Uwe Janßen
· 17.12.2003
Die erstaunlichen Pionierleistungen des Robert Hilgendorf - wie der gewiefte Kap Hornier zum besten Kapitän seiner Zeit wurde
Der P-Liner-Kapitän Robert Hilgendorf war der größte und berühmteste Seemann im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unter anderem mit dem Laeisz-Schiff "Potosi", damals das größte Segelschiff der Welt, fuhr "der Teufel von Hamburg" Salpeter von Chile nach Europa. Und alle Welt rätselte, wie er es nicht nur schaffte, verlässlich seine Zeitpläne einzuhalten, sondern dabei auch noch diverse Rekorde aufstellte.
Hilgendorf erreichte mit der Fünfmastbark zum Beispiel ein sensationelles Etmal von 376 Meilen bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15,7 Knoten - das hatte vor ihm noch niemand geschafft. Und die Reise vom Englischen Kanal nach Chile gelang ihm in 58 Tagen, ebenfalls eine damals unfassbare Bestzeit. Sein Erfolgsgeheimnis: Hilgendorf war einer der ersten, der wissenschaftliche Erkenntnisse sammelte und daraus jene Schlüsse zog, die heute gang und gäbe sind. Etwa, dass der schnellste Weg zum Ziel nicht immer der direkte ist.
Nach dem Studium seiner Aufzeichnungen und denen anderer Kapitäne war er in der Lage, das Wetter zu "lesen" wie kein Zweiter. Hilgendorf, der gewiefte Kap Hornier, beherrschte das meisterlich, ganz abgesehen davon, dass er ein überragender Seemann war. Und: Er legte mit seinen gesammelten Wetterdaten einen Grundstein für das bis dato unbekannte Hilfsmittel Vorhersage. Zwischen 1883 und 1898 reichte er 16500 Beobachtungssätze bei der Deutschen Seewarte in Hamburg ein - die Basis für methodische Auseinandersetzung mit Meteorologie.
Klug war Hilgendorf, stolz und energisch. Ein Kapitän von altem Schrot und Korn, dem Neuen dabei stets aufgeschlossen. Und ein großer Charismatiker. Als der "Altmeister unserer stolzen Segelschiffahrt", so Kaiser Wilhelm II., 1937 mit 85 Jahren starb, wurde er seinem letzten Willen entsprechend aufgebahrt - unter einem Gemälde seiner geliebten "Potosi". Das Bild war ein Geschenk. Der Reedereichef Laeisz hatte es ihm überlassen. Als Anerkennung für seine Lebensleistung.