In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“.
Es war Ende April, Anfang der Saison 2013. Das Schiff lag nach dem Winterlager wieder aufgeriggt im Hamburger Yachthafen in Wedel und sollte durch den Nord-Ostsee-Kanal auf den Sommerliegeplatz an der Ostsee überführt werden. Frühmorgens um 05.00 Uhr begann das Wasser, die Elbe zu verlassen – da wollten wir mit. Doch es war pottendichter Nebel.
Als nach einer guten Stunde des Wartens vom Steg aus endlich wieder die Fahrwassertonnen zu erkennen waren, ging es los. Von einem Seezeichen zum nächsten, außerhalb des Fahrwassers, bei abziehendem Nebel, das schien vertretbar.
Mit langsamer Fahrt unter Motor ging es um 08.00 Uhr los. Doch der Nebel begleitete uns weiter und wurde sogar langsam wieder dichter.
Bald nach dem Auslaufen tauchte aus der Suppe dann plötzlich ein gespenstischer Schatten auf. Die Umrisse eines Motorbootes wurden erkennbar, es kam näher und entpuppte sich als Fahrzeug der Wasserschutzpolizei. Nach kurzem Woher und Wohin und der Auskunft, dass wir kein Radar hätten, kamen wir überein, dass es für uns das Beste sei, im Dwarsloch vor Anker zu gehen und abzuwarten, bis die Sicht wieder besser würde.
Bald war diese schmale Zufahrt zur Haseldorfer Nebenelbe erreicht und der Anker ausgebracht. Die Situation entspannte sich augenblicklich. Unter Deck wärmte der Ofen sowohl den Salon als auch das Wasser im Teekessel darauf, und die Zwangspause wurde dankbar angenommen. Morgen war schließlich auch noch ein Tag, und zeitliche Reserve eingeplant.
Hier, am sicheren Anker, hatte die Landschaft nun regelrecht etwas Zauberhaftes an sich. Das Ufer dicht bewachsen von Bäumen, deren Geäst bei Hochwasser bis in den Fluss reichte, Schilf zur anderen Seite und zahlreiche gefiederte und geschuppte Mitbewohner um uns herum, das ganze Bild weich gezeichnet vom lichtgrauen Dunst des wabernden Nebels.
Es war mein Mitsegler, der in dieser wohltuende Stille die unbequeme Frage stellte, ob hier am Ende der Tide überhaupt noch Wasser wäre, auf dem wir schwimmen würden. „Natürlich!“, entgegnete ich kopfschüttelnd mit gespielter Entrüstung. Was für eine Frage. Auf die Idee, dass unser Boot mit seinen 1,40 Metern Tiefgang hier bei Niedrigwasser auch nur Grundberührung haben könnte, wäre ich gar nicht gekommen.
Das Dwarsloch ist unter den Seglern der Niederelbe als der Ankerplatz schlechthin bekannt. Mehrfach schon bin ich hier auf dem Weg in den kleinen Hafen von Haseldorf durchgefahren und musste mich dabei von zahlreichen Ankerliegern freihalten, die eine Nacht inmitten der Natur verbringen wollten.
Die kannten sich hier offenbar besser aus. Noch ehe ich mich näher mit der Karte beschäftigen konnte, denn ganz so sicher, wie ich getan hatte, war ich mir nun nicht mehr, hatten wir tatsächlich Grund.
Nun war nicht mehr viel zu machen. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es nicht mehr lange ablaufen würde. Noch hoffte ich, gegenüber der Crew mein Gesicht wahren zu können. Vielleicht lägen wir ein wenig auf der Seite, der Kiel würde sich im schlammigen Bett des Elbufers schon sein Bett wühlen. Dachte ich mir.
Doch das Wasser lief beständig ab, und der Kiel grub sich mitnichten ein, sondern erreichte, im Gegenteil, die lehmigeren Schichten des Grundes unter dem Schlamm. Und so begann das Schiff unweigerlich, sich langsam zu neigen.
Bald kuschelte sich die Bordwand an die Seite des kleinen Prils, der sich nun deutlich im Matsch des Flussbettes abzeichnete.
Es war nur ein schwacher Trost, dass jetzt genau zu sehen war, wo die tieferen Stellen gewesen wären. Auch die Feststellung, dass Springzeit war – und damit besonders gründliches Niedrigwasser – machte die Sache nicht besser. Wir lagen hoch und trocken.
Der Aufenthalt an Bord wurde problematisch. So viel Lage hatte das Boot beim Segeln nie gehabt. Ein Schapp oder eine Schublade auf der nun fast zur Decke gewordenen Backbordseite zu öffnen, verbot sich. Der Kocher war nicht zu benutzen, der Ofen längst aus.
Das war ja ein schöner Saisonbeginn.
Doch das Wasser kam zurück. Und zwar mit Macht. Nach zwei Stunden in der Koje verriet ein Gurgeln an der Bordwand, dass unser Untersatz bald wieder schwimmen würde.
Mit Schmackes lief es auf, füllte erst den kleinen Pril, stieg dann an dessen Rand und umspülte unser unfreiwillig gestrandetes Schiff, bis es – gefühlt – mit einem Satz aufschwamm und sich ruckartig im Strom drehte, bis es wieder, als wäre nichts geschehen, an seinem Anker hing und schwamm. Nur ein wenig Schlick an der Außenhaut erinnerte noch an die Zwangspause.
Irgendwann verzog sich der Nebel und mit ihm das Bild vom ausgetrockneten Dwarsloch.
Gegen Ende der Flut gingen wir Anker auf, liefen zurück auf die Elbe und setzten unsere Reise fort. Und in der immer klarer werdenden Frühjahrsluft schien es schon bald so, als wäre diese unrühmliche Elbsegelepisode eines Ostseeseglers nur ein böser Traum gewesen.
Bis der Aufruf, die Seglerbeichte abzulegen, diese Erinnerung wieder ins Bewusstsein brachte. Und die Erkenntnis, dass der sprichwörtliche Blick in die Seekarte vor der Wahl eines geeigneten Ankerplatzes unerlässlich ist. Vor allem im Tidenrevier.
Haben auch Sie dumme oder vermeidbare Fehler gemacht, woraus sich lustige, gefährliche oder teure Situationen ergaben? Dann schreiben Sie und bitte unter mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“.