Kristina Müller
· 22.07.2024
Segeln über Ozeane, Leben an traumhaften Ankerplätzen, überwältigende Freude und herbe Rückschläge – die Weltumsegelung der „Salty Brothers“ zieht Zehntausende in ihren Bann. Seit dem Sommer 2023 segeln die drei jungen Männer aus Süddeutschland um die Welt. Nicolas Ahlbrecht aus Heidelberg, Stephan „Steph“ Radegast aus Pappenheim und Robert Müller aus Utting, alle etwa 30 Jahre alt, teilen dabei das Abenteuer mit ihrer Elan Impression 434 „Pepper“ in den sozialen Medien.
Und das überaus erfolgreich. Über 52.000 Follower haben sie auf ihrem Instagram-Kanal „Salty Brothers“, über 20.000 auf Youtube. Seit dem Start in Spanien sind sie 15.000 Seemeilen gesegelt und liegen jetzt im Tuamotu-Archipel im Südpazifik. Hier, vor Anker im Makemo-Atoll, haben Sie im Interview mit der YACHT verraten, wie sie sich in jungen Jahren ihren großen Lebenstraum erfüllen, warum das Segeln über den Atlantik und Pazifik ganz anders als erwartet war und weshalb sie ihre wachsende Bekanntheit in den sozialen Medien überrascht.
Steph: Natürlich gibt es immer etwas, das nicht so gut läuft. Es nervt, wenn Dinge am Boot kaputtgehen oder wenn man – wie auf der Pazifik-Überquerung – eine Woche gegenan fahren muss. Dann wünscht man sich aufs Sofa nach Hause. Aber dann würden wir nun diesen Ort hier nicht erleben!
Nico: Unterm Strich läuft alles sehr, sehr gut.
Robert: Viele denken, dass wir drei Jahre lang Urlaub machen. Die wenigsten verstehen, dass eine Weltumsegelung auch jede Menge Arbeit ist. Es gibt immer etwas zu tun, um das Boot am Laufen zu halten, sodass sich kein Wartungsstau aufbaut.
Robert: Ja! Eigentlich hat das Boot uns gefunden. Wir waren für die Besichtigung eines anderen in Almerimar. Die haben wir aber abgebrochen, weil sich schnell zu viele Mängel gezeigt haben. Dann haben wir vor Ort einen Tipp bekommen, dass ein paar Tage zuvor ein älteres norwegisches Ehepaar angekommen sei, dass sein Boot verkaufen möchte. Es hat uns angesprochen, das Bauchgefühl hat gestimmt, und die Voreigner waren sehr offen.
Nico: Aber natürlich ist es ein 20 Jahre altes Boot, und dass mal ein Kabel korrodiert, gehört halt dazu.
Steph: Wir benutzen es ja auch intensiv, es arbeitet 24 Stunden am Tag, es macht nie Pause.
Steph: Robert und ich sind vorher viel auf sportlichen Yachten auf der Ostsee gesegelt. Daher haben wir zunächst ein eher sportliches oder zumindest besonderes Schiff gesucht. Dann hat aber die Vernunft gesiegt. Unser jetziges Boot ist ein guter Kompromiss.
Robert: Wir wollten mindestens drei Kabinen haben und am besten auch eine vierte für Gäste, die wir alternativ als Lager nutzen können.
Steph: Ja, ich würde sagen, dass wir 80 Prozent der Zeit nicht allein an Bord sind. Aktuell sind wir zum ersten Mal seit Ende Januar mal wieder nur zu dritt an Bord. Wir haben viele Freunde und Bekannte, die segeln und gern ein Stück mitkommen. Das entlastet die Bordkasse auch enorm und hilft uns bei der finanziellen Planung der Reise. Fremde haben wir aber noch nie mitgenommen.
Nico: Es wäre tatsächlich entspannter, wenn wir es nicht machen würden. Es geht ja immer darum: Wann setze ich wen ab, und wo hole ich die Nächsten ab? Anfangs haben wir uns auch verschätzt, alles viel zu eng getaktet und sind ein bisschen auf die Schnauze geflogen.
Nico: Das Wetter passte nicht, als wir durch die Straße von Gibraltar Richtung Kanaren mussten. Wir haben uns bei 30 Knoten gegenan gequält, um rechtzeitig dort zu sein, weil dort schon Leute warteten. Und dann sind wir doch zu spät gekommen! Das lag aber auch daran, dass uns der Propeller verloren gegangen ist und wir in einer Hauruck-Aktion einen Ersatz besorgen und anbauen mussten. Der Vorteil am Segeln mit Gästen ist allerdings, dass sie uns immer wieder vor Augen führen, wie unbeschreiblich diese Reise ist, die für uns ja mittlerweile Alltag ist. Das gibt immer neue Energie.
Nico: Wir haben keine festen Rollen, alles hat sich entsprechend unseren Stärken und Vorlieben eingegroovt. Ich bin beim Segeln eher raus. Dafür fokussiere ich mich auf andere Dinge wie die Wartung des Motors oder Wassermachers. Als wir das Unterwasserschiff neu gemacht haben, hatte ich den Hut auf. Robert zum Beispiel ist ohnehin ein chronischer Wetterbericht-Beobachter (lacht), also kümmert er sich meist darum.
Robert: Es war anders als erwartet. Steph und ich sind vorher jeder schon zweimal in beide Richtungen auf einem Traditionssegler über den Atlantik gesegelt. Da haben wir das klassische Passatwetter kennengelernt. Nun gar nicht! Dafür sind wir tagelang in einem riesigen Flautengebiet gedümpelt und konnten baden. Mit den Segeln haben wir so ziemlich alles durchgespielt und alles versucht, teilweise zwei-, drei-, viermal am Tag gewechselt. Spi, Genua, Doppelgenua – wir haben ständig rumgebastelt.
Robert: Hier auf dem eigenen Boot hat man immer ein Auge oder ein Ohr offen, auch wenn man gerade keine Wache hat. Das ist der größte Unterschied. Dafür können wir bei uns an Bord machen, wozu wir Lust haben, und bleiben, solange wir wollen – einmal abgesehen von irgendwelchen Terminen. Aber wir können sehr flexibel entscheiden und müssen das nur unter uns dreien ausmachen. Das ist schon ein Vorteil und ein krasser Luxus.
Steph: Auf jeden Fall waren lange Etappen auf den größeren Schiffen deutlich entspannter als auf unseren 44 Fuß. Die Arbeitsaufteilung ist eine ganz andere, da wir hier nur zu dritt sind. Glücklicherweise waren wir auf der Pazifiküberquerung zu fünft, dadurch war es entspannt.
Robert: Die Pazifiküberquerung war deutlich besser! Zum einen hatten wir nun schon Ozeanerfahrung auf unserem Boot. Und unsere beiden Mitseglerinnen auf dem Pazifik, beides erfahrene Seglerinnen, waren eine wahnsinnig große Hilfe. Die ersten tausend Meilen bis Galapagos waren dennoch krass; eine Kreuz bei viel Wind und Welle, Regen und Gewitterzellen. Und das zehn Tage am Stück! Wirklich nicht gemütlich, das war ein harter Einstieg in die Pazifik-Überquerung. Nach den Galapagosinseln haben sich die Bedingungen aber wieder deutlich gebessert.
Steph: Auf der Südseite des Äquators haben wir irgendwann endlich den Passatwind gefunden, konnten dann nach Westen fahren. Das war ziemlich angenehmes Segeln, fast schon wie ein Ostseesommer … Nico: Die letzte Woche war noch einmal deutlich anstrengender, mit mehr Wind und den bisher höchsten Wellen der Reise, bis zu fünf Meter. Als wir gemerkt haben, dass der elektrische Autopilot das nicht mehr bis zu den Marquesas schafft, haben wir die letzten drei Tage von Hand gesteuert. Zum Glück waren wir zu fünft!
Robert: Ja, für uns gehörte das gleich dazu. Die Segeljungs waren da durchaus Inspiration. Bis zur Pazifiküberquerung hatten wir etwa 3.000, 4.000 Follower. Der krasse Zuwachs ist erst durch die Videos gekommen, die wir auf der Pazifikpassage täglich veröffentlicht haben. Da gab es immer ein Tagesvideo zu verschiedenen Themen. Einige davon sind viral gegangen, eines hat fast drei Millionen Aufrufe. Dadurch kamen innerhalb von den 30 Tagen fast 50.000 neue Follower dazu. Das kann ich selbst nicht verstehen, das ist schon Wahnsinn.
Nico: Zum Beispiel, wie wir aufs Klo gehen. Und warum wir bei so viel Lage auf See nicht in Hängematten schlafen. Und natürlich die Klassiker: Wo ankert ihr nachts auf dem Atlantik? Was macht ihr bei Sturm? Was macht ihr bei hohen Wellen? Was macht ihr, wenn euer Boot untergeht?
Steph: Von jetzt an haben wir keine festen Pläne mehr, nur die Ideen. Ende Oktober wollen wir in Neuseeland sein. Dort wird das Schiff während der Wirbelsturm-Saison bleiben. Bis hier hatten wir die Reise über Erspartes finanziert, nun müssen wir die Pause vom Segeln nutzen, um zu arbeiten und Geld zu verdienen.
Steph: Im Mai oder Juni nächsten Jahres wollen wir Neuseeland nach Norden Richtung Fidschi verlassen, von dort geht es weiter Richtung Westen und durch den Suezkanal ins Mittelmeer, wenn die politische Lage es erlaubt. Wir haben nach dem Aufbruch in Almerimar in Spanien noch einen Testschlag rund Sardinien gesegelt. Unsere Startlinie lag zwischen Bonifacio und Sardinien. Über diese Linie wollen wir wieder fahren.
Robert: Das ist keine einfache Frage!
Steph: Sie hat dich spontan gemacht!
Robert: Stimmt. Und sie hat mir dazu verholfen, dass ich viele, viele Dinge, die ich zu Hause als selbstverständlich erachte, mittlerweile sehr zu schätzen weiß. Zum Beispiel eine Waschmaschine. Steph: Ich habe mich anfangs auch mit der Spontaneität schwergetan. Man kann viele Sachen einfach nicht planen. Oder man plant, und alles kommt anders. In dieses Leben im Einklang mit der Natur und dem Boot muss man erst mal reinwachsen. Das Wetter macht, was es will, und es bestimmt alles. Geht’s dem Boot gut, geht’s uns gut.
Nico: Ich hatte viel Zeit, über mich nachzudenken und zu reflektieren, zum Beispiel hinsichtlich meiner bisherigen Berufswahl. Ich bin mir jetzt sehr bewusst, was ich für meine Zukunft suche. Es ist schon ein extremer Unterschied, ob man mal zwei Wochen Urlaub macht oder, wie wir jetzt, wirklich mal eine Weile raus ist.
Das Boot für die Reise ist eine Elan Impression 434 aus dem Baujahr 2006. Es lief lange im Charterbetrieb, wurde dann von einem Fahrtenseglerpaar aus Norwegen übernommen, das es an die „Salty Brothers“ verkaufte. Das 12,99 Meter lange Schiff wird bei Flaute von einem 55-PS-Volvo angetrieben, ist 4,20 Meter breit und hat 1,90 Meter Tiefgang. Konstrukteur des Bootes ist Rob Humphreys, gebaut wurde es in der slowenischen Elan-Werft.
Nicolas Ahlbrecht, 29, Stephan Radegast, 29, und Robert Müller, 31, haben vor ihrer großen Reise als Garten- und Landschaftsbauer, Architekt und Fotograf gearbeitet. Unterwegs gehen sie ihrer Leidenschaft Filmen und Fotografieren nach und teilen die Reiseerlebnisse auf Instagram und Youtube: @saltybrotherssailing.