In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.
Es war eine dieser Nächte, an die man sich nicht gern erinnert, was sich aber kaum vermeiden lässt.
Zum Glück ist das Erlebte lange genug her.
Eigentlich war die Aufgabenstellung simpel, umso unvorhersehbarer wie ärgerlich der Ausgang. Wir, drei Crewmitglieder auf einem Admiral’s Cupper, sollten das Boot aus Lymington, wo es nach dem Cup bei einem großen Makler zum Verkauf stand, nach Deutschland überführen. Es hatte sich kein Käufer gefunden, das Boot sollte daheim erstmal so richtig aufgehübscht und dann erneut angeboten werden.
Also ab nach England mit dicken Klamotten, es war schon Winter. Zwei Tage brauchten wir, um das Boot wieder in einen segelfertigen Zustand zu versetzen. Saubermachen, Segel anbauen, bunkern, verproviantieren, Makler abwickeln. Und los mit dem Niedrigwasser. Prima Graupelwetter, wir rauschen dafür mit dem Strom durch den Solent. Heiliger Boden sozusagen, dort steht die Wiege des America’s Cups, später des Admiral’s Cups, dort startete und endete das Whitbread Round the World Race.
Das ist schön und gedenkenswert, hilft aber nur bedingt gegen die Kälte. Atmungsaktives Ölzeug, das Zwiebelprinzip und funktionierende First- und Midyayer gabs noch nicht. Nach einer fiesen Nacht und noch schlechteren Aussichten für die übrigen 400 Seemeilen beschließen wir einen Stopp in Dover einzulegen, einem der größten Passagierhäfen Europas . Die Vorfreude auf den Hafen währt nur kurz. Nachdem wir die westliche Einfahrt und damit den starken Schiffsverkehr, Strom und Schwell passiert haben, melden wir uns wie vorgeschrieben über Kanal 80 an, nur um zu erfahren, dass das Tor zur tidenabhängigen Marina Wellington Dock erst in acht Stunden wieder aufmachen würde und wir bis dahin („I am so sorry“) im Hafen ankern müssten.
Shit! Keine Heizung, kein Kocher, Hackwetter und einstellige Temperaturen auf einem nackten Aluminium-Cupper. Als Grundgeschirr ist handelsübliche Regattaware an Bord. Ein Plattenanker und viel dünne Leine, soll ja alles schön leicht sein. Also ankern. Das Eisen scheint zu halten, sagt die Landpeilung. Und wir haben es eilig, aus dem Wind wieder unter Deck gehen zu können. Vielleicht zu eilig. Wir schwören uns, nicht einzuschlafen, verziehen uns in die einzigen halbwegs warmen Rückzugsorte: In die Schlafsäcke auf den Rohrkojen. Der laufende Motor bringt etwas Wärme ins Schiff und die Nacht senkt sich über unseren Ankerplatz. Wir haben noch Stunden vor uns.
Und wachen auf, weil zwei Dinge nicht ins gewohnte Bild passen. Das Boot krängt stark und knirschende Geräusche auf der Backbordseite künden mit jeder Welle von neuem Kontakt mit dem Kies des Ufers. Gestrandet im Hafen! Die Ankerleine war gebrochen, unsere Alu-Schüssel schubbert am Strand, der Mast scheint über der viel zu nahen Uferpromenade zwischen den Laternenpfählen zu sicheln. Ein Mitsegler will per Funk schnelle Hilfe holen, wir können ihn dazu überreden, noch kein Mayday auszurufen. Vielleicht haben wir ja Glück. Der Motor springt schon mal an. Rückwärtsgang rein und hoffen.
Mit jeder Welle zieht sich das Boot langsam und dann immer schneller vom Strand weg. Wir passieren in der rabenschwarzen Nacht zwei Felsen, zwischen denen wir hindurchgetrieben sind. Wir schaffen es tatsächlich! Das Boot schwimmt aufrecht, die Logge zeigt bereits einen Meter Wasser unter dem Kiel. Kurz nachdem wir uns gegenseitig den Schwur abgenommen haben, das Erlebte niemals weiter zu erzählen (Okay hat nicht geklappt, aber nach rund 40 Jahren ist das vielleicht verjährt) knistert es auf Kanal 80. („You guys had a good night? Well the Gates are open now, why don’t you visit lovely Dover?”).
Gerne!
Die Lehren aus dem Ereignis: Vor dem Törn sollte die Crew eventuelle Zwischenstopps für schlechtes Wetter, technische Ausfälle und andere unvorhergesehene Dinge einkalkulieren. Für die Ausweichhäfen und auch an mögliche Einschränkungen wie Anfahrt, Gezeiten und Sperrungen denken. Vor einer Überführung die Sicherheitsausstattung checken und ggf. ergänzen. Ein paar Meter Kette hätten es vielleicht schon getan. Und eine Ankerwache ist keine schlechte Erfindung.
Haben auch Sie dumme oder vermeidbare Fehler gemacht, woraus sich lustige, gefährliche oder teure Situationen ergaben? Dann schreiben Sie und bitte unter mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.