In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.
Vor ein paar Jahren im Herbst lud uns der Onkel meiner Frau ein, mit ihm eine Regatta zu segeln. Sein Boot, die „Alte Liebe“, ist als Fahrtenboot nach dem Vorbild eines Fischewers gebaut. Die Gaffelsegel werden an zwei Holzmasten gesetzt. Der Rumpf ist aus Stahl, alle Spieren aus Holz, auch der Klüverbaum, um den es in dieser Seglerbeichte gehen soll. Insgesamt ein sehr schönes, seetüchtiges Schiff.
Die anderen Teilnehmer waren ebenfalls unterschiedlichsten niederländischen Arbeitsbooten nachempfunden. Von schwarz und rustikal bis liebevoll bunt lackiert mit vergoldeten Figuren auf den angehängten Ruderblättern waren alle Größen und Formen vertreten. Die meisten hatten Seitenschwerter. Bei einem Boot stand ein Klavier an Deck.
Auf dem Wasser stellte sich heraus, dass, Traditionsschiff hin oder her, eigentlich alles genauso funktioniert wie auf herkömmlichen Fahrtenyachten; mit dem kleinen Unterschied, dass alles doppelt vorhanden ist: So stehen auf der „Alten Liebe“ nicht nur zwei Masten, es gibt mit Klau und Piek auch zwei Fallen für jedes Segel. Auch die Dirk ist zweifach vorhanden (also insgesamt vier Mal) und erfüllt gleichzeitig noch die Aufgaben eines Kickers und der Lazyjacks mit. Insgesamt 36 einfarbige beige Leinen fanden sich an Deck und im Cockpit. Da hatte ich noch den einfachsten Job an der Pinne (was für eine Fehleinschätzung!), die in einem geschnitzten Aalkopf endete.
An jedem Tag der Veranstaltung gab es einen anderen Kurs über das Grevelingen Meer. Am Zweiten, dem verhängnisvollen, sollte der Kurs entlang verschiedener Inseln führen, im Grevelingen Archipel gab es dann die Möglichkeit, durch besondere Manöver unter Segeln Zusatzpunkte einzuheimsen, danach führte der Kurs nach Bruinisse ins Ziel.
Am Anfang lief es richtig gut. Die Wettfahrt am Vortag hatte unsere vierköpfige Crew zusammengeschweißt, jeder kannte seine Aufgabe und wir segelten mit einem Anlieger zwischen den Inseln Dwars in den Weg und Stampersplaat hindurch. Jeden Zentimeter Höhe nahmen wir mit und konnten nach der Passage an der vorgesehenen Fahrwassertonne Richtung Grevelingen Archipel abfallen. Dort angekommen sollten Anlegemanöver unter Segeln die ersehnten zusätzlichen Punkte bringen. Der Archipel besteht aus drei kleinen Inseln mit vielen Steganlagen, von denen wir uns die vermeintlich beste für unsere Manöver aussuchten.
Es gab aber mehrere Faktoren, die das Manöver verkomplizierten: Die „Alte Liebe“ hat auch mit vollständig gelegter Aalkopf-Pinne einen beachtlichen Wendekreis, dazu kam ein zwischen den Inseln recht enger Manöverraum und natürlich der Klüverbaum. Alles kein Problem, dachte ich. Also mit raumem Wind und möglichst viel Speed zwischen die Inseln, denn je langsamer das Schiff, desto größer auch der Wendekreis. Dann Ruder hart Steuerbord, Schoten los – und wir verhungerten kurz vorm Steg. Zu langsam, zu vorsichtig. Ohne Fahrt im Schiff ergab sich achteraus eine fiese Legerwallsituation mit einer aus Steinen aufgeschütteten Insel. Also schnell die Fock backstellen, den Bug aus dem Wind drehen und langsam Fahrt aufnehmen, um den Archipel erst einmal zu verlassen und einen zweiten Anlauf zu versuchen. Diesmal aber wirklich mit genügend Schwung!
Also Fahrt aufnehmen, Ruder legen, Schoten los und draufhalten. Der Steg war so gewählt, dass der Aufschießer nicht ganz rechtwinklig erfolgen musste, sondern fast schon längsseits. Ich dachte, damit (so die Idee) konnte ich mit zu viel Schwung einfach etwas mehr Ruder legen und die „Alte Liebe“ am Steg entlang auslaufen lassen oder im schlimmsten Fall ganz vorbeisegeln. In dieser Überlegung fehlten aber zwei entscheidende Faktoren: Das Wasserstag im toten Winkel vorm Bug und eine Klampe auf dem Steg. Denn jetzt, im zweiten Anlauf mit mehr Schwung, sah es richtig gut aus für unser Anlegemanöver, ich legte noch etwas Ruder, wir hatten nur noch ganz wenig Fahrt im Schiff und plötzlich: Krach! Splitter! Der aufgerollte Klüver baumelte plötzlich lose über dem Vorschiff und der Klüverbaum hing irgendwo zwischen Steg und Boot. Nach ein paar Sekunden, die nötig waren zu verstehen, was überhaupt passiert war, war klar: Ich war mit dem Wasserstag genau an der Klampe hängen geblieben und trotz sehr geringer Fahrt voraus hatte es die Spiere am Bug einfach abgebrochen! Wie peinlich!
Nach den nötigen Aufräumarbeiten segelten wir weiter, ich weiß nicht mehr, ob wir ein weiteres Anlegemanöver probiert haben. Das wäre jetzt zumindest einfacher gewesen ohne Wasserstag und Klüverbaum. Abends bei der Siegerehrung gab es für mein materialintensives Anlegemanöver sogar einen Sonderpreis. Und zum Glück war der Eigner nicht sauer auf mich. Ganz im Gegenteil, er freute sich, dass ich ihm eine Entscheidung abgenommen hatte: Er würde jetzt den originalen und deutlich längeren Klüverbaum installieren. Ich hatte nur ein etwa einen Meter langes Exemplar zerbrochen. Die originale Spiere ist mit fast drei Metern länger, kann aber für Hafenmanöver aufgeholt werden. Ein entscheidendes Detail, das Hafenmanöver erleichtert aber (hoffentlich) auch weniger Stoff für eine Seglerbeichte liefert.