In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.
Vorweg: Was mir - oder besser: meiner Crew - Mitte der Nullerjahre passiert ist, wäre heutzutage kaum noch denkbar. Zum Glück. Das liegt am technischen Fortschritt an Bord. Und dabei rede ich nicht von Plottern, Autopiloten und Wetter-Apps, sondern vom guten alten Telefon. Viele werden sich erinnern: Natürlich gab es auch damals schon Handys. Ein bestimmender Teil des Alltags waren sie aber noch nicht - und deshalb hatte man sie auch längst nicht immer dabei.
Der Chartertörn hatte in Heiligenhafen begonnen, Kurs Dänische Südsee. Es war spät im Jahr, Anfang Oktober. Der Vorteil dieser Reisezeit: leere Häfen. Ihr Nachteil: kurze Tage. Davon abgesehen war es aber ohnehin der einzige Termin, der für uns drei passte.
Nach einem langen Schlag zur Schlei ging es am nächsten Tag nach Sønderborg in Dänemark, wo wir im fast verwaisten Stadthafen festmachten. Allerdings nur für ein paar Stunden, denn aus irgendeinem Grund hatten wir beschlossen, über Nacht zu ankern, obwohl das Wetter schlechter werden sollte und Regen angesagt war. Unser Ziel dafür war Hørup Hav, gleich um die Ecke. Am nächsten Tag sollte es dann über den Kleinen Belt hinüber nach Ærø gehen.
Da der Wind am späten Abend auf Südwest drehen und etwas zunehmen würde, suchten wir uns einen geschützten Platz weit im Inneren des Haffs vor dem Nordufer der Halbinsel Kegnæs. Wir waren komplett allein, die einzige andere Yacht hatte uns auslaufend passiert, und wir freuten uns über den wunderschönen Platz, den wir nun ganz für uns alleine hatten.
Sobald der Anker unten war, wurde das Dingi zum Landgang klar gemacht: Meine zweiköpfige Crew wollte den Rest des Tages nutzen und dem Leuchtturm von Kegnæs einen Besuch abstatten. Ich weiß nicht mehr genau, an welcher Stelle wir damals gelegen haben, aber wenn ich mir die Entfernungen bei Google Maps anschaue, muss die Strecke vom Ankerplatz zum Leuchtturm mindestens eine Seemeile betragen haben - mit dem gleichen Rückweg. Selbst bei guten Bedingungen ganz schön ambitioniert - aber man war ja noch jung.
Die beiden ruderten los. Ich blieb noch etwas im Cockpit, bis es zu frisch wurde und ging dann nach unten. Mit Buch machte ich es mir in der Sitzecke bequem und schlummerte schließlich ein. Als ich aufwachte, war ich noch immer allein an Bord. Draußen war es inzwischen dunkel - und schüttete ordentlich. Meine Mitsegler waren schon seit Stunden unterwegs und ich vermutete, dass sie irgendwo im Warmen beim Bier sitzen und abwarten würden, dass der Regen aufhört.
Dann hörte der Regen auf. Vom Niedergang aus steckte ich kurz den Kopf nach draußen: Es war pechschwarz, die Sicht gleich null. Eine weitere Stunde verging ohne Spur vom Dingi. Immer wieder schaute ich nach draußen. Eigentlich hätte mir die absolute Finsternis auf die Sprünge helfen müssen. Doch an diesem Abend dauerte es, bis der Groschen endlich fiel - zufällig.
Denn plötzlich kam mir ein neuer Gedanke: Vielleicht hatte der Südwest den Rest der Besatzung beim Rudern abgetrieben? Reflexartig ging mein Blick nach oben zum Verklicker - und ich sah nichts. Das Ankerlicht! Ich hatte es nicht eingeschaltet, als ich nach unten gegangen war! Wie hatte ich das vergessen können? Jetzt hastete ich nach unten und drückte den Schalter. Keine zehn Minuten später hörte ich Ruderschläge in der Dunkelheit.
Klitschnass und durchgefroren kletterte meine Crew an Deck, während ich am liebsten im Boden versunken wäre. Von wegen Kneipe. Sie hatten sich zeitig auf den Rückweg gemacht. Allerdings hatte es etwas gedauert, bis die beiden ungläubig zu dem Schluss gekommen waren, dass das Ankerlicht unserer Yacht offensichtlich nicht brannte: Nein, das würde Christian nie passieren! Oder doch? Dann hatte der Regen eingesetzt.
Schließlich waren sie zum Ufer gerudert und an Land geklettert, um unter einem Baum Schutz zu suchen. Und zu warten. Während dieser Zeit hatten sie übrigens beschlossen, gnädig mit mir zu sein. Und als sie sich schon damit abgefunden hatten, bis zum Morgen durchhalten zu müssen, war draußen über dem Wasser doch noch ein Licht aufgegangen.