Aufregender ArbeitstagAb ins Winterlager – Besuch auf einer Werft

Nils Leiterholt

 · 30.10.2024

Wenn die Yachten ins Winterlager kommen, laufen viele Arbeiten parallel
Foto: YACHT/Jozef Kubica
Abtakeln, einwintern, reparieren. Zur Komplettbetreuung im Winterlager gehört weit mehr als der Krantermin, die Politur und ein neuer Unterwasseranstrich. Bei Ancker Yachting in Kappeln wird jeglicher Service angeboten. Besuch zur Hochsaison

Donnerstag morgen, acht Uhr in Kappeln: Es regnet in Strömen. Auf dem Gelände von Ancker Yachting haben sich große Pfützen gebildet, dazwischen ist der Boden überschwemmt. Die Männer, die hier unter dem großen blauen Kran arbeiten, sind dennoch fleißig. Die Wassertropfen fallen von ihren gelben Kapuzen auf den Boden. In ein paar Stunden werden sie völlig durchnässt sein. Nicht wegen mangelhafter Bekleidung, sondern weil sie stetig in Bewegung sind. Hier kniet einer, um die Kabelverbindung zwischen Mast und Deck zu trennen, da steht jemand gebückt, um mit zwei Schraubenschlüsseln die Wantenspanner zu lösen.

Mehr aus dieser Reihe:

Einer hatte es zunächst in kurzen Hosen versucht, dann aber schnell festgestellt, dass das für heute die falsche Kleiderwahl ist: Malte Ancker. Gemeinsam mit seiner Frau Karolin führt er das Familienunternehmen in zweiter Generation. Gegründet wurde der Servicebetrieb 1989 von Karolins Vater Thedje Ancker auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei. Bis dahin hatte der Diplomingenieur bei der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt gearbeitet. Heute bietet das Unternehmen den Kunden nicht nur an, ihre Boote auszukranen und zu lagern, vielmehr können sie über den Winter hier sämtliche anfallenden Arbeiten erledigen lassen. Vom Unterwasserstrich über die Rumpfpolitur bis hin zu bootsbauerischen Arbeiten.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Mitarbeiter spezialisiert, aber flexibel einsetzbar

Während seine Angestellten mit den finalen Vorbereitungen beschäftigt sind, um „Rasmus“, eine Delphia 37, aus der Schlei zu hieven, kommt ihr Chef schon mit dem nächsten Boot um den Steg. Langsam und gekonnt bugsiert Malte Ancker die X-43 „Elixier“ längsseits an den Steg. Der Delphia-Eigner, ein älteres Semester, steht unter dem Vordach des Hafengebäudes. „Das Team arbeitet sehr professionell“, kommentiert er das Geschehen, während sich unter seinem Schiff die Heißgurte straffen und es von Ralf Reimer, der ruhig und besonnen den Kran bedient, langsam aus dem Wasser gehoben wird.

Der Fachmann sorgt dafür, dass „Rasmus“, nachdem sein Kiel über der Pier schwebt, in Richtung Zugfahrzeug schwenkt. Dann setzt Reimer das Schiff sachte auf dem Bock ab. Der Eigner ist zufrieden. „Das hat doch sehr gut geklappt“, sagt er, als Malte Ancker das Schiff in Richtung der Hallen vom Kranplatz fährt und es langsam an ihm vorüberrollt.

Parallel zu den Arbeiten rund um das Einlagern der Schiffe sind die diversen Aufgaben auf verschiedene Teams verteilt. Dabei ist es wichtig, dass die Mannschaft flexibel bleibt, und einzelne Mitarbeiter auch kurzfristig in anderen Teams aushelfen, damit am Ende alle Aufgaben mit hoher Schlagkraft abgearbeitet werden. Dabei sind alle Mitarbeiter auf bestimmte Arbeiten spezialisiert. Malte Ancker und sein Kollege Pajo Hysenllari etwa sind in erster Linie damit beschäftigt, die Schiffe vor dem Slippen zum Kranplatz zu schaffen und sie abzutakeln. Dabei ist aber auch regelmäßig Hilfe von Kollegen gefragt. Ralf Reimer und Migoel Gurrica sind mit dem Kranen vertraut und Ole Büßen und Thomas Labes arbeiten in der Riggabteilung.

Beim Abtakeln wird zunächst das laufende Gut an den Mast gebunden und alle demontierbaren Teile abgebaut. Dann wird der Teleskoplader in Betrieb genommen. Der rote Manitou wird von vier Stützen in Position gehalten und fungiert hier als mobiler Mastenkran. Nachdem sein Ausleger an den durchs Deck gesteckten Mast der X-43 gefahren und dort befestigt worden ist, kann der leicht aus dem Schiff gehoben werden. Sobald sich das Rigg nach oben bewegt, wird von den Profis jede Schiffsbewegung vermieden. Sonst würde der Mast womöglich Schaden anrichten. Als das Rigg aus dem Schiff gehoben ist, wird es an Land geschwenkt und auf Böcken abgelegt. Anbauteile wie Antennen und Windex werden abgebaut und im Schiff verstaut. Dann fahren die Männer das Rigg in eine der Hallen, wo später Salinge, Wanten und Stagen abgebaut werden sollen. Penibel müssen dabei alle abgebauten Teile gekennzeichnet werden.

Hochbetrieb in der Riggabteilung

Obwohl am Kran noch Hochbetrieb herrscht, arbeitet Ole Büßen aus der Riggabteilung schon Aufträge an den bereits gelegten Masten ab. Zwischendurch ist er als Unterstützung der Kran-Mannschaft aber ein gefragter Mann.

Auf seiner eigenen Liste steht als Nächstes die Arbeit am Rigg einer Grinde. Deren noch relativ neue Furlex soll gefettet werden. Außerdem hatten die Kollegen beim Mastlegen festgestellt, dass die Wantenspanner überprüft werden müssen und die Halteplatte eines Oberwants so aussieht, als sei sie gebrochen. Für Büßen und seinen Kollegen Thomas Labes galt es danach zunächst, den Eigner über alles zu informieren. Der erteilte sofort einen Reparaturauftrag und so gehen die Rigger den potenziellen Gefahrenquellen nun intensiv auf den Grund.

Zunächst bohren sie die Nieten der Halteplatte aus, um das wichtige Bauteil zu kontrollieren. Nach einer intensiven Inspektion ist klar, dass es sich bei dem vermeintlichen Riss nur um einen Kratzer handelt. Dementsprechend wird die Halteplatte der Oberwante wieder festgenietet. Die Furlex-Rollanlage ist von den beiden Rigg-Spezialisten innerhalb weniger Minuten gesäubert und mit frischem Fett wieder auf die nächste Saison vorbereitet.

Zurück in der Werkstatt nehmen sich die beiden die Wanten vor. „Die Spanner der Oberwanten lassen sich gar nicht mehr drehen“, berichtet Büßen von den Klagen der Mitarbeiter, die mit dem Abtakeln der Grinde beschäftigt waren. Deshalb sollen jetzt neue Wanten für das acht Meter lange Schiff angefertigt werden. Büßen kramt nach einer kurzen Suche T-Terminals aus seinem Kasten hervor, die identisch zu denen sind, die zuvor verbaut waren. Kurzerhand presst er ein Terminal auf den Draht, der noch in vielen Windungen auf einer großen Rolle aufgewickelt ist.

Als er den neuen Draht neben dem alten an einem Brett am Ende der Werkbank befestigt hat, kann Büßen die Länge ausmessen, den Draht auf die richtige Länge bringen, markieren und abschneiden. Im Anschluss wird das Gewinde auf das untere Ende des späteren Wants gepresst. „Unsere Rigg-Arbeiten bieten wir auch für externe Kunden an, der Aufwand muss aber natürlich gerechtfertigt sein“, erklärt Büßen, der für Vor-Ort-Termine auch häufig in den Häfen um Kappeln unterwegs ist.

Reibungsloser Zusammenarbeit mit Fachfirmen

Dass sein Know-how gefragt ist, zeigt auch der Umstand, dass Ole Büßen regelmäßig an der Berufsschule für Bootsbauer auf dem Priwall in Travemünde als Dozent gefragt ist. Dafür sammelt er in einer Kiste einige Anschauungsobjekte. „Das hier sind zum Beispiel gebrochene Halteplatten von verschiedenen Wanten. Manche bröseln beim Ausbauen quasi schon auseinander“, berichtet er über die extremen Fälle. Die Gefahr, die von einem Rigg ausgehe, das nicht regelmäßig professionell gewartet würde, werde von vielen Seglern unterschätzt, sagt Büßen. „Vor allem wenn im Verein gemeinschaftlich an einem Tag gekrant und vorher ‚mal eben‘ der Mast gelegt wird, werden dabei oft vermeintliche Kleinigkeiten abgetan oder Schäden sogar übersehen“, so der gelernte Schlosser.

In ihrer Werkstatt können die Riggspezialisten bei Ancker Yachting Drähte von drei bis 19 Millimetern pressen. Die meisten Terminals, Wantenspanner und Gewinde haben sie dafür auf Lager. So können sie im Notfall ihren Kunden auch kurzfristig mit der Erneuerung des stehenden Guts weiterhelfen. „Wenn die Eigner uns beauftragen, trimmen wir das Rigg im Frühjahr auch wieder ein“, sagt Büßen.

Während die Mitarbeiter von Karolin und Malte Ancker an Land mit dem Abtakeln der X-Yacht beschäftigt sind, arbeitet unter Deck ein Mitarbeiter der Firma Kiesow am Kühlwassersystem des Motors. Die Zusammenarbeit mit der Schiffsmotoreninstandsetzung und Service GmbH geht Hand in Hand. Wenn ein Kunde auf der Beauftragungsliste bei Ancker Yachting Leistungen am Motor wünscht, kümmert sich das Team darum, dass die Arbeiten von einer der Fachfirmen ordnungsgemäß ausgeführt wird.

Zusammenhalt der Werften in Kappeln

Auf der „Elixier“ soll der Motor eingewintert werden. „Außerdem wird ein Ölwechsel durchgeführt, da das turnusmäßig dran ist und der Kunde das gewünscht hat“, so Malte Ancker. Schließlich werden von dem Mitarbeiter des Drittunternehmens auch verschiedenste Filter gewechselt. All das geschieht, noch während die Mannschaft von Ancker Yachting an Deck den Rest des Schiffes darauf vorbereitet, aus dem Wasser gehoben zu werden.

Trotz der hohen Werftendichte in und um Kappeln berichtet Malte Ancker von einer Übernachfrage sowohl was Winterlagerplätze angeht als auch nach Servicedienstleistungen an der Schlei. „Das ist natürlich angenehm, wir klauen uns gegenseitig nichts“, so Ancker, „das ist selbstverständlich gut für die Zusammenarbeit mit den anderen, wenn alle gut leben können, ist die Schwelle, sich auszuhelfen natürlich niedriger.“

Im Herbst werden bei Ancker Yachting 600 bis 700 Boote gekrant. „Knapp 550 davon bleiben bei uns in den Hallen oder auf dem Freigelände, der Rest sind Trailerboote oder Schiffe, die bei einigen Bauern im Umkreis im Winter in der Scheune stehen“, erklärt Karolin Ancker. Für das Kranen von Schiffen mit einer Länge von unter 40 Fuß werden bei der Planung eine halbe Stunde veranschlagt, für größere Schiffe gleich eine ganze. „Am längsten dauern natürlich die Schiffe von Eignern, die den Komplettservice gebucht, ihren Schlüssel bei uns abgegeben haben und ihr Schiff im Frühjahr erst wieder in Empfang nehmen wollen“, sagt Malte Ancker, „davon haben wir immer einige auf der Liste.“ Die würden gekrant, wenn kein anderer Segler im Hafen stehe und darauf warte, dass sein Schiff aus dem Wasser kommt.

Einfluss der Ostseesturmflut 2023

Auf die Frage, wann die meisten Eigner ihre Schiffe an Land geholt haben wollen, antwortet er: „Unsere Kran-Saison geht von Anfang September bis Anfang November. Während einige Segler die Saison noch bis zum Schluss ausnutzen wollen, fürchten sich andere vor den drohenden Herbststürmen. Insbesondere nach der Ostseesturmflut im vergangenen Jahr wollen sie ihre Boote vor Mitte Oktober in Sicherheit wissen.“ Fast alle Schiffe seien aber spätestens bis Anfang November ausgekrant und stünden dann in der Halle.

Für die X-43 geht es, nachdem Ralf Reimer sie auf den Bock gestellt hat, auf den Waschplatz. Während das Rigg noch versorgt wird, werden hier schon das Unterwasserschiff und der Rumpf gereinigt. Das Schiebeluk des Schiffs ist bereits vor dem Kranen von Malte Ancker abgeschlossen worden. „Da müssen wir nicht mehr ran“, sagte er. Die Vergabe der Hallenplätze erfolgt in dem Familienbetrieb über die gebuchten Servicedienstleistungen. „Ich möchte meine Mitarbeiter natürlich so auslasten, dass ich sie das ganze Jahr über beschäftigen kann“, so Malte Ancker. Einige der Hallen seien sogar beheizt, was das Arbeiten an den Schiffen im Winter deutlich komfortabler mache. Sie werden den ganzen Winter über die Schiffe in ihrem Winterlager vorbereiten, damit alle Kunden die kommende Saison ganz unbeschwert genießen können.

Meistgelesen in der Rubrik Special