Ushuaia, die südlichste Großstadt der Welt, ist Ausgangspunkt für das außergewöhnliche Forschungsabenteuer. Mit der 26 Meter langen "Malizia Explorer" macht sich ein 14-köpfiges Team auf den Weg in die Antarktis. Anders als bei typischen Antarktis-Expeditionen, die mit großen Schiffen durchgeführt werden, nutzt das Team um den Hochsee-Rennsegler Boris Herrmann ein robustes Segelboot. Ihr Ziel sind die Danger Islands – ein abgelegenes Archipel aus sieben kleinen Inseln, das erst vor sechs Jahren in den Fokus der Forschung rückte, als Wissenschaftler dort die weltweit größte Kolonie von Adelie-Pinguinen entdeckten: über eine Million Brutpaare auf nur fünf Quadratkilometern. Die Expedition vereint Wissenschaftler, Segler und Journalisten, die gemeinsam diese unberührte Wildnis erforschen wollen.
26 Meter lang, fast 7 Meter breit, mehr als 60 Tonnen Aluminium: Die “Malizia Explorer” beeindruckt schon wegen ihrer Dimensionen. Die Garcia 85, ursprünglich 2005 als "Beniguet" gebaut und später als Luxus-Charter "Fani" eingesetzt, haben Boris Herrmann und sein Team im Frühjahr 2025 in Lorient übernommen. Das Schiff verfügt über einen 36 Meter hohen Mast und einen 19 Tonnen schweren, hydraulisch bedienbaren Kiel. Im Gegensatz zum Renn-Imoca ist die "Malizia Explorer" auf Robustheit, Unabhängigkeit und lange Forschungsreisen in entlegene Regionen ausgelegt.
Boris Herrmann sieht das Schiff als logische Weiterentwicklung der "Climate Action Now"-Mission seines Teams. Es soll helfen, den Wirkungskreis zu erweitern und die Botschaft über Meeresschutz und Klimawandel zu verbreiten. "Ich habe mich lange dafür eingesetzt. Wer nicht versucht, der nicht gewinnt. Wir wollen zeigen, dass man mit einer Segeljacht sinnvolle Beiträge zur Forschung leisten kann - gerade dort, wo große Schiffe nicht hinkommen", erklärt Herrmann die Motivation hinter dem Projekt. Unterstützt wird er dabei von Pierre Casiraghi und Fürst Albert II. von Monaco, die sich seit Jahren für den Schutz der Meere einsetzen.
Das Schiff ist mit modernster Technik ausgestattet, darunter einem OceanPack-Labor zur Erfassung ozeanografischer Daten wie Salzgehalt, Temperatur und CO2-Gehalt. Der an sich geräumige Salon wurde für die Expedition komplett umgestaltet und steckt voll mit wissenschaftlichen Apparaten, Computern und Ladegeräten. In den fünf Kajüten sind alle 14 Betten belegt – sieben Wissenschaftler, vier Segler und drei Journalisten teilen sich den begrenzten Raum an Bord.
YACHT-Autor Andreas Lindlahr hat die Reise der Malizia Explorer von Almerimar über den Senegal Richtung Südamerika begleitet. In YACHT 01/2026 (ab dem 10. Dezember am Kiosk) beschreibt er die besondere Reise auf einem besonderen Boot.
Bevor die Forschungsarbeit auf den Inseln beginnen kann, muss das Team die berüchtigte Drake Passage überqueren – eines der stürmischsten Seegebiete der Welt. Für den anspruchsvollen Törn hat Boris Herrmann einen erfahrenen Antarktis-Segler engagiert: den Argentinier Lucas Lanusse. Auf der elektronischen Wetterkarte am Navigationstisch zeigt der Skipper die dunkelroten Zonen, die schnell zwischen Kap Horn und der antarktischen Halbinsel durchziehen und heftige Stürme anzeigen. "Du solltest starten, wenn ein Tiefdruckgebiet abzieht und versuchen, die Passage zu durchqueren, ehe das nächste auf dich zukommt", erklärt Lanusse in einem Filmbericht des ZDF die Strategie für die Überfahrt. Selbst für den erfahrenen Segler ist diese Expedition kein Törn wie jeder andere: "Zu den Danger Islands zu segeln ist die größte Herausforderung meines Lebens. Ich freue mich sehr darauf, aber es wird hart für uns alle." Im Tracker kann der Törn verfolgt werden.
Die Danger Islands haben für den deutschen Umweltschutz eine besondere Bedeutung. Im Jahr 2024 wurden sie als erstes deutsches Schutzgebiet in der Antarktis ausgewiesen. "Wir haben fünf Jahre daran gearbeitet", sagt Fritz Hertel vom Umweltbundesamt. Als Mitglied des Polarteams ist er für die Genehmigung deutscher Expeditionen und touristischer Aktivitäten in der Antarktis zuständig. Sogar seine eigene Mission musste das Amt prüfen, denn der Zugang zu den Danger Islands ist nur mit Sondergenehmigung erlaubt. "Jetzt können wir das Gebiet, das wir bislang aus der Ferne vom Schreibtisch aus erkundet haben, endlich selbst sehen und erleben", erklärt Hertel. Deutschland hat sich verpflichtet, das Gebiet regelmäßig zu überwachen, da die Pinguine als wichtige Indikatoren für den Zustand des antarktischen Ökosystems gelten und ihre Populationsentwicklung viel über die Auswirkungen des Klimawandels verrät.
Die Expedition ist ein Gemeinschaftsprojekt von Team Malizia mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), dem Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz (ThINK) und dem Umweltbundesamt (UBA). Als Initiator des Schutzgebiets trägt Deutschland nun die Verantwortung für dessen Management. Die aktuelle Expedition ist Teil dieses Engagements und soll wissenschaftliche Erkenntnisse liefern, die direkt in politische Maßnahmen umgesetzt werden können. Die Danger Islands gelten als nahezu unberührtes Gebiet und stellen einen wertvollen wissenschaftlichen Referenzpunkt dar, besonders angesichts der rapiden Klimaveränderungen in der Region.
Das wissenschaftliche Programm der Expedition umfasst verschiedene Forschungsbereiche. Die "Die Inseln sind unberührte Wildnis", sagt Osama Mustafa vom Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Der Polarexperte aus Jena leitet das wissenschaftliche Team und hat klare Vorstellungen von den Forschungszielen: "Unser Hauptziel ist es, die riesige Pinguinkolonie zu bewahren." Um dieses Ziel zu erreichen, will das Team Drohnen einsetzen, um die Tiere zu zählen und Gesteinsproben zu sammeln. Gleichzeitig plant Vogelexperte Simeon Lisovski vom Alfred-Wegener-Institut, den Pinguinen Blutproben zu entnehmen, um sie auf Krankheiten wie die Vogelgrippe zu untersuchen. Die Wissenschaftler wollen die Daten nutzen, um ein besseres Verständnis des fragilen Ökosystems zu gewinnen und Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Die Forschungsergebnisse sollen auch dazu beitragen, den Schutzstatus der Inseln zu stärken und möglicherweise auf die umliegenden Meeresgebiete auszuweiten.
Die Danger Islands sind nicht nur wegen der schwierigen Anreise eine Herausforderung. Es gibt kaum verlässliche Seekarten, die Gewässer sind flach und voller Treibeis. "Die Antarktis ist nie ungefährlich", betont Fritz Hertel, der für das Umweltbundesamt mit an Bord ist. "Wenn etwas passiert, ist Hilfe Tage entfernt." Entsprechend akribisch wurde an der Sicherheit des Teams gearbeitet. Für jeden Landgang haben die Expeditionsteilnehmer Notfallsäcke mit Schlafsäcken, Gaskocher und Essensrationen gepackt, falls eine Rückkehr zum Segelboot plötzlich nicht mehr möglich ist. Kurz vor dem Aufbruch herrscht in der Gruppe eine Mischung aus Aufregung und Ehrfurcht. Skipper Lanusse fasst die Gefühle zusammen: "Für mich ist die Antarktis wie ein anderer Planet. Kein Grün, nur Kälte, Sturm und riesige Eisberge. Es fühlt sich an, als wäre man ganz weit weg von zu Hause."
Die Expedition hat neben der wissenschaftlichen auch eine politische Dimension. Die Danger Islands wurden 2024 als Antarctic Specially Protected Area (ASPA 180) ausgewiesen – das erste von Deutschland initiierte Schutzgebiet in der Antarktis. Die USA waren Co-Antragsteller. Als Initiatoren des neuen Schutzgebiets sind Deutschland und die USA nun für das Management der Danger Islands verantwortlich. Die meisten der insgesamt 76 Schutzgebiete in der Antarktis liegen an der Küste, aber nur wenige schließen auch die angrenzenden Meeresgebiete ein. Bisher war es deutlich einfacher, Schutzgebiete auf dem Festland einzurichten als in marinen Regionen mit potenziell lukrativen Fischgründen. Deutschland strebt an, den Schutzstatus der ASPA 180 auf die Hauptnahrungsgebiete der Pinguine im Meer rund um die sieben Inseln auszuweiten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Expedition sollen dafür die notwendige Grundlage schaffen.