Aufregender ArbeitstagSamstags an der Charterbasis

Nils Leiterholt

 · 07.09.2024

Chartersegler Nils Dreßen steigt mit viel Gepäck an Bord. Was in den Stunden zuvor so alles passierte, damit er ein sauberes und technisch einwandfreies Schiff vorfindet, ahnt er kaum
Foto: YACHT/Nils Leiterholt
Am Wechseltag geht es an den Charterbasen zur Sache. Sind die Crews von Bord, rücken Putzkolonnen und Bootshandwerker an. Binnen Stunden müssen die Schiffe klar für den nächsten Törn sein. Beobachtungen in Heiligenhafen

“Drei Schiffe sind schon geräumt und können fertiggemacht werden“, informiert Sabine Scharbau ihren Kollegen Björn Seifert. Es ist neun Uhr morgens, die beiden stehen vor dem Putzmittellager der Charterstation im Yachthafen von Heiligenhafen. Scharbau hat zuvor bereits die Putzsets für die Mitarbeiter einer externen Reinigungsfirma bestückt und bereitgestellt. Die sollten längst vor Ort sein, jedoch: Der Subunternehmer hat sie kurzfristig versetzt – ausgerechnet heute!

Samstags ist Hauptwechseltag an der Charterstation. Dann bleiben nur wenige Stunden Zeit, die zurückgekommenen Yachten zu putzen und gegebenenfalls erforderliche Reparaturen zu erledigen. Die neuen Crews wollen ihre Schiffe schließlich so rasch wie möglich übernehmen.

Auch aus der Reihe:

Also legen Sabine Scharbau, die hier alle nur „Biene“ nennen, und Björn Seifert erst mal allein los. Die 59-Jährige arbeitet seit über 30 Jahren an der Basis. Sie kann so leicht nichts mehr aus der Ruhe bringen. Auch wenn der Ausfall des externen Reinigungsteams den Tagesplan durcheinanderwirbelt. Sie verteilt flugs die Aufgaben neu – und ist gewohnt optimistisch, dass die ersten Schiffe gegen Mittag dennoch bezugsfertig sind.

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Spuren des gerade absolvierten Törns entfernt

Während in dem Teil des Hafens, wo die Eignerschiffe liegen, noch morgend­liche Ruhe herrscht, ist auf den drei Stegen, an denen die Boote der Yacht- und Charterzentrum GmbH liegen, inzwischen geschäftiges Treiben ausgebrochen. Die meisten Segler, die zwischen Hafen und Parkplatz hin und her eilen, sind noch damit beschäftigt, ihr Schiff zu räumen. Und es von den Spuren des gerade absolvierten Törns zu befreien: Geschirr spülen, Segel ordentlich auftuchen, Tauwerk aufschießen, durchfegen, den Müll von Bord bringen. Als Beobachter wundert man sich angesichts all der voll beladenen Transportkarren, die da über die Stege gezogen werden, was so alles auf ein Schiff passt.

Einen, den das längst nicht mehr wundert, ist Dirk Kadach. Er hat 15 Jahre lang den Stützpunkt in Heiligenhafen geleitet. Ebenso den in Flensburg, in Greifswald und in Kroatien. Mittlerweile ist er für die Geschäfte des Unternehmens am Standort auf Mallorca verantwortlich. Er erklärt: „Wir vermieten an der Ostsee sowohl unter dem Namen ‚1. Klasse Yachten‘ als auch unter der Marke ‚Ecosail‘. Zurzeit sind das in Heiligenhafen zusammen 68 Yachten.“

Die Schiffe, die bei „1. Klasse“ laufen, seien neuer, maximal sechs bis sieben Jahre alt. Danach wechseln sie in die „Ecosail“-Flotte. „Sie sind dann immer noch technisch einwandfrei, weisen aber in der Regel mehr Gebrauchsspuren auf als die jüngeren Schiffe“, so Kadach. Deshalb seien sie natürlich entsprechend preiswerter im Angebot.

Zurück zu „Biene“ und ihren Leuten. „Wir haben Glück, ‚Philo‘ ist da, um uns zu helfen“, zeigt sich die Chefin des Reinigungs-Teams sichtlich erleichtert. Phili­p­pos „Philo“ Koch ist ebenfalls ein Subunternehmer, der sie regelmäßig unterstützt. Für gewöhnlich kümmern er und sein Mitarbeiter sich um die Außenreinigung der Schiffe. Sie befreien mit Wasserschlauch, Pütz, Wischlappen und Poliertuch Rumpf, Deck und Cockpit von Schmutz und Flecken. Heute unterstützt er die anderen ausnahmsweise bei der Innenreinigung. Seinen Job an Deck übernimmt ein Kollege. Koch hat als „Bootswischer“, wie er selbst sagt, in Heiligenhafen angefangen. Mittlerweile führt er seit drei Jahren eine eigene Reinigungsfirma.

Große und kleinere Yachten machen gleich viel Arbeit

An Arbeit mangelt es nicht. So manches Schiff wird von der Crew alles andere als besenrein hinterlassen. Seien es Brötchenkrümel im Backofen, Speisereste im Kühlschrank, zerbröselte Chips zwischen den Polstern oder Zahnpastakleckse im Bad. Vom Zustand vieler Bordtoiletten ganz zu schweigen. Sabine Scharbau weiß: „Der Grad der Verschmutzung hat nichts mit der Dauer der Vermietung zu tun.“ Die ein oder andere Crew würde es durchaus auch an nur einem Wochenende schaffen, ein Schiff so zu hinterlassen, als wäre es zwei Wochen auf Chartertörn gewesen.

Ob 38 oder 46 Fuß – überraschenderweise machen große Boote kaum mehr Arbeit als kleinere Yachten. Im Gegenteil erzählt Björn Seifert sogar, dass die modernen, breiten und langen Yachten im Grunde einfacher zu reinigen seien. „Da kann man auch mit mehreren Leuten unter Deck gleichzeitig putzen, ohne sich ständig gegenseitig im Weg zu stehen.“ Außerdem seien die Flächen auf den neuen Schiffen meist größer und damit einfacher sauber zu halten.

Alle fertig geputzten Toiletten erhalten übrigens eine Hygienebanderole. „Damit vermitteln wir den nachfolgenden Crews ein besseres Gefühl. Sie sehen dann, dass die Toiletten gewissenhaft gereinigt und desinfiziert wurden“, erklärt Scharbau. Außerdem stehe ein wichtiger Hinweis auf der Banderole: „Hier bitte nur herein, was vorher gegessen oder getrunken wurde“. Es gebe für das Team kaum einen schlimmeren Job, als ein verstopftes Bord-WC instand setzen zu müssen.

An diesem Morgen trifft es Mario Graichen. Er ist einer von drei Technikern der Yachtpoint Service GmbH, zu der auch das Team von Sabine gehört. Auf einer Oceanis 43 soll er die Toilette wieder funktionsfähig machen. Rasch stellt er fest, dass der Abwasserschlauch zusitzt. Graichen muss ihn ausbauen und ersetzen. Gar nicht so einfach, denn ein in die Nasszelle integrierter Schrank ist im Weg. Der muss weichen.

Allerhand Werkzeug und Ersatzteile in der Werkstatt

Für den 41-Jährigen kein Problem, rasch ist der Schrank ausgebaut. Nun kann er den verstopften Schlauch aus- und einen neuen wieder einbauen. Das hingegen ist nicht so einfach. Auf engstem Raum und mit vielerlei Verrenkungen muss Graichen die Anschlüsse fixieren. Einmal bleibt er prompt mit der Hand zwischen Schlauch und Bordwand stecken und flucht: „So ein Mist!“ Auch das Wiedereinsetzen des zuvor ausgebauten Schranks ist Millimeterarbeit. Er will exakt ausgerichtet sein, um die alten Schraublöcher zu treffen. Nach einem weiteren Fluch gelingt dem gelernten Zimmermann aber auch das.

Kurz noch aufräumen und sauber machen, dann eilt Mario Graichen zurück zur Werkstatt, die sich gleich neben dem Bürogebäude am Hafen befindet. Dort lagern allerhand Werkzeug und jede Menge Ersatzteile: beispielsweise Relingsstützen. Die würden gern mal beim An- oder Ablegen zwischen den Pollern hängen bleiben und dann verbiegen. „Die können wir hier quasi aus dem Stegreif ersetzen“, sagt Graichen. „Wenn hingegen ein Segel beschädigt ist, geben wir es dem örtlichen Segelmacher zur Reparatur.“

Für jedes Schiff der Charterflotte gibt es verantwortliche Bootsleute. Stellen sie Mängel oder Schäden fest oder werden sie von Chartergästen informiert, dass etwas defekt ist, tragen sie dies in eine Auftragsliste ein. Die wird dann von den Technikern nach und nach abgearbeitet.

Auch Sabine Scharbau arbeitet mit Listen, auf denen sie ihr Team den zu reinigenden Yachten zuordnet und die Arbeitsfortschritte abhakt, um die Übersicht zu behalten. Die sollen künftig auch die Charterkunden erhalten: „Auf Mallorca testen wir gerade eine App“, erzählt Dirk Kadach. „Die erleichtert nicht nur uns die Arbeitsabläufe. Auch die Kunden sehen nun in Echtzeit, ob sie ihr Schiff bereits übernehmen können oder wann das voraussichtlich der Fall sein wird.“ Kadach schwärmt regelrecht: „Das ist eine unglaubliche Verbesserung!“

Künftig soll App zum Einsatz kommen

Wie weit die Reinigung eines Bootes fortgeschritten ist, zeigt die App anhand unterschiedlicher Farbsymbole: Wird ein bestimmter Arbeitsschritt begonnen, wechselt das zugehörige Icon von Grau auf Gelb. Ist die Arbeit abgeschlossen, wird es grün. „Auf diese Weise können anreisende Crews nach und nach sehen, ob zum Beispiel Innen- und Außenreinigung bereits begonnen oder abgeschlossen sind. Dementsprechend können sie entscheiden, ob sie zum Beispiel erst einkaufen gehen oder zunächst ihr Schiff beziehen“, erklärt Dirk Kadach die Vorzüge der neuen App, die er mitentwickelt hat.

Künftig soll sie auch am Charterstützpunkt in Heiligenhafen zum Einsatz kommen. „Ich glaube, dass das auch den Charterseglern hier richtig gut gefallen wird“, schätzt Sabine Scharbau. Momentan führt sie ihre Listen doppelt: einmal wie gewohnt auf einem Klemmbrett in Papierform, einmal digital für letzte Tests der App.

Analog wird hingegen die Arbeit der Techniker und Putzleute bleiben. Und zum großen Teil auch die der Bootsleute. Einer von ihnen ist Alexander Hoffmann. Er teilt sich mit neun anderen Kollegen in Heiligenhafen die Arbeit. Der Braunschweiger ist fast jedes Wochenende vor Ort und besitzt selbst zwei Schiffe, die von der Basis regelmäßig verchartert werden. Für weitere vier Boote ist er ebenfalls zuständig.

Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Yachten an die anreisenden Crews zu übergeben, sie in die Gegebenheiten an Bord einzuweisen und ihnen die vorhandene Technik und Ausrüstung zu erklären. Und die Schiffe und ihre Crews am Ende des Törns auch wieder in Empfang zu nehmen.

Drei umfangreiche Checklisten

Nun klingelt Hoffmanns Handy. Nils Dreßen ist dran. Er und seine Verlobte Ramona Griebel haben die „Helene“ gechartert, eine Bavaria Cruiser 37. Das Paar will mit Freunden Ferien darauf verbringen, hat aber noch nicht allzu viel Segelerfahrung. Beide sind 32 Jahre alt, und es ist das erste Mal, dass sie ein Boot mieten. Nun will Dreßen mit Hoffmann die Zeit für die Schiffseinweisung abstimmen.

Erst im vergangenen Jahr haben Dreßen und Griebel den SKS gemacht. Entsprechend sind zwar viele nautische Kenntnisse noch präsent, dennoch haben sie einige Fragen zum Schiff. „Kannst du uns einmal zeigen, wie das Bergen und Setzen mit dem Rollgroß funktioniert?“, bittet Dreßen daher den Bootsmann, als der später zur Übergabe bei ihnen erscheint. „Na klar, ist gar kein Problem“, antwortet der 55-jährige Bauplaner, „das schauen wir uns gleich in Ruhe an. Zuerst aber müssen wir den Pflichtteil der Übergabe hinter uns bringen.“

Der startet am Salontisch. Hier gehen die drei eine umfangreiche Checkliste durch, prüfen die Staupläne und ob alles da hinterlassen wurde, wo es hingehört. Sie schauen nach den Seeventilen, zählen die automatischen Rettungswesten samt zugehörigen Gaskartuschen. Und auch das Inventar der Pantry gilt es abzuhaken.

Danach geht es ins Cockpit. Hoffmann zeigt die Winschen und erklärt, wohin welche Fallen, Schoten und Strecker laufen und in welchen Klemmen sie arretiert werden. Gemeinsam kontrollieren die drei anschließend das laufende und stehende Gut, das Rigg, die Relingsstützen, aber auch den Rumpf auf sichtbare Schäden. So weit scheint alles in Ordnung. Nur dass eine der Relingsstützen leicht verbogen ist, wird noch im Übergabeprotokoll vermerkt.

„Sollten euch unterwegs irgendwelche Schäden oder Defekte auffallen, dokumentiert das unbedingt, gern auch mit Fotos“, bittet Hoffmann die beiden. „Daraus lassen sich dann im Zweifel Schlüsse ziehen, wann ein Schaden entstanden ist, wie etwa ein Kratzer im Rumpf.“ Sei der beispielsweise bereits gelblich verfärbt, könne man nämlich davon ausgehen, dass er schon länger da war. „Dann fällt so etwas nicht auf euch zurück“, erklärt Hoffmann den Charterneulingen.

Nächsten Samstag beginnt alles von vorn

Danach nimmt sich der Bootsmann Zeit, Dreßen und Griebel die Funktionsweise des in den Mast einrollbaren Großsegels zu erläutern. „Am besten ist es, das Segel immer auf dem Backbordbug, also mit Wind von Steuerbord zu bergen und zu setzen“, erklärt er. „Wegen der Drehrichtung der Spindel, über die das Tuch gewickelt wird.“ Außerdem weist er darauf hin, dass es sehr wichtig sei, den Baum insbesondere beim Bergen und beim Reffen des Segels möglichst in einen 90-Grad-Winkel zum Mast zu stellen. Andernfalls laste zu hoher Druck auf dem Tuch und erschwere nicht nur das Manöver. Das Segel könne auch Schaden nehmen.

Danach werfen sie noch einen Blick auf die Navigationselektronik. Die Segler sollten die wichtigsten Funktionsweisen der Geräte schließlich kennen. Als das Funkgerät an der Reihe ist, führt Hoffmann unter anderem vor, wo Kanäle und Rausch­unterdrückung eingestellt werden.

Dann ist es geschafft, das Schiff übergeben, die Crew und ihre Mitsegler anderntags klar zum Ablegen. Hoffmann gibt noch ein paar Reviertipps für den anstehenden Törn mit auf den Weg. Der soll nach einem Einsegeln in der Bucht vor Heiligenhafen zunächst nach Fehmarn und im weiteren Verlauf dann Richtung Lübecker Bucht führen.

Alexander Hoffmanns Arbeit ist damit für diesen Tag getan. Auch Mario Graichen und seine Technikkollegen haben ihre Liste abgearbeitet. Desgleichen Sabine Scharbau, Björn Seifert, Philippos Koch und die anderen Mitarbeiter der Reinigungsmannschaft. Feierabend. Bis zum nächsten Samstag – wenn alles von Neuem beginnt.


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