Aufregender ArbeitstagDas erlebt ein Tankwart an der Yachttankstelle Strande

Fabian Boerger

 · 10.08.2025

Bei Thomas Langer dreht sich alles um den Treibstoff. Besonders während großer Events wie der Kieler Woche herrscht bei ihm Ausnahmezustand. Doch kaum etwas vermag den Hüter der Zapfsäule aus der Ruhe zu bringen.
Foto: Fabian Boerger
​Thomas Langer sorgt seit 18 Jahren als Tankwart der Yachttankstelle Strande dafür, dass die Motoren laufen. Sowohl für seine Kunden als auch für deren Tanks hat er dabei stets ein offenes Ohr. Ein Ortsbesuch.

​Montagmorgen, neun Uhr. Tief hängen graue Wolken über der Kieler Förde. Im Gemeindehafen von Strande ist zu dieser Zeit nicht viel los – würde man denken. Doch weit gefehlt. Hinten, ganz am Ende von Steg 6, ist Thomas Langer schon seit zwei Stunden am Wirbeln. Langer ist der Tankwart der Yacht-tankstelle und am Tag zuvor ist etwas Ungewöhnliches passiert - ihm ist der Sprit ausgegangen. Die Erklärung dafür ist schnell gefunden: Es ist Kieler Woche und für Thomas Langer bedeutet das schlicht: Ausnahmezustand.

„Was war denn da gestern los?“, will ein Bekannter wissen, der gerade die Zapfpistole in den Einfüllstutzen seines Schlauchbootes einführt. Offenbar hat die Nachricht schnell die Runde gemacht. „Wieso?“, fragt Langer trocken und ergänzt: „Bei dem Andrang, nach so einem Wochenende: Da kann das schon mal passieren.“

Es war das erste heiße Sommerwochenende des Jahres. Alles, was schwimmen konnte, war auf dem Wasser. Zu den regulären Sportbooten gesellten sich zahlreiche Trainer-, Begleit-, Jury- und Tonnenleger-Boote, die die Segler auf den Regattabahnen unterstützen.

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Die Kundschaft der Yachttankstelle Strande

Während der Kieler Woche machen die Schlauchboote mit ihren großen Außenbordern den Großteil von Langers Kundschaft aus. Und sie kommen alle zur gleichen Zeit – entweder morgens vor oder abends nach den Rennen. Allerdings sind die Reserven an Langers Tankstelle begrenzt. Nachschub gibt es nur wochentags. Kommen dann noch größere Boote mit Bunkerkapazitäten über 500 Liter hinzu, kann es auch mal eng werden. „Ich versuche, das zu vermeiden, aber manchmal geht es nicht anders“, sagt Langer. Und so war gegen Nachmittag Schluss. Diejenigen, die leer ausgingen, musste er auf den nächsten Morgen vertrösten.

Um 7 Uhr morgens ist der ersehnte Nachschub schließlich da und der Tanklaster steht bereit. Dreimal kommt er während der Kieler Woche. Normalerweise ist es seltener. Ganze 11.000 Liter Super-Benzin hat er geladen, die nun über Rohre von Land zur Yachttankstelle strömen. Dafür sind Schläuche mit dem Durchmesser von Straßenlaternen unter den Planken des Stegs verlegt.

Insgesamt 23.000 Liter - 11.000 Liter Super-Benzin und 12.000 Liter Diesel - kann Thomas Langer in seinen Tanks bunkern. Sie liegen direkt unter dem Stahlponton, der an zwei großen Pfählen sicher gegen wechselnde Wasserstände befestigt ist. Neben dem Kraftstoff verkauft er dort alles, was man an Bord so braucht – vom Motoröl über Schokoriegel bis hin zur Flasche Rum.

Zwei bis drei Stunden dauert es, bis das Benzin die Tanks gewechselt hat. Bei einer Straßentankstelle geht das fünfmal so schnell. Doch die Rohre seien zu schmal, der Druck, mit dem das Super durch die Leitungen ströme, zu gering, erzählt der Lastwagenfahrer. Beim Diesel gehe das schneller.

Wie Thomas Langer den Überblick behält

Während von Land aus der ersehnte Treibstoff nachgeliefert wird, wird er auf der anderen Seite der Tanksäule sofort wieder entnommen. Ohne Unterbrechung wird die Zapfpistole unter den Schlauchbooten weitergereicht. Sobald ein Boot den Anleger verlässt, rückt ein anderes nach. So geht das den ganzen Vormittag. Unterdessen eilt Thomas Langer kreuz und quer über den Ponton. „Was ist mit euch?“, fragt er die dreiköpfige Crew eines Trainerbootes. Sie haben eine freie Lücke gefunden, warten und klönen, obwohl die nächste Zapfpistole bereits frei ist. „Hier“, sagt Langer und drückt ihnen eine in die Hand. „Geht los!“ Und schon ist er wieder weg; denn im Kassenhäuschen möchte jemand seine Rechnung bezahlen.


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Beobachtet man Thomas Langer bei seiner Arbeit, wird schnell deutlich: Diese elf mal vier Meter sind sein Revier. Wie ein Dirigent, der sein Orchester koordiniert, leitet er die Sportbootfahrer an seiner Tankstelle. Seine Anweisungen sind bestimmt, die Kommandos präzise. Das müssen sie auch sein, damit das Gewusel eine Ordnung bekommt.

Der Weg zum Tankwart

Er selbst bleibt dabei die Ruhe in Person. Thomas Langer gehört zur Yachttankstelle Strande wie der Leuchtturm Friedrichsort zu Kiel. Seit 18 Jahren hält er den Laden am Laufen. Mehrere Zeitungen haben bereits über ihn berichtet. Die Leute kennen ihn und er kennt die Leute. Dabei ist der mittlerweile 70-Jährige eher zufällig in den Beruf des Tankwarts gerutscht.

Mit zehn kam der gebürtige Nordrheinwestfale in den Norden. Nach der Schule lernte er den Beruf des Funkers, arbeitete bei der Marine in Eckernförde und Flensburg. Doch Funker brauchte man irgendwann nicht mehr. Und trotz einer Umschulung für die Handelsschifffahrt musste ein neuer Job her. Es folgte eine Episode der Gelegenheitsjobs: Zeitweise fuhr er Taxi, arbeitete als Tauchlehrer im Roten Meer, betreute schwierige Jungs auf den Kanaren, überquerte den Atlantik und lebte in einem Kibbuz in Israel.

1994, mit fast 40 Jahren, sattelte er noch einmal um und machte eine Ausbildung zum Schiffsmakler. Doch nach seinem Abschluss war der Bedarf im Kieler Raum gering: Von Fährverkehr, wie es ihn heute in Kiel gibt, war noch keine Rede und wegen der geringen Dieselpreise mieden Frachter den Nord-Ostsee-Kanal.

Also orientierte sich der Tausendsassa erneut um und fand schließlich seinen Weg nach Strande. Zunächst übernahm Langer 2006 vertretungsweise die Aufgabe des Hafenmeisters, bis sich wenig später eine andere Gelegenheit auftat. Die Yachttankstelle im Hafen suchte einen neuen Tankwart. Das passte dem passionierten Segler und Sportbootfahrer.

Was ihm besonders an der Arbeit gefällt? „Es guckt mir keiner auf die Finger. Ich bin mein eigener Herr“, sagt er. Von den Kraftstoff-Bestellungen bis zum Einkauf des Shop-Sortiments erledigt Langer alles selbst: „Es ist einfach ein schöner Arbeitsplatz mit einem ausgesprochen angenehmen Publikum. Außerdem habe ich eine super Aussicht“.

Die wird regelmäßig durch außergewöhnliche Boote bereichert. Das größte Schiff, das Langer hier gesehen hat, war vor einigen Jahre eine 100-Fuß-Yacht. Doch auch Marineboote, Motoryachten mit bis zu 6.000-Liter-Tanks, Versorgungskatamarane für Windkraftanlagen und Yachten mit Hubschraubern an Deck haben schon bei ihm festgemacht. Die Fotos davon sammelt Langer auf seinem Handy. Auf einigen Bildern ist die Tankstelle vor lauter Boot kaum zu erkennen. „Da sind manchmal Wahnsinnsgefährte dabei.“

Reserven für die Yachttankstelle auffüllen

Inzwischen ist es Mittag im Hafen von Strande und an der Tankstelle kehrt allmählich Ruhe ein. Hunderte Liter Benzin sind am Vormittag weggegangen, während die Diesel-Säule bisher ungenutzt blieb. Während der Kieler Woche sei das kein Wunder, sagt Langer. Zudem ist das Wetter nicht sonderlich einladend: Immer wieder regnet es, draußen jenseits der Förde weht ein kräftiger Westwind.

„Außerdem bunkern erstaunlich viele ihre Boote mit Kanistern“, erzählt er. Das gehe allerdings nur so lange gut, bis sie die Dieselpest im Tank haben. Die schleimigen Rückstände, die Filter verstopfen und Motoren schädigen, entstehen durch Mikroben. Diese gedeihen, wenn sich Wasser im Tank ansammelt, etwa durch Kondensation. Die Bio-Anteile im Diesel, die seit 2008 an Straßentankstellen beigemischt werden müssen, verstärken dieses Problem zusätzlich.

An der Yachttankstelle in Strande wird Diesel ohne den Bio-Zusatz verkauft. Dadurch ist der Marine-Treibstoff etwas teurer, aber auch weniger anfällig für die Dieselpest. An diesem Tag kostet ein Liter Diesel 1,96 Euro. Super-Benzin liegt bei 2,08 Euro. Ein Schluck eines Diesel-Zusatzstoffes, den es auch bei Langer zu kaufen gibt, und Sportbootfahrer sind auf der sicheren Seite.

So wie Anni und Rainer Decker. Sie wollen auch vorbereitet sein – allerdings auf ihren Urlaub. Der naht in großen Schritten und ihre Diesel-Reserven müssen aufgefüllt werden. Mit ihrer Segelyacht, einer Hallberg Rassy 312, machen sie längsseits fest. „Unterwegs hat man oft nicht viel Auswahl“, sagt Anni Decker. „Man überlegt sich genau, wo man welchen Kraftstoff bekommt.“

​Ein Service, den die Leute schätzen

Langer unterstützt die beiden beim Anlegemanöver. Der Wind steht ungünstig, direkt auf den Tank-Ponton. Als die beiden fest vertäut liegen, macht sich Langer gleich auf die Suche nach dem Tankstutzen. Im Gegensatz zu kleineren Motorbooten übernimmt Langer bei größeren Yachten das Tanken persönlich. Das Risiko für eine Sauerei sei einfach zu groß, sagt er. Wie beim Auto – Pistole reinstecken und warten, bis es klackt – funktioniere oft nicht. Denn bei vielen Booten sei die Entlüftung zu tief positioniert, sodass die Stopp-Automatik der Zapfpistole erst dann auslöst, wenn der Tank bereits überläuft.

Um das zu verhindern, legt er während des Tankens ein Ohr direkt an den Einfüllstutzen des Bootes und lauscht dem Rauschen des Diesels. Eine Lokalzeitung nannte ihn deshalb schon den „Tankflüsterer“. Sobald der Tank voll ist und der Diesel die Leitung hinaufsteigt, ändert sich das Geräusch. Das ist für ihn das Signal, das Tanken zu stoppen.

Ein Service, den die Leute schätzen: „Dadurch ist der Hafen immer sauber; es passieren keine Sauereien. Hinzu kommt aber auch, dass ich hier die beste Rumauswahl östlich von Trinidad habe!“ Um seinen Service zu bekommen, müssen Sportboote so anlegen, dass Langer vom Ponton aus an den Tankstutzen gelangt: „Ich krabble nicht auf allen vieren über Boote, um zum Einfüllstutzen auf der anderen Seite zu gelangen. Das mache ich nicht.“ Doch das richtige Anlegen ist für einige Skipper Hürde genug, wie sich wenig später zeigt.

Herausforderungen am Ponton

Viel zu schnell, gedrückt durch Böen von achtern, fährt eine Bavaria auf die Längsseite des Pontons zu. „Das ist zu schnell und deine Fender hängen viel zu hoch“, ruft Langer noch dem Skipper zu, da rumst der Rumpf schon gegen den Anleger – und die Yacht kommt zum Stehen. Es bleibt bei dem kleinen Schock, doch Langer weiß, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird. Thomas Langer erzählt, dass vor allem Charter-Skipper immer wieder Probleme mit dem Anlegemanöver hätten. Viele kennen die ausgeliehenen Boote noch nicht und haben ohnehin wenig Erfahrung. Dann werden Leinen ins Wasser geworfen und Fender falsch oder gar nicht angebracht. „Bei auflandigem Wind knallen sie mir oft auf die Ecke“, sagt Langer und deutet auf eine gut gepolsterte Kante am Rand des Pontons.

Aber auch langjährige Eigner hätten ihre Schwierigkeiten: Bei seinem alten Kassenhäuschen, das vor drei Jahren ersetzt wurde, fuhr einmal eine ältere Skipperin mit dem Bugspriet ihres Motorseglers ins Fenster.

Ein halbes Jahr später sorgte ihr Sohn mit einem ähnlichen Manöver für Aufsehen. „Auch da war der Bugspriet zu lang, und zack, schon war die Tanksäule schief.“ Die Leute würden einfach zu wenig fahren, meint Langer. Viele Boote würden den Großteil ihres Lebens im Hafen liegen.

Wiederkehrender Trubel bei der Yachttankstelle Strande

Im Nachmittag wird es an der Yachttankstelle wieder voller. Die Wettfahrten wurden wegen des Windes abgesagt, und die Segler und Schlauchboote kehren in die Häfen zurück wie Fledermäuse in ihre Höhle. Viele möchten jetzt noch einmal Sprit bunkern – und für Thomas Langer beginnt der Trubel von Neuem.

Noch die ganze Woche lang wird es so weitergehen und die Tanksäule mit dem Super-Benzin morgens und nachmittags belagert. Danach wird wieder mehr Diesel durch die Leitungen fließen. Denn dann beginnt die Urlaubszeit im Norden Deutschlands und viele Sportboote werden vermehrt mit ihren Motoren auf der Nord- und Ostsee unterwegs sein.

Bis Oktober hat die Yachttankstelle Strande noch täglich geöffnet. Dann ist Schluss – auch für Thomas Langer, denn im nächsten Jahr möchte er den Fulltime-Job abgeben. Dann stehen für ihn andere Projekte an, denen er sich als Ruheständler widmen will.


​Sicher und effizient Tanken: Darauf ist zu achten

  • ​Sicherheitsausrüstung: Feuerlöscher und Löschdecke in Reichweite
  • Motor ausschalten und alle elektrischen Geräte abschalten
  • Kraftstofffilter regelmäßig kontrollieren und bei Bedarf wechseln
  • Überfüllen vermeiden, ggf. Hilfe anfordern
  • Verschütteten Kraftstoff sofort aufwischen und fachgerecht entsorgen
  • Tankvorgang mit Menge und Datum dokumentieren

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