Servicebetrieb in English Harbour, damit der Schaden begutachtet wird. Dann der Geistesblitz: „Ich habe meine Go Pro dabei, ist es okay, wenn ich dir morgen erstmal Fotos und Videos vom Schaden schicke?“ Eine funktionierende, wasserdichte Taschenlampe für einen Tauchgang gibt es an Bord nicht. Der Basisleiter stimmt zu. Es wird eine für mich schlaflose Nacht vor Anker, da hilft auch Painkiller nichts mehr.
Am nächsten morgen unter Wasser zeigt sich, dass das Ruder nur am hintersten Eck aufgesetzt hat. Was sich am Ruder wie ein heftiger Schlag angefühlt hat, verursachte nur ein Stück abgeplatztes Laminat, etwa so groß wie eine Aprikose. Der Ruderschaft ist kerzengerade. Der Schaumkern ist nicht freigelegt! Uff! Die nächste Hürde: Es gibt kein Handynetz in der Bucht, durch das man Bilder schicken kann. An Land im Yacht-Club gibt es ein W-Lan, das wohl so in etwa so einem alten 56k-Modem entspricht. Zigmal scheitert der Upload zum Basisleiter. Nach zwei Stunden ist es endlich durch. Er ruft sofort zurück: Das sei ja nicht so wild, wir könnten weiterfahren, sollen aber am Rückgabetag bis Mittag da sein, damit der Taucher das Blatt ziehen spülen, trocknen und spachteln könnte. Nochmal Uff. Gemacht getan, noch vor 12.00 Uhr laufen wir ein.
Der Gang zum Basisleiter war ist noch ein schwerer für mich. Doch er verläuft ganz anders als gedacht: Er bedankt sich für meine Ehrlichkeit, sagt, sowas komme halt vor, und während wir reden, hat das Shoreteam das Ruder mit einem Besenstil aus dem Lager gedrückt und an Land gebracht. Wie eine gut geölte Maschine flutsch das. Sie entfernen noch ein loses Stück, das der Basisleiter an sich nimmt. „Das kommt an meinen ‚How to lose your deposit‘-Baum:“. Intern auch der „Tree of shame“ (der „Baum der Schande“) genannt. Das ist ein tropischer Busch, an dem fröhlich verbogene Relingsstützen, Dingi-Propeller, demolierte Buglaternen und vieles mehr baumelt, was im Charteralltag so zu Bruch geht. Damit, und den 180 Euro Stundenlohn für die Reparatur, konnte ich gut leben.
Haben auch Sie dumme oder vermeidbare Fehler gemacht, woraus sich lustige, gefährliche oder teure Situationen ergaben? Dann schreiben Sie und bitte unter mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.